Kapitel 26

5.1K 258 2
                                    

Heute ist der letzte Ferientag und ich sitze bereits in der Küche beim Frühstück, als nach und nach die Anderen eintreffen. Gestern haben wir es auf unserer kleinen privaten Abschlussparty noch ziemlich übertrieben, weshalb keiner wirklich auf der Höhe ist. Leider kann selbst meine Magie nichts gegen die Auswirkungen eines Katers ausrichten. Nur äußerliche Verletzungen, wie Prellungen und Verstauchungen oder Knochenbrüche sind heilbar. Sogar bei Viren und Bakterien gibt meine Magie schon auf.

Still hängt jeder seinen eigenen Gedanken nach, während wir unser Frühstück genießen. Plötzlich sieht Luise jedoch auf die Küchenuhr und springt hektisch auf. Was hat sie denn für ein Problem? Ist doch erst Mittag! Auch die Jungs verfallen in Hektik.

"Was macht ihr da?", will ich schließlich verwirrt wissen und trinke weiter von meinem Kaffee. "Wir müssten schon längst unterwegs sein.", teilt Ben mir mit und wirft seinen gepackten Rucksack in den Flur. "Wieso?" "Weil wir nicht fliegen können und deshalb das Dreifache der Zeit brauchen!", knurrt Luise mich an, doch ich grinse sie nur schadenfroh an. Sie ist nur neidisch!

"Wie lange braucht ihr denn auf dem Landweg?", will ich interessiert wissen und lasse mich von dem hektischen Treiben nicht beunruhigen. "Um die fünfzehn Stunden.", murrt Dean und schnallt sich seinen Rucksack um. "Das ist echt lange.", murmel ich und sehe die vier nachdenklich an.

Ob ich es wohl schaffe uns alle auf einmal zum Internat zu transportieren? Ich frage mich, wie stark ich inzwischen bin. Eine einfache Flugstrecke von hier bis zur Schule ist schon lange kein Problem mehr. Und inzwischen bin ich viel Stärker! Als ich her kam, habe ich beinahe keine Erschöpfung gespürt.

"Und wenn ich euch mitnehmen könnte?", rutscht es mir heraus, bevor ich richtig abgewogen habe, ob ich mir das überhaupt zutraue. Überrascht sehen mich alle an, doch ich erwidere nur Rileys Blick. Am Ende wird sowieso er entscheiden, ob sie laufen oder fliegen.

"Traust du dir das wirklich zu?", will Riley skeptisch wissen. Eine berechtigte Frage. Meinen Kater hab ich noch nicht ganz überwunden und mich plus vier Anfänger den ganzen Weg bis zum Internat zu fliegen wäre auch so schon hart an der Grenze. Aber ich bin inzwischen stärker geworden. Warum also nicht testen, wo meine Grenzen wirklich liegen?

"Ich versuche uns nicht ins Meer stürzen zu lassen.", lache ich auf, auch wenn in meinen Worten mehr Wahrheit enthalten ist, als die anderen wahrscheinlich heraus hören. "Cool. Ich bin schon ewig nicht mehr mit euch geflogen.", freut sich Luise und unterschätzt das Risiko komplett. Schließlich ist das hier nicht nur ein kleiner Ausflug mit dem Besen. Doch ich dränge meine zweifelnden Gedanken beiseite.

"Wenn ihr mir noch schnell mit dem Aufräumen helft, dann können wir gleich los.", biete ich an und räume die Teller zur Spüle. "Lass uns das machen. Du ruhst dich für den Flug aus.", grummelt Riley und schiebt mich beiseite. Das Ganze scheint ihm nicht so ganz geheuer zu sein. Zu Recht! Auch wenn ich das niemals zugeben würde. Denn ich werde das einmal gestellte Angebot nicht mehr zurück ziehen.

Schneller als gedacht sind die vier Werwölfe fertig und das Haus sauber und aufgeräumt. Mit unseren Rucksäcken und drei Besen bewaffnet stehen wir nun vor dem Haus. "Du musst die Rucksäcke nehmen, Dean, da du neben Riley der Schwerste bist.", ordne ich an und überschlage im Kopf das Gewicht aller Anwesenden.

"Riley, du kommst mit zu mir und ihr Beiden müsst zusammen auf einen Besen.", weiße ich an und deute am Schluss auf Ben und Luise. Alle nicken zustimmend und machen sich bereit. Noch einmal atme ich tief durch und sammle all meine Magie, dann schwinge ich mich auf meinen Besen.

Der Flug verläuft überraschend gut. Kurz nach dem Start hatte ich einige Bedenken, da Dean sich überhaupt nicht wohl zu fühlen schien, doch inzwischen hat er den Bogen raus. Luise kannte das Ganze ja schon und Ben hat sich einfach an ihr festgekrallt. Doch auch er ist inzwischen lockerer geworden.

Doch den Weg mit drei Besen zu bestreiten ist sogar noch kräftezehrender als ich befürchtet hatte. Eine halbe Stunde vor der Ankunft beim Internat spüre ich eine bleierne Müdigkeit. Und nur Rileys starke Präsens hinter mir lässt mich meine Augen weiter offen halten. Als würde ein Teil seiner Energie auf mich über gehen. Und auch wenn es nur Einbildung ist hilft es mir, die restlichen Minuten durchzuhalten.

Als das Internat endlich in Sichtweite kommt, kann ich einen erleichterten Seufzer nicht unterdrücken. Mit einer Hand greife ich nach meinem Handy, welches hinten in meiner Hosentasche steckt, und rufe Victoria an. Zum Glück geht sie gleich ran. "Schnapp dir Selena. Ihr zwei müsst uns beim landen helfen.", brumme ich ins Telefon, lege aber auf, bevor Victoria etwas sagen kann. Noch einmal kratze ich den letzten Rest Magie zusammen über den ich verfüge und beschleunige unseren Flug noch einmal.

Innerhalb weniger Minuten sind wir da und zum Glück stehen Victoria und Selena schon bereit. Auch Shane und Abigail sind da, doch darauf kann ich jetzt nicht achten. Erstmal landen, dann Freunde begrüßen.

Selena fängt Dean ab und lässt ihn sanft zu Boden gleiten, während Victoria Ben und Luise sicher landen lässt. Ich schaffe es gerade noch so mich und Riley sanft zu landen, denn kaum haben meine Füße den Boden berührt, gibt mein Körper auf. Meine Knie geben nach und meine Sicht ist durch mehrere schwarze Flecken eingeschränkt. Zudem spüre ich, dass meine Nase begonnen hat zu bluten und vor mich auf den Boden tropft. Keuchend versuche ich meinen Körper unter Kontrolle zu bekommen, doch selbst die Geräusche um mich herum werden immer leiser.

Ich weiß, dass sich hier gerade mein Bewusstsein verabschiedet, doch ich versuche dagegen anzukämpfen. Vor dem Internat bewusstlos zu werden ist nicht akzeptabel! Doch die Angst, dass ich es nicht selbstständig in mein Zimmer schaffen werde, wird mir abgenommen, als ich hochgehoben und an eine breite männliche Brust gedrückt werde.

"Du verrückte, sture Hexe bist doch völlig übergeschnappt!", höre ich Riley grollen und bin über die immense Wut in seinen Augen überrascht. Ich habe nicht gewusst, dass der Werwolf sich so um mich sorgen kann, dass seine türkisfarbenen Augen beinahe Funken sprühen.

"Lass mich mal ran.", höre ich Victorias gedämpfte Stimme und spüre im nächsten Moment ihre heilende Magie. Die schwarzen Flecken verschwinden, meine Nase hört auf mit bluten und ich kann endlich wieder richtig hören.

"Danke.", murmel ich Victoria zu und deute Riley dann an mich abzusetzen. Es ist echt peinlich von ihm getragen zu werden. Schon wieder! Verärgert brummend lässt er mich los, weicht mir jedoch nicht von der Seite und trägt sogar meinen Rucksack. Verstehe einer diesen Werwolf! Auch die anderen begleiten mich bis zu meinem Zimmer, warten aber draußen, als Riley ihnen ein Zeichen gibt. Genervt lasse ich mich auf mein Bett fallen und warte darauf, was der Wolf von mir will.

"Du machst eine solch leichtsinnige Aktion nie wieder, hast du mich verstanden? Sag mal willst du dich umbringen?", brüllt Riley mich direkt an, was mich jedoch nicht interessiert. Er hat mir gar nichts zu sagen. Fragend ziehe ich eine Augenbraue nach oben. "Bist du meine Mutter? Nein. Du hast mir gar nichts zu sagen." Auch wenn er natürlich recht hat. Die Aktion hat nicht nur mich, sondern auch die Anderen in Gefahr gebracht. Doch das werde ich dem Idioten doch nicht auf die Nase binden.

Stocksauer kommt Riley näher und hockt sich vor mich an den Bettrand. "Elli. Ich bitte dich! Setze nie wieder dein Leben aufs Spiel. Für meinen Seelenfrieden und den der Anderen." Auch wenn er recht hat kann ich nicht anders, als den Kopf zu schütteln. "Das kann ich nicht versprechen.", gebe ich leise von mir und weiß selbst nicht, warum mich diese Aussage so deprimiert.

Ein grauenhaftes Grollen kommt von Riley, bei dem sogar mir ein wenig angst und bange wird. "Aber ich kann dir Versprechen, dass ich nicht mehr so viel Magie verwende, es seid denn ein Leben ist in Gefahr.", lenke ich schließlich seufzend ein. Mehr kann ich nicht nachgeben. Und blöder Weise verstehe ich selbst nicht, warum ich diesen Kompromiss überhaupt eingehe.

Wieder gibt Riley ein Grollen von sich, auch wenn es jetzt nicht ganz so verärgert klingt wie gerade eben noch. "Was hab ich auch anderes von dir erwartet? Andererseits wäre ich kein Stück besser.", grummelt Riley vor sich hin und fährt sich einmal durch die Haare, welche jetzt noch mehr abstehen als zuvor. Dann nickt der Wolf mir kurz zu und verlässt anschließend das Zimmer. Er scheint meine Entscheidung zu akzeptieren. Auch wenn ihm nichts andere übrig bleibt, gefällt es mir seine Zustimmung zu haben. Allerdings werde ich nicht genauer darüber nachdenken, warum das so ist.

Dann betreten meine Freundinnen das Zimmer, verschonen mich jedoch glücklicherweise mit weiteren Predigten, weshalb ich mir Ruhe gönnen und schlafen kann. Das war einer der anstrengendsten Flüge, die ich jemals hatte.

Ein Hauch von Magie - SchicksalsschlagWhere stories live. Discover now