71. Kapitel

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Sie sind vererbbar.
Liz' letzte Worte geisterten wie Dolche durch meinen Kopf, ließen keine Platz für jegliche andere Gedanken. Allein dieser Satz schien meine schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen und doch konnte ich nicht glauben, dass es wahr war. Ich konnte es einfach nicht, allein die Vorstellung war so unwirklich, dass es beinahe schon lächerlich wirkte. So etwas würde hier niemand auch nur in Betracht ziehen, genau wegen solchen Dingen wollten wir doch überhaupt eine Rebellion durchsetzen.
"Bitte sag mir, dass ich das jetzt falsch verstanden habe. Bitte sag mir, dass es nicht das bedeutet, was ich denke. Bitte sag mir, dass Damon mich nicht schwängern sollte, damit ich ein Kind mit gleich drei übernatürlichen Kräften bekomme", flüsterte ich und sah meine Freundin mit vor Schock geweiteten Augen an. "Bitte."
Sie schüttelte leicht den Kopf, sah mich ernst und gleichzeitig mitfühlend an. "Ich wünschte, ich könnte es."
"Das...", begann ich, brach jedoch wieder ab und vergrub mein Gesicht in den Händen. Von einer Sekunde zur nächsten stürmten die unterschiedlichsten Emotionen auf mich ein; Überraschung, Unglaube, Verständnislosigkeit, Enttäuschung und schließlich eine alles umfassende Hilflosigkeit.
Ich fühlte mich wie ein winziges Schiff inmitten des tosenden Ozeans. Die Wellen schlugen über mir zusammen, drückten mich in die Tiefe, zogen mich wieder hinauf, warfen mich hin und her, ließen mir keine Chance zu entkommen oder auch nur selbst die Richtung meiner Reise zu bestimmen.
Warum ich? Warum musste ausgerechnet ich etwas Besonderes sein? Alles was ich wollte war, normal zu sein. Niemandem einen Grund zu geben, über mein Leben bestimmen zu wollen. Ich wollte meine Entscheidungen selbst treffen, nicht dass das jemand über meinen Kopf hinweg an meiner Stelle tat.
"Wer hat das entschieden?", murmelte ich mit brüchiger Stimme und hob langsam wieder den Blick.
Liz schwieg einen Augenblick, schien zu überlegen, wie viel sie mir zumuten konnte. "Wie gesagt, eine knappe Mehrheit des Rates. Die andere Hälfte, zu der ich gehöre, hat protestiert, aber sie haben uns überstimmt. Und...ich sollte dir noch etwas sagen."
Ihr unheilvoller Tonfall ließ mich aufhorchen. Noch schlimmer konnte es meiner Meinung nach nicht werden. Außer sie wollte mir jetzt mitteilen, dass ich nicht nur schwanger werden sollte, sondern es bereits war. Wobei die Frage war, ob sie es mir überhaupt sagen konnte. Mit ein bisschen Glück wirkte dieses Verschwiegenheitszeug jetzt, wo ich zumindest den wichtigsten Teil wusste, nicht mehr.
Erwartungsvoll hob ich eine Augenbraue und bereitete mich innerlich darauf vor, meine unweigerlich folgende Wut nicht an Liz auszulassen.
"Nun ... also ... ehrlich gesagt...", druckste sie herum, bevor ich sie seufzend unterbrach. "Sags einfach, Liz, ich werde dich schon nicht umbringen."
"Essolltenichtnureinkindsondernehervieroderfünfwerden", ratterte sie kleinlaut in einer solchen Geschwindigkeit herunter, dass ich mir sicher war, mich verhört zu haben. Vierlinge oder Fünflinge, so etwas war doch rein anatomisch gesehen extrem unwahrscheinlich. Nein, ich musste mich verhört haben. Die Tatsache, dass mit der heutigen Medizin so ziemlich alles möglich war, verdrängte ich großzügig.
"Und warum genau ist der Rat der Ansicht, über meinen Körper bestimmen zu dürfen? Und was zur Hölle sollte es bringen, wenn ich schwanger werden würde? Bis das Kind alt genug wäre, um seine Fähigkeiten einsetzen zu können und zu kämpfen, würden Jahre vergehen. Mal ganz davon abgesehen, dass es doch gar nicht sicher ist, dass die Fähigkeiten wirklich vererbt werden würden", sagte ich und lief unruhig im Zimmer auf und ab. Ich verstand es nicht und ehrlich gesagt wollte ich es auch nicht verstehen. Es gab keine Rechtfertigung, um dermaßen über einen Menschen bestimmen zu dürfen. "Nicht zu vergessen natürlich, dass sie damit genau das selbe tun, wie unsere allseits geliebte Regierung."
"Doch, es ist sogar sehr sicher, dass die Kinder, laut Plan würde dafür gesorgt werden, dass du wirklich gleich drei oder mehr bekommen würdest, diese Fähigkeiten beherrschen würden. Grob gesagt unterscheidet man in der Genetik dominante und rezessive Gene. Die Dominanten setzen sich immer durch und zumindest eure Mutationen gehören zu dieser Art. Möglicherweise könnte eine die andere verdrängen, aber mit großer Wahrscheinlichkeit würde das nicht passieren, da sie an unterschiedlichen Stellen wirken.
Jedenfalls würde allein die Existenz solch mächtiger Kinder, egal wie alt sie sind, die Regierung unter Druck setzen. Christina glaubt, dass man so eine Verhandlungsbasis schaffen und unser aller Leben ein paar Monate verlängern könnte", erwiderte Liz. Ihr Tonfall triefte geradezu vor Sarkasmus, ich hatte sie noch nie so abfällig von irgendjemandem sprechen hören.
Wo wir gerade bei abfällig waren...
"Ich wette, Damon hatte kein annähernd so großes Problem mit diesem Plan wie ich. Wahrscheinlich hat er sogar als Erster dafür gestimmt", sagte ich und konnte ein bitteres Lachen nicht vollständig unterdrücken. "Ist ja auch nichts weiter dabei. Klar spiele ich die Zuchtstation für übernatürliche Druckmittel. Ist doch selbstverständlich, da muss man mich auch nicht informieren geschweige denn vorher fragen."
"Ehrlich gesagt war Damon der Erste, der dagegen gestimmt hat", konterte Liz und lächelte angesichts meiner ungläubigen Miene. "Um genau zu sein, hat er nach einer endlosen Diskussion mit den Worten 'ihr habt sie doch nicht mehr alle' kopfschüttelnd den Raum verlassen. Womit die Sache für ihn wahrscheinlich erledigt war. Deswegen bezweifle ich, dass du dir diesbezüglich irgendwelche Sorgen machen musst. Solange Damon sich weigert, kann eigentlich nichts passieren."
"Klar, solange er sich weigert, wird das akzeptiert. Dass ich das niemals freiwillig tun würde, spielt ja keine Rolle. Aber selbst wenn Damon nicht dagegen wäre, würde ich mir keine Sorgen machen, weil ich nämlich ganz sicher nicht im selben Bett wie er landen werde", entgegnete ich aufgebracht.
Liz zuckte unschlüssig die Schultern und beobachtete, wie ich hin und her lief. "Weißt du denn sicher, dass du ihm widerstehen würdest, wenn er es darauf anlegen würde, dich zu verführen?"
"Ich..." Was war das denn für eine Frage? Natürlich würde ich ihm nicht in die Arme springen, was dachte sie denn?
Andererseits wusste ich nicht, wie ich tatsächlich in so einem Fall reagieren würde. Mein Verstand sagte zwar eindeutig, dass ich nicht nachgeben würde, doch mein Körper könnte das ganz anders sehen. Elende Hormone.
"Nein", gab ich schließlich widerwillig zu und nahm mir im selben Atemzug vor, niemals allein mit Damon in einem Raum zu sein. Nicht, dass er plötzlich seine Meinung änderte.

Caeth-Die Rebellen || #Wattys2015Where stories live. Discover now