Ein Hauch von Magie - Schicksalsschlag

Kapitel 1

Das Fliegen so anstrengend sein kann hätte ich nicht gedacht. Früher hat es mich immer entspannt und beruhigt. Es hat Spaß gemacht. Der Wind, der durch Haare und Gesicht fährt. Die Aussicht auf die Welt dort unten. Die Ruhe und Abgeschiedenheit. Und jetzt ist es meine Rettungsleine. Mein Anker. Ohne den Trost meiner Magie wäre ich schon längst zerbrochen.

Trotzdem hätte ich mich vielleicht nicht vorzeitig selbst aus dem Krankenhaus entlassen sollen, schießt es mir durch den Kopf, als ein Luftloch unsagbare Schmerzen durch meinen kompletten Körper jagt und ich die schwarzen Flecken aus meinem Sichtfeld blinzeln muss.

Ein Glück bin ich gleich da. Von Weitem kann ich bereits mein Internat erkennen, welches eigentlich eher ein Schloss oder eine Burg ist als alles andere. Hohe Türme, große Fenster und ein von außen hin kompakt aussehender Bau sind das Markenzeichen meiner Schule. Hier habe ich die meiste Zeit der letzten vier Jahre verbracht und das Letzte schaffe ich auch noch. Auch wenn jetzt alles anders ist.

Mit Gewalt dränge ich die schmerzhaften Gedanken an meine Familie, Feuer und Rauch beiseite. Dort unten ist die breite Rasenfläche vor dem Eingang unserer Schule zu sehen, auf der ich jetzt versuchen muss zu landen ohne Schmerzen zu zeigen. Und hoffentlich ohne die breite Naht an meinem Oberschenkel wieder aufzureißen oder meine geprellten Rippen weiter zu belasten.

Ich hätte wirklich nicht fliegen sollen. Es verbraucht Konzentration und Magie, was meine Heilung weiter verzögern wird. Aber schon allein der Gedanke wieder in ein Auto zu steigen verursacht eine solche Panik, dass es schlichtweg unmöglich gewesen wäre auf diesem Weg hier her zu gelangen. Zudem ist die winzige Straße, die zu unserem Internat mitten im Nirgendwo führt nur so von Schlaglöchern durchsetzt. Ich wäre auf dem Weg hier hin wahrscheinlich gestorben.

Kurz vor meiner Landung nehme ich mit einer Hand einen kleinen Spiegel aus meiner Hosentasche, um mich darin zu betrachten. In meinen grau-grünen Augen kann man die Schmerzen erkennen, die ich versuche zu verstecken, aber nur genauen Beobachtern würde es überhaupt auffallen. Die meisten sehen mich sowieso nicht länger als notwendig an. Ich habe einen eher angsteinflößenden Ruf.

Meine früher so langen schwarzen Haare stehen nun in alle Himmelsrichtungen ab, da sie jetzt nur noch etwa zehn Zentimeter lang sind. Eine Folge des Unfalls. Durch den Brand sind ein Großteil meiner Haare versenkt worden und das ist die einzige Frisur, mit der ich nicht komplett wie ein Junge aussehe.

Müde checke ich den Zauber, den ich gewirkt habe, damit niemand meine Blessuren und blauen Flecken sieht. Zudem trage ich eine lange weite Jeanshose und einen großen Pullover. Beide verdecken so ziemlich alles, was möglich ist. Der Zauber deckt lediglich mein Gesicht ab, welches noch immer von blauen, roten und grünen Flecken überzogen ist. Abgesehen von der etwas größeren Naht über meiner rechten Augenbraue. Doch davon ist dank meiner Magie nichts mehr zu sehen.

Vorsichtig setze ich zum Landeanflug an. Direkt neben meiner Freundin Selena, die so aussieht, als würde sich mich entweder am liebsten anschreien oder in Watte packen. Wahrscheinlich beides gleichzeitig. Trotzdem würde sie das nie wagen. Sie ist ein typischer Mitläufer. Ruhig, in sich gekehrt und in den meisten Fällen ziemlich gelassen. Ich kann an einer Hand abzählen, wie oft sie schon ausgeflippt ist. Aber wenn es dann soweit ist, dann sollte man in Deckung gehen.

Mit ihren blonden, langen, lockigen Haaren, der zierlichen Gestalt und der schlanken Figur sieht sie zwar aus wie eine Elfe, aber wenn es sein muss kann sie auch zu einem Berserker werden. Keine schöne Erfahrung. Mit ihren großen braunen Augen und der niedlichen Stupsnase mit den Unmengen an Sommersprossen sieht sie einfach zauberhaft aus. Dieses Bild von sich unterstreicht sie gerne mit hellen Farben wie weiß, rosa und hellblau. Nur ihre engsten Freunde wissen, dass hinter dieser Fassade eines lebenslustigen Mädchens so viel mehr steckt.