Kapitel 4

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Den kompletten restlichen Samstag und auch noch die meiste Zeit des Sonntags habe ich im Bett verbracht. Lediglich ins Bad hat mich Selena gelassen. Und nachdem sie die Situation Victoria, Luise und Abigail erläutert hatte, haben sie Selena nach besten Kräften unterstützt. Und auch wenn es mich so dermaßen nervt, dass sie sich um mich kümmern, bin ich ihnen doch unsagbar dankbar.

Durch die Heiltränke von Selena und die Heilung von Victoria geht es mir am Montag schon wieder so gut, dass ich sie sogar habe überreden können, dass ich in den Unterricht darf. Schließlich ist heute der erste Schultag nach den Ferien, da passiert sowieso nie wirklich etwas.

Also setze ich mich vorsichtig in den Speiseraum unseres Internats, während die Mädchen mir etwas zu essen mitbringen. Wieder habe ich einen Tarnzauber auf meinem Gesicht. In der Hoffnung, dass ich es heute schaffe ihn trotz Schmerzen aufrecht zu erhalten.

Zum ersten Mal seit Jahren nutze ich die Gelegenheit, um unsere Mensa einmal genauer zu mustern. Viel hat sich nicht verändert. Noch immer ist der Boden weiß gefliest, die Wände in einem hellgelb gestrichen, wie auch der Rest der Schule, und große Leuchter hängen an den Decken. Wenn man von der Tür herein kommt hat man auf der rechten Seite, an der Wand entlang, immer ein Buffet mit diversen Leckereien aufgebaut. Der Rest des Raumes ist mit runden Tischen und Stühlen in rot und blau vollgestellt. Im Allgemeinen sieht es hier ziemlich bunt aus.

Seufzend richte ich meine Aufmerksamkeit auf meine vier Freundinnen, die sich langsam und mit voll beladenen Tellern unserem Tisch nähern. Luise hat wie immer zwei unglaublich voll beladene Teller in der Hand, die sie, entgegen aller Erwartungen, auch restlos aufessen wird. Als Gestaltwandler braucht man mehr Energie, da der Stoffwechsel einfach schneller funktioniert. Deswegen strahlen sie auch immer eine solch enorme Hitze ab. Das habe ich persönlich bei Riley am Samstag feststellen können. Und natürlich bei Luise.

Dass Luise Rileys kleine Schwester ist, konnte ich im ersten Moment gar nicht glauben. Sicher, sie haben beide schwarzes Haar und diese türkisfarbenen Augen, doch in allem anderen sind sie so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Luise ist nett, lustig und hilfsbereit. Sie verteidigt ihre Freunde und kümmert sich um die Leute, denen es nicht gut geht. Auch wenn sie manchmal etwas zu sehr auf ihr eigenes Wohl bedacht ist. Ihr Bruder ist dagegen das arrogante, selbstverliebte Arschloch schlechthin. Aber dafür kann sie ja nichts.

Mit einem dankbaren Lächeln schnappe ich mir den Kaffee, den Abigail mir mitgebracht hat, während Selena einen vollbeladenen Teller vor mir abstellt. Gemeinsam setzen sie sich zu mir, Luise rechts, Selena links von mir und uns gegenüber Victoria und Abigail. Wobei Abigail lediglich ein großes Glas in der Hand hält, an welchem sie immer mal wieder nippt. Ich kann mir nicht vorstellen ein Vampir zu sein. Immer das Gleiche zu mir zu nehmen. Immer nur Blut. Mir würde die Abwechslung fehlen.

Trotzdem scheint es eine gute Wirkung zu haben, denn ich habe noch nie einen hässlichen Vampir gesehen. Abgesehen von ihrer natürlichen Blässe. Das ist nicht unbedingt mein Geschmack. Aber sonst haben alle eine sehr reine Haut, glänzendes Haar und volle Lippen. Vor allem Abigail ist eine Augenweide. Mit ihren langen roten Haaren und den grauen Augen, der schlanken, sportlichen Gestalt und dem passenden Dekolleté dazu sieht sie aus wie ein Männertraum. Und so kleidet sie sich auch. Bauchfreies, schwarzes T-Shirt, eine enge schwarze Hose und bestimmt zehn Zentimeter hohe Absatzschuhe.

"Was starrst du mich so an, Beth? Hab ich was im Gesicht?", reißt mich die Vampirin schließlich aus meinen Gedanken. "Ich hab mich nur gefragt, wie man jeden Tag das Gleiche essen kann. Wird das nicht langsam langweilig?", rede ich mich heraus und habe Glück. Sofort breitet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus und sie hält mir den Becher entgegen. "Jedes Blut hat einen eigenen Geschmack. Willst du mal kosten?" "Und mich selbst vergiften? Nein, danke. Mir geht es auch so schon schlecht genug." Ich kann ein leises Kichern nicht unterdrücken, auch wenn es mir Schmerzen durch den Körper jagt. Doch ich versuche es mir nicht anmerken zu lassen.

"Du wärst überrascht, wie gut das tun würde.", gibt Abigail mit einem Augenzwinkern zurück und nippt an ihrer Tasse. "Aber doch nicht bei Hexen!." Schon allein bei der Vorstellung Blut zu trinken wird mir schlecht. Das ist eindeutig nicht mein Ding. "Käme auf einen Versuch an.", kichert Luise zwischen zwei Happen und verfolgt unser Gespräch weiter, während Selena sich leise mit Victoria unterhält. "Du musst es ja dann auch nicht trinken. Obwohl du wahrscheinlich mehr Erfahrung darin hast als ich.", gebe ich lachend zurück, weshalb Abigail vor Lachen fast vom Stuhl kippt und Luise nur eine böse Grimasse zieht.

"Wo hat meine Schwester mehr Erfahrung als du, Hexe?", reißt uns eine Stimme aus dem Gespräch und verdirbt mir gleich die Laune. Riley. Kann der nicht einfach in den Wald rennen und nie wieder zurück kommen? Aber so viel Glück habe ich wahrscheinlich nicht. "Das würdest du wohl gerne wissen?", gebe ich ruhig zurück und muss mich selbst daran erinnern, dass wir ja vor kurzem einen Waffenstillstand geschlossen haben. Der kann nicht lange halten. Aber wegen mir sollte er auch nicht gleich beim ersten Zusammentreffen scheitern. Also Zähne zusammenbeißen und nett sein.

Die Mädels mustern mich überrascht und fragen sich wahrscheinlich, warum ich nicht schon längst ausgeflippt bin. Stimmt! Ich habe vergessen ihnen davon zu erzählen. Sie werden ausrasten. Aber richtig! Riley scheint meine Grimasse und die fragenden Gesichter meiner Freundinnen richtig zu deuten und setzt sich mit seinen Kumpels leise lachend zu uns an den Tisch. Jetzt spannt er den Bogen aber ganz schön weit. Auch meine Selbstbeherrschung hält nicht ewig.

Und dann lässt er die Bombe platzen. "Wir haben einen Waffenstillstand getroffen." Erneut müde schließe ich die Augen und greife mir an den Nasenrücken, um meine Kopfschmerzen wieder in den Griff zu bekommen. Sie sind beinahe weg gewesen und jetzt kommt dieser Arsch hier her und torpediert meine Heilung. Kann der nicht jemand anderen nerven? Auch mit geschlossenen Augen kann ich die Blicke aller auf mir spüren. Doch ich schlucke meine Wut und meinen Stolz herunter und genehmige mir einen großen Schluck von meinem Kaffee. Der hilft immer. Ohne wäre ich schon längst Amok gelaufen. Noch ein Grund das Krankenhaus zu verlassen. Die können einfach keinen ordentlichen Kaffee kochen!

Nachdem der wahrscheinlich erhoffte Wutausbruch meinerseits ausgeblieben ist, fangen die Herren an über ihre wahrscheinlich gerade abgeschlossene Jagd zu sprechen. Ich höre ihnen jedoch nur mit halbem Ohr zu, da die Mädels mich mit bösen Blicken durchbohren, die ich nur entschuldigend erwidern kann. Die werden mich sowas von auseinander nehmen. Schon wieder.

Glücklicherweise klingelt es nun zum Unterricht. Zum ersten Mal bin ich erleichtert darüber. Wenigstens kann ich meinen Anschiss so noch etwas hinaus zögern. Und die Mädels regen sich vielleicht bis dahin auch wieder ab. Jetzt muss ich nur noch aufstehen. Das wird schmerzhaft.

Ich atme einmal tief ein, dann schließe ich die Augen, beiße die Zähne zusammen und stehe mit einem Ruck auf. Die Schmerzen lassen mich fast wieder nach unten sinken, doch ich reiße mich zusammen. Es ist besser geworden seit Samstag. Wenn es so weiter geht kann ich vielleicht nächstes Wochenende schon wieder aufstehen, ohne Angst haben zu müssen dabei das Bewusstsein zu verlieren.

Die Blicke der anderen ignorierend richte ichmich richtig auf und mache mich auf den Weg zum Unterricht. Hoffentlich machenwir heute wirklich nicht mehr viel. Dieses ständige hinsetzen und aufstehenbringt mich sonst noch um!

Ein Hauch von Magie - SchicksalsschlagWhere stories live. Discover now