Kapitel 24

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Am nächsten Morgen herrscht wortwörtlich Katerstimmung. Irgendwann gegen Mittag habe ich mich schließlich aus dem Bett gequält und als erstes die Kaffeemaschine angeworfen. Gefolgt von der Suche nach Kopfschmerztabletten. Nachdem ich diese gefunden habe, zwinge ich mir ein trockenes Toast runter und spüle dann mit der Tablette und einem Glas Wasser nach. Die Packung lasse ich in weiser Voraussicht liegen. Den anderen dürfte es nicht besser gehen. Dann widme ich mich meinem Kaffee.

Und ich hatte recht. Keine halbe Stunde später taucht ein völlig zerstört aussehender Ben auf. Seine Haare stehen in alle Himmelsrichtungen ab und an seinen zusammengekniffenen Augen erkenne ich, dass auch er einen Kater hat. Stillschweigend setzt er sich zu mir, woraufhin ich ihm die Packung mit den Kopfschmerztablette zuschiebe.

Dankbar nickt er mir zu, isst schnell ein Toast und nimmt dann die Tablette. Aus dem Kühlschrank holt er sich anschließend den Apfelsaft und nimmt sich ein weiteres Toast. Wie man morgens ohne Kaffee überhaupt überleben kann ist mir ein Rätsel. Doch ich habe Ben noch nie Kaffee trinken sehen. Und ganz besonders heute habe ich keinerlei Verständnis dafür.

Bevor ich der Sache jedoch nachgehen kann, taucht auch schon Riley auf, der sich unserem Morgenritual anschließt. Kaum hat er sich mit einem Kaffee zu uns gesetzt, legt er den Kopf schief, als würde er lauschen. Ein schadenfrohes Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. "Wie es aussieht hat Luise den gestrigen Abend nicht gut verkraftet." Ben schüttelt nur den Kopf. "Sie hat die Nacht im Bad neben der Kloschüssel verbracht.", gibt er zurück. Allerdings eher besorgt und mitleidig, als schadenfroh. Doch ich kann auch nicht anders, als mich Riley anzuschließen. Luise hat uns in letzter Zeit einfach zu oft genervt.

"Wo ist eigentlich Dean?", wechsel ich das Thema, als wir Bens bösen Blick abbekommen. Der scheint uns unsere Schadenfreude nicht zu gönnen. Die beiden Jungs zucken jedoch nur mit den Schultern. Alt genug ist der Werwolf ja eigentlich, doch ich mache mir trotzdem Sorgen. Er ist schließlich hier zu Besuch, daher bin ich für ihn verantwortlich.

"Ich gehe ihn suchen.", murmel ich schließlich, schenke mir noch einmal Kaffee nach und verlasse dann die Küche. Doch weit muss ich nicht. Kaum bin ich aus der Haustür getreten sehe ich jemanden zwischen den Büschen liegen und schlafen. Dean!

Als ich näher ran gehe und ihn genauer mustere, kann ich mir ein leises Kichern nicht verkneifen. Als ich Riley und Ben am Küchenfenster stehen sehe, winke ich sie schnell zu mir raus. Mein Kichern hat sie wohl neugierig werden lassen.

Ein amüsiertes Funkeln tritt in die Augen Beider, als sie neben mir ankommen und Dean erkennen. Er gibt aber auch ein tolles Bild ab. Sein Hemd ist aufgeknöpft, die Hose hängt an seinen Fußknöcheln und auch seine Boxershorts sitzen nicht mehr richtig. Und als würde das nicht reichen, hat er überall am Körper Knutschflecken, neben denen jeweils ein Name prangt. Die Damen haben wohl ihre Kunstwerke signiert.

Ein Fotogeräusch lenkt meine Aufmerksamkeit auf Ben, der sein Handy in der Hand hält. "Das muss für die Ewigkeit festgehalten werden.", grinst er schadenfroh und schießt weiter Bilder. Hier ist es auf einmal in Ordnung, aber wenn es um Luise geht wird er sauer. Versteh einer Männer! Oder Ben im Speziellen.

Nachdem wir drei die Kreativität der nicht ausschließlich weiblichen Hexen, den Namen nach zu urteilen, bewundert haben, sind wir wieder rein gegangen. Dean haben wir einfach draußen liegen gelassen. Es ist noch ziemlich warm und an seinem Zustand ist er definitiv selbst Schuld. Also kein Mitleid von uns!

Ben hat sich direkt auf den Weg zu Luise gemacht, um sich um sie zu kümmern und ihr die Bilder von Dean zu zeigen. Als Luises Lachen wenig später in erneute Würgegeräusche übergeht, kann ich ein eigenes Kichern nicht mehr unterdrücken. "Das habe ich gehört, Beth!", höre ich sie rufen und anschließend, wie sie sich erneut übergibt. Tja, wer den Schaden hat braucht für den Spott nicht zu sorgen.

"Ich geh mal schauen, ob ich auf dem Marktplatz noch beim aufräumen helfen kann.", meine ich schließlich, als mir endlich eine Ausrede eingefallen ist, um hier zu verschwinden. "Ich komme mit. Vielleicht muss etwas Schweres getragen werden.", stimmt Riley, deutlich erleichtert, zu.

Kaum sind wir außer Hörweite, kann ich ein leises Lachen nicht mehr unterdrücken. Ich weiß nicht, ob uns diese Ausrede überhaupt jemand abgekauft hat. Im Dorf gibt es genügend Leute, die sich bereits um das Beseitigen des Mülls gekümmert haben sollten. An Freiwilligen mangelt es da zum Glück selten. Und alles was etwas schwerer ist, kann locker mit Magie bewegt werden. Riley und ich sind also vollkommen überflüssig.

Trotzdem statten wir dem Marktplatz einen Besuch ab, nur um festzustellen, dass wirklich alles so aussieht wie vor der Feier. Lediglich die drei ehemaligen Feuerstellen haben etwas Ruß auf dem Kopfsteinpflaster hinterlassen. Entspannt schlendern wir weiter und reden über unsinniges Zeug. Ich erzähle Riley von den Leuten aus dem Dorf. Einige Geschichten und spektakuläre Magieanwendungen, die hier stattgefunden haben. Als Ausgleich berichtet er von seinem Rudel, welches seine Eltern führen. Und welches er einmal übernehmen soll.

"Das muss schwer sein, zu wissen, wie viel Verantwortung auf einen zukommt.", murmel ich irgendwann, als wir am Dorfteich ankommen. "Man wächst hinein. Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt. Und bin froh, dass es nicht Luise ist, die sich damit rumschlagen muss.", gibt er mit einem verschwörerischen Zwinkern zurück. "Oh man, dass wäre der Untergang des Rudels."

Nichts gegen Luise, aber sie ist manchmal einfach viel zu naiv und kindisch. Und begriffsstutzig. Ihr mehr Verantwortung als für sich selbst zu übertragen wäre ein schwerwiegender Fehler. Sie ist eher ein Freigeist, was auch vollkommen in Ordnung ist. Nur halt nicht für den Anführer eines Rudels. Da muss man schon mit all seinen Sinnen dabei sein.

"Und bei dir war das nicht so?" Auf Rileys Frage kann ich nur den Kopf schütteln. "Es war von Anfang an klar, dass James und ich nicht hier bleiben würden. Hier ist es schön, keine Frage, aber wir gehören hier nicht her. Nach dem Abschluss ist es für Hexen üblich die Welt zu erkunden und zu reisen, bis sie den Ort ihrer Bestimmung gefunden haben."

Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Riley sich mir zuwendet und mich interessiert mustert. "Was meinst du mit dem 'Ort der Bestimmung'?" Kurz entsteht Stille, während ich meine Gedanken ordne. "Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich das erklären soll.", murmel ich entschuldigend und fahre mit abwesend durch meine kurzen Haare, bis mir doch ein Gedanke kommt.

"Ich denke, dass es ähnlich ist, wie wenn ihr euren Gefährten findet. Bei Vampiren und Werwölfen sind es Menschen und bei uns Hexen Orte, von denen wir mehr als alles andere angezogen werden. Wenn man diesen Ort einmal gefunden hat, dann ist man dazu bestimmt Verantwortung für die dort lebenden Bewohner zu übernehmen. Auf welche Art und Weise auch immer."

Ich weiß selbst, dass meine Erklärung schlecht ist, doch Riley nickt verständnisvoll. "Als währt ihr das letzte fehlende Puzzleteil, um das gesamte Bild zu sehen." Ein breites Lächeln erscheint auf meinem Gesicht. "Ja, so kann man es wohl sagen."

Wieder entsteht eine entspannte Stille, in der wir beide unseren Gedanken nachhängen. "Wir sollten langsam zurück.", durchbreche ich diese schließlich, als der Wind auffrischt und mir zunehmend kälter wird. Auch, wenn ich gerne noch etwas geblieben wäre. Als Riley schließlich zustimmend nickt, gehen wir in einvernehmlichem Schweigen zurück.

Wir haben uns wirklich lange nicht mehrgestritten. Überraschend! Mal sehen, wie lange das noch anhält. Ich kann dienächste Diskussion beinahe in der Luft liegen sehen. Und irgendwie freue ichmich auch mal wieder darauf. Dieses ständige nett sein ist nichts für mich. Ichbrauche Diskussionen in meinem Leben. Ich vermisse es direkt schon. Vielleichthabe ich ja morgen schon Glück. 

Ein Hauch von Magie - SchicksalsschlagWhere stories live. Discover now