Kapitel 16

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Am nächsten Morgen treffen wir neun uns beinahe wie abgesprochen gleichzeitig im Speisesaal. Ich, Riley, Luise und Dean sind mit einem Kaffee und unserem Frühstück bewaffnet, Abigail nur mit ihrem Glas Blut und der Rest hat sich Saft zu seinem Essen genommen. Wieder beobachte ich meine vampirische Freundin dabei, wie sie das Zeug trinkt. "Denkst du immer noch darüber nach, wie es ist immer nur Blut zu trinken? Ich dachte, dass hättest du inzwischen akzeptiert?", lacht sie mich aus und prostet mir mit ihrem Blutbecher zu.

"Ich kann es einfach nicht nachvollziehen. Das ist alles. Aber immerhin weiß ich, dass ich die letzte bin, die du aussaugen würdest.", gebe ich lachend zurück und strecke ihr die Zunge raus, bevor ich einen Schluck von meinem Kaffee nehme. "Das stimmt. Ohne dir zu nahe treten zu wollen, du schmeckst einfach nicht." Schon allein bei dem Gedanken schneiden wir beide eine Grimasse, während die Jungs uns interessiert mustern.

"Du hast sie dein Blut trinken lassen?", will Ben skeptisch wissen und hat wahrscheinlich ein sehr unschönes Kopfkino. "Das war ein Notfall. Abigail hat sich den Oberschenkel schlimm gebrochen. Victoria musste ihr bei der Heilung helfen, Luise sie festhalten und Selena sie beruhigen. Also blieb nur ich als Spender übrig. Hört sich schlimmer an als es war." Mit den Gedanken bin ich schon wieder bei meinem Essen, als Shawn sich nun ebenfalls einmischt.

"Und wie fühlt sich das so an?" Seine Neugier ist mit Händen zu greifen und ich sehe mit einem Mal die Chance Abigail und ihn einander näher zu bringen. "Das lässt sich schwer beschreiben." Ich tue so, als müsste ich nachdenken, zucke dann aber nur mit den Schultern und schüttele den Kopf. "Das musst du schon selbst ausprobieren. Natürlich nur, wenn du keine Angst davor hast." Mit Absicht rede ich gelassen, um ihn nicht misstrauisch werden zu lassen und wende mich wieder meinem Essen zu. Abigails tritt gegen mein Schienbein ignoriere ich einfach, als wäre nichts gewesen. Sie hat mein Vorhaben durchschaut.

Aber überraschender Weise bekomme ich zusätzliche Unterstützung. "Komm schon, Shawn, das kannst du nicht auf dir sitzen lassen.", meldet sich Dean zu Wort und bekommt offensichtlich einen weit stärkeren Tritt ab, da sein Gesicht mit einem Mal rot anläuft. "Oder traust du dich etwa nicht, Abby.", zieht nun auch Victoria ihre Freundin auf. Abigail weiß genau was wir vorhaben. Aber wenn sie die Chance jetzt nicht nutzt, dann weiß ich auch nicht was wir noch machen sollen. Und als ihre grauen Augen meinen grau-grünen Blick treffen, gibt sie schließlich nach.

"Ich habe keine Angst.", zischt sie uns arrogant an, beißt sich aber trotzdem nervös auf die Unterlippe. Aber sie macht keinen Rückzieher. Hoch erhobenen Hauptes geht sie auf Shawn zu, welcher unschlüssig seinen Stuhl zurück geschoben hat, und setzt sich einfach breitbeinig auf ihn. Das sie nur einen kurzen Rock trägt scheint dabei keine Rolle zu spielen.

Kurz höre ich noch gemurmelte Worte, die ich leider nicht verstehen kann, doch Luises verschmitztem Grinsen zur Folge scheinen sie über etwas Gutes zu sprechen. Vielleicht hat die Vampirin einfach noch mal nach Erlaubnis gefragt. Eine weitere Regel an der Schule. Keine Blutentnahme ohne das Wissen oder dem Einverständnis des Spenders.

Dann sehe ich, wie Abigail in Shawns Haar greift und seinen Kopf ein wenig neigt, um richtig an seinen Hals heran zu kommen. Kein Laut dringt über Shawns Lippen, doch als sich beide versteifen wird mir klar, dass Abigail ihn bereits gebissen hat. Keine drei Sekunden später springt der Wolf, die Arme fest um die Vampirin geschlungen, auf und ist gleich darauf mit ihr verschwunden. Na wenn die Reaktion mal keine Überraschung ist.

"Geht es bei einem Vampirbiss immer so heiß her?", will Ben belustigt wissen, während wir Mädchen den Beiden noch verwundert nachsehen. "Nein." Meiner Meinung nach reicht diese Aussage schon, doch ich sehe wie es in Luise rattert. "Eigentlich passiert das nur bei..." Da mein warnender Blick nicht ausreicht um sie zum Schweigen zu bringen, habe ich ihr einfach gegen das Bein getreten.

"Gefährten, oder?", fragt Dean noch einmal grinsend nach. Die Katze ist wohl aus dem Sack. "Macht euch keine Sorgen. Das beruht auf Gegenseitigkeit.", winkt Ben belustigt ab und wendet sich wieder seinem Essen zu. Deshalb hat er mich in dem Versuch unterstützt die Beiden zu verkuppeln. Er hat die Chance genauso gesehen, wie ich. Lachend widme ich mich wieder meinem Essen. Bis die beiden wieder kommen können Stunden vergehen. Ich habe mal von einem Paar gehört, welches mehrere Tage verschwunden gewesen ist. Dieser Gefährtenquatsch muss ganz schön hart sein. Ein Glück gibt es sowas bei Hexen nicht.

"Gibt es das eigentlich nur bei Werwölfen und Vampiren?", will ich neugierig wissen. Bei Hexen hatte ich davon noch nie gehört, auch wenn unsere Art durchaus langfristige Beziehungen eingeht. Nur halt ohne diesen Verbundenheitsschwachsinn. "Walküren haben das nicht, oder?", fragt auch Victoria mit einem Stirnrunzeln. "Bei Hexen gibt es das nicht?", meldet sich Riley nun zum ersten Mal irritiert zu Wort. Offenbar scheint er das für unmöglich zu halten.

"Nicht das ich wüsste.", murmel ich leise und muss unweigerlich wieder an meine Eltern denken. Sie sind zwar glücklich gewesen, aber soweit ich weiß ohne ein Band, wie es das bei Gefährten geben soll. "Deine sind doch sogar getrennt, oder Victoria?", reißt Selena mich mit ihrer leisen Stimme aus den Gedanken. Traurig sehen meine beste Freundin und ich uns an. Es ist eine schwere Zeit für sie gewesen. Bereits drei Jahre ist es nun schon her.

"Wir können ja nicht alle in einem solchen Familienverbund aufwachsen, wie es unter Werwölfen normal ist. Bei Hexen gibt es nun mal nicht immer ein Happy End.", gibt Victoria härter zurück, als es notwendig gewesen wäre. Doch ich kann sie verstehen. Der Schmerz sitzt noch knapp unter der Oberfläche.

"Kommt doch nachher beim Klippenspringen zuschauen. Heute ist gutes Wetter und die Wellen sind nicht ganz so heftig. Dann könnt ihr uns zujubeln.", bricht Dean wieder das Schweigen und versucht die Stimmung aufzulockern indem er mit seinen Oberarmmuskeln angibt. Vor lauter Lachen wäre ich beinahe vom Stuhl gefallen. Es sieht einfach so dumm aus! Auch die anderen schließen sich meinem Lachanfall an, nur die Jungs versuchen ernst zu bleiben und den schmollenden Dean zu trösten. Was mich noch mehr zum Lachen bringt.

"Wir kommen gerne vorbei.", bringt Victoria schließlich halbwegs ernst heraus und wir anderen nicken zustimmend. Es ist immer spannend dabei zuzusehen, wie sich die Mutigsten die Klippen runter stürzen. Eine an unserer Schule anerkannte Sportart. Zumindest für die Walküren, Vampire und Gestaltwandler. Ich habe noch von keiner Hexe gehört die so Lebensmüde ist und sich dort runter gestürzt hat.

Ein Hauch von Magie - SchicksalsschlagWhere stories live. Discover now