Kapitel 27

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Als ich am nächsten Morgen aufwache fühle ich mich immer noch nicht richtig fit. Der gestrige Tag fordert noch immer seinen Tribut. Aber wenigstens habe ich meine Fähigkeiten ausgelotet und weiß jetzt, wo meine Grenzen liegen. Trotzdem habe ich nicht vor diese Erfahrung in nächster Zeit zu wiederholen. Dafür fühle ich jetzt viel zu müde und ausgelaugt.

Schnell machen Selena und ich uns fertig, um vor unserer ersten Stunde noch genügend Zeit zum Frühstücken zu haben. Doch wir betreten gerade den Speisesaal, da fällt uns eine Menge aus Walküren auf, die im Kreis um zwei Personen steht. Und wie sollte es anders sein, ist Cindy in der Mitte.

"Du bist eine Schande für jede Walküre. Wo hast du bitte die Klamotten her? Du siehst aus wie ein Vampir.", höre ich die Oberzicke schreien und sehe, wie sie einem am Boden liegenden Mädchen in den Bauch tritt. Von Weitem sieht sie wirklich wie ein Vampir aus. Zumindest hat sie einen ähnlichen Kleidungsstil wie Abigail. Also, eine nicht nuttig angezogene Walküre. Kommt auch selten vor.

Kurz werfe ich Selena einen Blick zu, welche zustimmend nickt, dann gehen wir im Gleichschritt auf die Gruppe zu. "Ach Cindy, ich glaube, du hast unser letztes Gespräch schon wieder vergessen. Schikanierst du schon wieder Schwächere?", melde ich mich zu Wort und schiebe die Walküren, die mir im Weg rum stehen, einfach mit meiner Magie beiseite.

Selbst von hinten kann ich sehen, wie Cindy blass wird und sich dann zu uns umwendet. "Das hier geht dich überhaupt nichts an! Das ist eine Angelegenheit unter Walküren.", gibt Cindy zickig zurück und wirft mir giftige Blicke zu. Worüber ich jedoch nur lachen kann. Selbst jetzt, wo ich nicht über meine volle Stärke verfüge, kann ich es locker mit ihr aufnehmen.

"Da irrst du dich! Das Mädchen gehört ab sofort zu uns.", gebe ich gelassen zurück. Nur ein Blick auf die Blondine mit den schönen hellbraunen Augen hat gereicht, um diese Entscheidung zu treffen. Ich habe ein gutes Gefühl bei ihr. Sie wird hervorragend zu uns passen!

Selena werfe ich einen kurzen Blick zu, welche sofort versteht und dem Mädchen hilft aufzustehen. Keine der anderen Walküren hindert uns daran ihr Artgenossin mitzunehmen. Bei Einigen sehe ich sogar so etwas wie Erleichterung. Keine von ihnen ist in der Position die Rangfolge zu durchbrechen und sich gegen Cindy aufzulehnen. Nur mein Hexen-Zirkel, das Rudel oder der Clan der Vampire dürfte das. Und die anderen Beiden würden sich in sowas nie einmischen. Abgesehen davon, dass Riley mit seinem Rudel noch nicht hier aufgetaucht ist.

"Seit wann nehmt ihr denn Walküren in eurer kleinen Gemeinschaft auf?", gibt Cindy giftig zurück. Ein erbärmlicher Versuch uns aufzuhalten. "Wir sind drei Hexen, ein Werwolf und ein Vampir. Was lässt dich glauben, dass wir irgendjemandem gegenüber nicht aufgeschlossen sind?", will ich mit erhobener Augenbraue wissen und sehe Cindy finster in die Augen. Selena bringt das Mädchen inzwischen zu unserem Tisch, während ich diese Angelegenheit noch regel.

"Ähm... Bisher scheint ihr kein Interesse an Walküren gehabt zu haben.", stottert eins der Mädchen zögerlich, da Cindy scheinbar nichts dazu einfällt. "Wir nehmen Leute auf, die zu uns passen.", gebe ich kalt zurück. Ich bin niemanden, abgesehen von meinem Zirkel, Rechenschaft schuldig.

"Und nur damit das allen klar ist. Dieses Mädchen gehört ab heute zu uns. Legt euch mit ihr an, dann legt ihr euch auch mit uns an. Das ist meine einzige Warnung!", drohe ich und sehe jedem noch einmal in die Augen, bevor ich mich umdrehe um endlich frühstücken zu gehen. Ich brauche jetzt wirklich dringend meinen Kaffee!

Als ich mich mit meinem Kaffee und einer Schale Müsli auf meinen Platz fallen lasse, schaut mich die Walküre ängstlich an. "Wir tun dir nichts.", gebe ich genervt von mir und trinke von meinem Kaffee. Selena sitzt neben dem Mädchen und versucht sie zu beruhigen. Etwas, dass sie besser kann als ich. Einfühlungsvermögen ist nicht gerade meine Stärke.

"Ich bin Destiny.", gibt die Walküre schließlich, nach einigem guten Zureden von Selena, von sich. Sofort heben sich meine Mundwinkel. "Dann herzlich willkommen im Hexen-Zirkel." Ich habe gerade meinen ersten Kaffee ausgetrunken, da kommen auch Abigail, Victoria und Luise zu uns. Kommentarlos stellt meine beste Freundin einen weiteren Kaffee vor mich. Sie kennt mich einfach zu gut.

Wir haben heute Mathe, Physik und Chemie. Da brauche ich jede Aufmunterung, die ich bekommen kann. Alle drei Fächer sind nicht unbedingt das, was ich zukünftig in meinem Leben haben will. Trotzdem muss ich da durch. Wie wir alle.

"Leute, dass ist Destiny. Sie gehört ab heute zu uns.", gebe ich auf die fragenden Blicke der drei Neuankömmlinge bekannt. Kurz sehen die Drei sich irritiert an, dann zucken sie mit den Schultern und akzeptieren meine Entscheidung. Besser so. Ich habe heute keine Lust mehr auf weitere Diskussionen. "Freut mich, Destiny. Selena und Elisabeth kennst du ja offenbar schon. Ich bin Luise und das sind Abigail und Victoria. Willkommen im Hexen-Zirkel.", grinst die Werwölfin breit und Destiny scheint sich sofort zu entspannen. Die Sympathie der Werwölfin kennt offenbar keine Grenzen. Sogar Walküren haben ihrem Charme nichts entgegen zu setzen.

"Wollt ihr mich wirklich mit hier haben? Ich danke euch wirklich für eure Hilfe, aber ich würde es verstehen, wenn ihr mich nicht hier haben wollt.", gibt Destiny schließlich leise von sich. Bevor ich jedoch etwas sagen kann, meldet sich Victoria zu Wort. "Ach quatsch! Wir laden niemanden ein, den wir nicht haben wollen. Und wenn Beth sich einmal entschieden hat, dann bleibt sie auch dabei." "Ob du willst oder nicht.", fügt Abigail lachend hinzu und zwinkert mir zu.

"Gib's zu, du bist froh, dass ich dich genötigt habe bei uns mitzumachen.", gebe ich lachend von mir und bewerfe die Vampirin mit einem Stück meines Müslis. Doch bevor Abigail antworten kann, nimmt Shane ihr die Antwort ab. "Klar ist sie das. Sonst hätten wir uns wahrscheinlich nicht gefunden.", meint er, hebt sie hoch und setzt sich mit ihr auf dem Schoß wieder hin. Auch die anderen aus dem Rudel setzen sich zu uns und mustern Destiny erstmal genau.

"Hast du ein neues Mitglied angeworben?", will Riley, der sich neben mir nieder gelassen hat, belustigt wissen. "Jup. Ich dachte uns fehlt noch eine weitere Perspektive." gebe ich mit einem Zwinkern zurück und bin innerlich froh, dass der Werwolf nicht mehr wütend auf mich ist.

"Dann können wir ja jetzt mal unsere Neugier stillen. Haben Walküren Gefährten wie Werwölfe und Vampire?", platzt es aus Luise heraus, die mal wieder ihre Feinfühligkeit im Zimmer vergessen hat. Trotzdem wandern alle Augen zu Destiny, die unter unseren Blicken sichtbar rot wird.

"Hm... also... nein?", stottert sie herum und wird augenblicklich noch röter. Fragend sehen wir sie alle an, bis Destiny schließlich unter der enormen Aufmerksamkeit nachgibt und endlich den Mund aufmacht. "Wir haben nicht in diesem Sinne Gefährten wie Werwölfe und Vampire das haben. Wir wählen sie uns selbst.", gibt sie schließlich von sich und rutscht dabei unruhig auf ihrem Stuhl hin und her.

"Hä?" "Wie bitte?" "Ihr könnt euch das selbst aussuchen?" Diese und noch mehr Sätze fliegen durcheinander, bis Riley schließlich auf den Tisch haut und so für Ruhe sorgt. "Erklär bitte weiter.", bitte ich Destiny liebenswürdig und werfe allen anderen böse Blicke zu. Die benehmen sich wie im Kindergarten! Einfach durcheinander rufen und hoffen, dass man das bekommt, was man will.

"Naja, es gibt eine Zeremonie, in welcher eine Walküre an ihren Partner gebunden wird. Wie eine Hochzeit, nur halt endgültiger.", murmelt Destiny leise, doch wir haben sie trotzdem verstehen können. "Kommt das häufig vor?", will ich interessiert wissen und esse den letzten Rest Müsli.

"Nun ja, schon. Zu ihrem Abschluss muss jede Walküre einen Partner erwählen. Die meisten tun sich mit Werwölfen oder Hexen zusammen. Mit Werwölfen, die sie als ihre Gefährten erkannt haben oder Hexen, die ja sowieso keine wirklichen Gefährten haben." Keiner von uns sagt, dass Walküren für Vampire wahrscheinlich nicht spannend genug sind. Dazu sind sie viel zu oberflächlich und teilweise auch ziemlich dumm.

"Lasst uns zum Unterricht gehen. Davordrücken können wir uns sowieso nicht.", seufzt Victoria schließlich undsteht auf. Wir folgen ihr mit einer abwertenden Grimasse. Unterricht wird sowasvon überbewertet! Warum sind Ferien immer so schnell vorbei? 

Ein Hauch von Magie - SchicksalsschlagWhere stories live. Discover now