Kapitel 29

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Die nächsten Tage liefen weiter wie zuvor. Kleinere Diskussionen mit Riley. Etwas größere Auseinandersetzungen mit Cindy und ihren Walkürenfreundinnen. Und nervige Gespräche mit Luise, die noch immer nicht begreift, wo ihr Platz in der Gruppe ist. Es regt mich so dermaßen auf, dass ich kurz davor bin Luise einmal richtig in ihre Schranken zu verweisen.

Auch Rileys Unmut wird deutlich größer. Eigentlich warte ich nur darauf, dass Luise sich einen solch großen Fehltritt leistet, dass entweder der Werwolf oder ich endgültig ausrasten. Und als wir nach dem Nachmittagsunterricht alle gemeinsam draußen vor dem Internat stehen und ein bisschen frische Luft schnappen, strapaziert Luise erneut meine Nerven gewaltig.

Zähneknirschend stehe ich neben der Werwölfin und höre mir an, wie langweilig die Kämpfe mit Selena sind und das sie dabei ja auch überhaupt nichts lernt. Und dabei nimmt Luise überhaupt keine Rücksicht auf unsere Freundin, die sichtlich betrübt und deprimiert aussieht.

"Okay, das reicht jetzt!", blaffe ich sie an und werfe meine Schultasche auf den Boden. "Du glaubst, dass du einen stärkeren Gegner brauchst? Gut! Lass mich dir zeigen, wie falsch du damit liegst!" Ohne auf die anderen zu warten entferne ich mich von den anderen, um ein wenig mehr Platz zu haben.

Doch Luise bleibt zögerlich bei den anderen stehen. Sie scheint sich nicht sicher zu sein, ob das wirklich eine gute Idee ist. "Jetzt hast du dir die Suppe eingeborgt, dann musst du sie jetzt auch auslöffeln.", kann ich Riley sagen hören. Die Kälte in seiner Stimme und seinem Blick lassen sogar mich kurz erschaudern, auch wenn ich nicht das Ziel seiner Worte bin. Selbst von hier aus kann ich erkennen, dass Luise deutlich blass geworden ist.

Letztendlich legt Luise ihre Sachen ebenfalls ab und kommt näher auf mich zu. "Was erwartest du jetzt von mir?", will sie hochmütig wissen und versucht so ihre Unsicherheit zu verbergen. Doch ich kann sie in ihrem Blick sehen. "Das du mich angreifst und mir beweist, dass du mir etwas entgegen setzen kannst.", gebe ich emotionslos zurück und sehe in ihre türkisfarbenen Augen. "Gut! Ich werde es dir beweisen!"

Keinen Augenblick später kommt sie auf mich zugestürmt. Allerdings denke ich nicht daran überhaupt einen Schritt zu machen. Wenn ich das wöllte würde Luise keinen einzigen Muskel bewegen können. Doch das wäre zu einfach. Es würde sie nicht in ihre Schranken zu verweisen. Sie würde nicht begreifen, wie sehr sich selbst überschätzt. Die Lektion muss, zu meinem Leidwesen, etwas schmerzhafter und somit einprägsamer werden.

Daher werfe ich Luise zu Beginn erstmal zurück. Immer wieder lasse ich sie gegen eine unsichtbare Mauer laufen, bis ich mich selbst schließlich mit einem Tarnzauber belege. Nun kann Luise mich nicht mehr sehen, sondern nur noch ihre anderen Sinne benutzen, um mich zu finden. Mal sehen, ob Luise mit ihrem Bruder mithalten kann. Riley kann mich nämlich immer und jederzeit im Auge behalten, auch wenn er mich nicht sieht.

Als ich auf einmal verschwunden scheine, bleibt Luise wie angewurzelt stehen. Sie sieht deutlich verwirrt aus. Ohne zu zögern bewege ich mich auf sie zu und verpasse ihr schließlich einen Tritt gegen das Knie, welcher Luise zu Boden gehen lässt. Noch immer Unsichtbar laufe ich um die Werwölfin herum. "Du hast mir nichts entgegen zu setzen.", flüstere ich ihr zu und kann ihr ohne Probleme ausweichen, als sie nach mir schlägt.

Wütend steht die Wölfin wieder auf und dreht sich suchend im Kreis. Von rechts lasse ich einen Stein auf sie zufliegen, dem Luise jedoch ausweichen kann. Ihm folgen weitere Steine, die ich aus etwas weiterer Entfernung auf sie lenke. Zudem lasse ich nun Wasserkugeln auf sie nieder prasseln, um ihre Sicht zu verschlechtern. Mehrere Steine treffen Luise nun, bis sie sich nicht mehr auf den Beinen halten kann. Diverse Schrammen und Kratzer sind an Armen und im Gesicht zu sehen, deshalb höre ich auf und mache mich wieder genau an der Stelle sichtbar, an welcher ich vorhin verschwunden bin.

"Gibst du auf?", will ich betont gelangweilt wissen, doch Luise schüttelt stur den Kopf. Ihre Augen mustern mich genau, doch ich habe keinen einzigen Kratzer und bin nicht mal außer Atem. "Nein!", knurrt Luise nun wütend und verwandelt sich im nächsten Moment in einen Wolf. Ihre Klamotten fliegen in Fetzen davon, doch darauf achte ich jetzt nicht weiter. Offenbar hat Luise die Wut übermannt und nun will sie mich unter allen Umständen klein kriegen.

"Dann halt die schweren Geschütze. Tut mir Leid, aber das wird jetzt wirklich weh tun.", murmel ich eher zu mir selbst als zu Luise und beobachte jede Bewegung ganz genau. Als der Wolf vom Boden abspringt nutze ich meine Schwebemagie, um seine Flugbahn zu verändern und ihn über mich hinweg zu schleudern. Dort überschlägt Luise sich ein paar Mal, steht aber nach kurzem Zögern wieder auf.

Als sie erneut auf mich zuspringt wiederholen wir die ganze Prozedur noch einmal. Und da Luise besonders stur ist, spielen wir dieses Spiel noch ein paar Mal weiter, bis der Wolf irgendwann aufheult und liegen bleibt. Wie es aussieht hat sie sich an einer Pfote verletzt. Ob ihr Bein gebrochen oder nur geprellt ist, kann ich von hier aus nicht erkennen. Das ist mir aber momentan auch egal. Sie hat es sich selbst zuzuschreiben.

Kurz bleibe ich noch misstrauisch an Ort und Stelle stehen, dann wende ich mich ab und gehe zu den anderen zurück. Unsere wenigen Zuschauer, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen konnten, zerstreuen sich wieder. Und bei kaum jemandem ist Mitleid zu sehen. Kämpfe aufgrund der Hierarchie sind keine Seltenheit.

"Nein.", knurrt Riley Ben an, der Luise zu Hilfe eilen will, während Dean Selena und Victoria zurück hält. "Sie wollte es so. Da muss sie jetzt durch. Bei Rangstreitigkeiten darf niemand eingreifen." Ohne Mitleid zu zeigen sehen Riley und ich zu Luise, welche jetzt leise winselnd auf dem Boden liegt.

"Du bist noch ziemlich nett gewesen.", kommt es irgendwann tonlos von Dean, welcher mich nun intensiv mustert. "Ich weiß.", seufze ich und fahre mir automatisch durch meine kurzen Haare. Victoria muss sie mir mal wieder abschneiden. Es gefällt mir so, wie es nach dem Unfall war, besser. Das ist mein neues Ich! "Ich wollte ihr die Chance geben zur Besinnung zu kommen. Es hätte nicht so enden müssen. Aber ich wollte ihr auch keinen bleibenden Schaden zufügen."

"Du hättest ihr bleibenden Schaden zufügen können?", haucht Selena entsetzt und starrt mich mit großen Augen an. Werwölfe können schnell heilen, aber auch nicht alles. "Ich hätte sie auch einfach in Brand stecken können. Aber ich habe nicht eine Flamme benutzt. Und das werde ich auch gegen niemanden anwenden, wenn es nicht gerade um Leben und Tod geht."

"Außer wenn es Cindy mal übertreibt und du ihr ihre hässlichen blonden Haare abfackelst.", grinst Abigail breit und lockert damit die Stimmung merklich auf. Lachend stimme ich zu. Gemeinsam gehen wir zu den Gemeinschaftsräumen. Luise muss erstmal alleine zu Recht und zur Besinnung kommen. Und wir haben besseres zu tun als uns mit einer Wölfin rum zu ärgern, die absolut nicht einsehen will, dass ihr Platz in der Nahrungskette eher am unteren Ende ist.

Ein Hauch von Magie - SchicksalsschlagDonde viven las historias. Descúbrelo ahora