Kapitel 11

3.6K 166 15
                                    

Ich nahm Geräusche um mich herum wahr, aber ich hörte gar nicht zu, denn ich konnte mich nicht darauf konzentrieren, was sie da sagten. Katy ihre Stimme klang aber sehr laut und wütend, doch am Ende erklang ein Weinen in meinen Ohren, doch ich wollte es nicht mitbekommen. Verzweifelt schloss ich meine Augen und das mit der Hoffnung, das ich all das ausblenden könnte, aber ich lag falsch.

Es wurde schlimmer.

Katy's bitterliche Weinen umhüllte den Raum und es machte mich fertig. Ich schüttelte leicht den Kopf darüber, denn ich verstand gar nicht, warum sie so war. Was war denn plötzlich los mit ihr? Mein Gehirn wollte es nicht aufnehmen, ich wollte es nicht verstehen und ich wollte weg von hier. Jetzt und sofort. Im selben Augenblick drang Hope's besorgte Stimme in meine Gedanken hinein und wenige Sekunden später spürte ich eine Berührung an meiner Hand.

Erschrocken zuckte ich zusammen und blickte schließlich in die smaragdgrünen Augen von meiner besten Freundin.

Sie redete auf mich ein, jedoch verstand ich kein einziges Wort, denn ich hörte ihr gar nicht zu. In meiner Brust war nämlich ein unerträglicher Schmerz und ich konnte mich an nichts, außer das fokussieren. Ganz leicht schüttelte ich den Kopf und stand langsam von der Couch auf. Hope warf mir einen verwirrten Blick zu, den ich aber gekonnt ignorierte. Ich musste hier weggehen. Sie benahmen sich alle so komisch und ich konnte es nicht nachvollziehen.

Nebenbei wanderten meine Augen zu meiner Schwester, die weiterhin da saß und nun ins Leere starrte, dabei liefen wir unbewusst einige Tränen über die Wange. Ich hatte das Bedürfnis sie zu trösten und in meine Arme zu nehmen, aber ich konnte nicht verstehen, was passiert war.

Aus diesem Grund drehte ich mich zu Jack um, der sich nicht bewegte und wie benommen sein Handy anschaute. Somit fielen mir auch seine Worte wieder ein, die mich aber zum Lachen brachten.

Sie ist tot.

Augenblicklich verging mir das Lachen, dabei konnte ich erkennen, wie mich Hope ängstlich beobachtete. Meine Emotionen waren wie weg und ich spürte rein gar nichts mehr. Sogar der Schmerz in meiner Brust war verschwunden. Als ob man mit einem Staubsauger mir all die Gefühle weggesaugt hätte. Nicht einmal ein Staubkorn war in mir geblieben und ich fühlte mich so unglaublich leer, aber das war falsch.

Diese Leere.

Nichts weiter existierte in mir drinnen.

Nach diesem Gedanken bewegten mich meine Füße ganz von alleine aus dem Raum. Ich bemerkte aber, wie mir Hope hinterher folgen wollte, weswegen ich mich zu ihr umdrehte und sie mit einer Handbewegung stoppte. Sie sah verzweifelt und verloren aus, denn sie wusste nicht, wie sie handeln sollte, doch ich wusste es ebenso nicht. Genau deshalb ging ich meinen Weg weiter und verließ das Haus. Gedankenverloren ließ ich mich auf eines der Stufen vor der Tür fallen und starrte vor mich hin.

Sie ist tot.

Schon wieder schwirrte dieser Satz in meinem Kopf herum, jedoch nahm ich es nicht wahr. Aus diesem Grund schloss ich meine Augen, dabei begann ich tief ein und aus zu atmen. Meine rechte Hand legte ich an die Stelle, wo sich mein Herz befand, denn es begann schneller zu schlagen und das gefiel mir nicht. Je unregelmäßiger es wurde, desto mehr schmerzte es. Ich wollte nicht, dass es weh tat, ich wollte dieses Gefühl nicht verspüren und ich wollte nicht die Wahrheit einsehen. Ganz plötzlich begannen meine Augen zu brennen, weswegen ich sie aufschlug und so langsam keine Luft mehr bekam. Die einzelnen Tränen konnte ich an meiner Wange spüren und es zerstörte mich innerlich.

Ich erstickte.

Als ich es schließlich nicht mehr ertrug, begann ich zu schreien. Ich schrie mir die Seele aus dem Leib und begann zu weinen. Meine Hände krallte ich in die Haare und hielt mir anschließend die Ohren zu. Der Satz ging nämlich nicht aus meinen Gedanken raus und es machte mich wahnsinnig.

Sie ist tot.

Sie ist tot.

Sie ist tot.

Es spuckte da oben und es wollte nicht aufhören, aber es sollte endlich still werden. Ich wollte es nicht hören und ich wollte nicht, dass dies wahr war, denn meine Oma würde mich nicht verlassen.

Meine Oma?

Nein.

Nicht meine Oma.

Ich zuckte heftig zusammen, als mich jemand von hinten umarmte. Ich wehrte mich und wollte mich mit meinen Armen befreien, jedoch war die Person viel zu stark und dessen Griff nur noch stärker wurde. Verzweifelt versuchte ich es weiter, denn ich wollte niemanden bei mir haben, aber es hatte keinen Zweck. Am Ende gab ich es auf und weinte leise vor mich hin. Allein die Stille reichte aus und ich wusste, dass Liam da war und ich wusste, dass er mich niemals loslassen würde, denn auch ich hatte ihn an seinen schweren Tagen nicht im Stich gelassen.

"E-Es tut so weh", flüsterte ich kaum hörbar.

"Ich weiß", sagte er mitfühlend und hielt mich fest in seinen Armen, als ob er Angst hätte, dass ich wie Glas zerbrechen könnte, sobald er mich losließ.

Einige Minuten vergingen und wir saßen schweigend an der Treppe. Liam ging mir immer wieder beruhigend durch die Haare und ich hatte mich abweisend an ihn gelehnt, sodass mein Kopf gegen seiner Brust lehnte. Seine Anwesenheit hatte mir Ruhe gebracht und dafür war ich ihm teilweise dankbar, denn sonst hätte ich höchstwahrscheinlich den Verstand verloren.

Im selben Augenblick legte sich ein trauriges Lächeln an meine Lippen und eine einsame Tränen lief meine Wange entlang. Ein Satz von meiner Oma fiel mir ein, den sie mir nachdem Tod meines Vaters sagte und was ich nie vergessen hatte.

Vielleicht nimmt uns das Leben, die Menschen weg, die wir lieben, doch das Leben kann uns nicht die Erinnerungen nehmen, die tief in unserem Herzen weiterleben werden.

Es war unglaublich schmerzhaft zu realisieren, dass ein Mensch, den man liebte jetzt eine Erinnerung war.

Der VerstandWhere stories live. Discover now