Kapitel 15

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P.O.V. Riley

Kurz vor Sonnenuntergang schleiche ich mich davon. Wenn ich jetzt jemanden treffen würde müsste ich mir noch eine Ausrede einfallen lassen. Und besonders im Hinblick darauf, dass ich einen Rucksack mit Essen dabei habe, fällt mir spontan nichts Vernünftiges ein.

Leise schleiche ich mich aus dem Internat, darauf bedacht das mich weder mein Rudel noch der Hexen-Zirkel sieht. Draußen verschwinde ich gleich im Wald, um mich hier auszuziehen, die Sachen in den Rucksack zu stopfen und mich dann zu verwandeln.

Den Rucksack zwischen den Zähnen laufe ich durch den Wald, auf der Suche nach Elisabeth. Wenn mich die kleine Hexe nicht nach der gestrigen Aktion versetzt. Oder bereits ins Bett gegangen ist. Heute Mittag sah sie echt müde aus! Doch dann nehme ich schon ihren Geruch wahr. Keine zwanzig Meter entfernt. Sie ist tatsächlich gekommen! Ich habe schon fast nicht damit gerechnet. Als ich aus dem Gestrüpp trete bricht diese nervige Hexe jedoch erstmal in schallendes Gelächter aus, statt sich vor mir zu fürchten oder zumindest beeindruckt zu sein.

Nachdem sie den Rucksack aufgesetzt hat murmelt sie noch etwas Unverständliches und setzt sich dann tatsächlich auf meinen Rücken. "Wehe du bringst uns um, Wolf.", höre ich sie leise sagen, dann graben sich ihre Hände in mein Fell. Könnte ich lachen, dann würde ich es tun. Doch so begnüge ich mich damit langsam loszutraben.

Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase für Elisabeth, ihr Gewicht spüre ich kaum auf meinem Rücken, werde ich schließlich schneller. Es veranlasst sie dazu sich näher an mich zu pressen, doch sonst ist kein Laut zu hören. Lediglich ihr Atem und ihr schneller Herzschlag verraten sie.

Immer schneller hetzen wir durch den Wald, knapp an Bäumen vorbei und über Büsche hinweg. Als ich ein leises Lachen höre, lege ich nochmal einen Zahn zu. Bei dem Flug, den wir letztens durch den Wald unternommen haben, hätte es mich auch sehr gewundert, wenn es ihr jetzt nicht gefallen hätte.

Als wir schließlich auf einer Lichtung ankommen, bremse ich schließlich abrupt ab, damit Elisabeth über meinen Kopf hinweg fliegt und in dem See direkt vor mir landet. In weiser Voraussicht habe ich den wasserfesten Rucksack genommen, sonst wären jetzt sowohl das Essen als auch meine Klamotten nass.

Pustend taucht die Hexe wieder auf, das kurze Haar klebt ihr am Kopf und ihre Augen sprühen beinahe Funken. Ein amüsiertes Knurren kann ich nicht zurück halten, während Elisabeth sich wieder aus dem Teich kämpft. Ihr wütender Blick trifft auf meinen und letztendlich wechselt ihre Miene zu Verschlagenheit.

Im nächsten Moment kann ich mich nicht mehr bewegen, dann spüre ich keinen Boden mehr unter den Füßen. Bewegungslos muss ich dabei zusehen, wie die Hexe ihre Magie einsetzt und mich direkt über die Mitte des Sees navigiert. Dann grinst sie mich noch einmal schadenfroh an und lässt mich schließlich fallen.

Als ich in meiner menschlichen Gestalt wieder auftauche höre ich Elisabeth immer noch lachen. Inzwischen hat sie sich an den Rand gesetzt und nur noch ihre Füße hängen im Wasser. "Du willst dich also mit mir anlegen?", drohe ich ihr gespielt, was Elisabeth natürlich sofort auffällt. Nachdem wir uns diese letzten vier Jahre sozusagen bekriegt haben, kennen wir die unterschiedlichen Nuancen von Ärger nur zu gut. "Du hast doch angefangen!", gibt sie gelassen zurück und streckt mir die Zunge raus.

"Wenn du nicht nett zu mir bist, dann bekommst du nichts zu essen!", drohe ich ihr lachend und kämpfe mich langsam aus dem See. Durch den matschigen Boden ist das gar nicht so einfach! Als ich es schließlich heraus geschafft habe wirft mir Elisabeth bereits meine Klamotten zu. Mit dem T-Shirt trockne ich mir notdürftig ab und hänge es dann zum Trocknen in einen Baum. Dann schlüpfe ich schnell in meine Boxershorts samt Hose. Die kleine verfressene Hexe hat nämlich inzwischen den Rucksack geleert und das Essen gefunden. Wenn ich mich nicht beeile bekomme ich davon nichts mehr ab!

Nachdem wir alles vertilgt haben, was ich dabei hatte, haben wir uns dazu entschlossen ein kleines Feuer zu machen. Eine Hexe mit Feuermagie zu kennen ist wirklich sehr praktisch. Doch ist sehe, wie sehr sie die Anwendung der Magie mitnimmt. Offenbar ist es heute ein wenig zu viel gewesen. Erst die Sache mit Cindy, dann ihr langer Flug und jetzt auch noch das Feuer. Und schließlich verfügt sie noch nicht lange über diese Macht. Sie mutet sich einfach viel zu viel zu und beachtet ihre Grenzen nicht! An ihr ist wirklich ein Alphatier verloren gegangen.

"Über was denkst du nach?", reißt sie mich aus meinen Gedanken. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich die ganze Zeit ins Feuer gestarrt habe. "Das willst du nicht hören. Ich wöllte es auch nicht hören.", gebe ich leise zurück. Es ist so schön hier und ich will die Stimmung nicht kaputt machen, nur weil ich an ihr Kritik übe. "Jetzt sag schon.", gibt sie gereizt von sich und verdreht dabei die Augen. "Aber auf deine Verantwortung. Reiß mir danach nicht den Kopf ab. Du wolltest es hören."

Nach einem auffordernden Nicken ihrerseits rücke ich schließlich mit der Sprache raus, sehe dabei aber ins Feuer. "Du mutest dir zu viel zu. Ich kann sehen wie müde du nach der Anwendung von Magie bist." Als es nach dieser Aussage still bleibt riskiere ich schließlich einen Blick. Entgegen meiner Erwartungen mustert sie mich nicht wütend, sondern eher nachdenklich. "Du hast recht. Die Anwendung so hoher Magie ist noch immer sehr anstrengend. Aber so ist es am Anfang immer. Nur wenn man dran bleibt und immer weiter macht hat man schließlich genügend Übung, um nicht nach jeder Anwendung umzukippen."

Das überrascht mich. Hexen haben mich bisher noch nie sonderlich interessiert, weshalb ich davon auch nie etwas gehört habe. Ich habe mich immer gefragt, was die den ganzen Nachmittag machen, während wir im Unterricht jagen und kämpfen lernen. "Am Anfang, als meine Magie gerade anfing sich aufzubauen, da ging nach einer Stunde fliegen nichts mehr. Victoria musste mich auf mein Zimmer bringen, weil ich es einfach zu weit getrieben habe. Also dahingehend halte ich mich ja momentan ganz gut. Abgesehen von meinem unnormalen Schlafrhythmus und meinem Kaffeekonsum.", lacht die Hexe auf und zwinkert mir zu, was auch mich zum Lachen bringt. Sie ist wirklich eine Nummer für sich!

"Wir sollten langsam los. Sonst schläfst du hier ein und ich muss dich zu Fuß bis zur Schule tragen.", gebe ich schließlich das Startsignal und packe alles in den Rucksack, auch meine Kleidung. Ich will gerade das Feuer mit ein bisschen Seewasser löschen, da fällt schon eine Wasserkugel darauf. Diese Hexe bringt sich wegen zu starker Magieanwendung irgendwann mal ins Grab! Doch ich halte meinen Mund, verwandle mich in einen Wolf und lass Elisabeth wieder auf meinen Rücken steigen.

In mäßigem Tempo, da die kleine Hexe viel zu müde wirkt, geht es schließlich zurück zur Schule. Dort angekommen setzte ich sie wieder an ihrem Besen ab. Als sie schon einige Meter entfernt, auf dem Weg ins Internat ist, ziehe ich mir gerade erst die Hose an. Trotz unseres Waffenstillstandes kann ich mir eine kleine Neckerei nicht verkneifen. "Ich freu mich schon auf unseren nächsten Ritt, Hexe!" Doch entgegen meiner Erwartungen bleibt sie nur kurz stehen, wendet sich um und winkt mir zu. "Gute Nacht, Wolf."

"Gute Nacht, Elli." Kurz huscht Überraschung über ihr Gesicht, dann lächelt sie mich an und schwindet in der Schule. Dass ich ihr einen Spitznamen gegeben habe bemerke ich erst, als sie schon weg ist. Elli. Aber ich finde der passt auch viel besser zu ihr als Beth. Beth wirkt so gut und brav. Und das ist die kleine Hexe sicherlich nicht. Elli klingt eher vorlaut und frech. So wie die kleine Hexe halt ist.

Seufzend mache ich mich auch auf den Weg nach drinnen. Die Nacht ist schon angebrochen und die Jungs sind immer zeitig munter. Da muss ich schnell ins Bett, sonst knurre ich morgen alles und jeden an. Und wenn Elli dann auch so drauf ist schöpft vielleicht jemand verdacht. Darauf kann ich gut verzichten. Ich brauche niemanden, der sich in meine Angelegenheiten einmischt. Und Elli ist inzwischen zu meiner Angelegenheit geworden.

Ein Hauch von Magie - SchicksalsschlagWhere stories live. Discover now