Kapitel 13

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"Was machst du da?", fragte ich verwirrt.

"Deine Sachen packen", antwortete Liam.

Verständnislos beobachtete ich ihn dabei weiter und wusste nicht so genau, was ich tun oder sagen sollte, denn er benahm sich gerade merkwürdig. Vor fünf Minuten saßen wir noch gemeinsam stillschweigend auf meinem Bett, doch plötzlich war er aufgestanden und fing an einige meiner Klamotten in ein kleines Gepäck einzupacken.

"Liam, was genau soll das werden?", wollte ich endlich wissen, da er mich komplett verwirrte.

Er seufzte und ließ meine grüne Tasche auf den Boden fallen und drehte sich anschließend zu mir um. Ein sanftes Lächeln zierte seine Lippen und in seinen Augen konnte ich die Ruhe sehen, die er mir ausstrahlte. Für einige Sekunden verharrte er in dieser Position bis er langsam auf mich zu kam und sich vor mich hinsetzte, dabei schnappte er sich beide meiner Hände. Sein intensiver Blick ruhte auf mir, wobei ich nicht anders konnte und ihn ebenfalls stumm anschaute. Immer wieder strich er mit seinem Daumen über meine Handrücken, was auf einer komischen Weise beruhigend war.

Nur eine Berührung und er hatte die ganze Kontrolle über mich, nur ein Blick und er nahm mich gefangen. Seine Nähe reichte vollkommen aus und nichts kam wie unmöglich rüber.

"Ich werde dich entführen", erklang seine Stimme in meinen Ohren, womit er mich aus meinen tiefen Gedanken heraus riss.

"Wie?", konnte ich ihn nicht ganz verstehen, doch anstatt es mir zu erklären, lächelte er nur etwas breiter und packte weiter.

Eigentlich hätte ich ihn weiter ausgefragt, aber ich beließ es dabei und sperrte mich wieder in mich hinein. Im Moment hatten nämlich meine Gedanken die Kontrolle über mich übernommen. Es fühlte sich wie ein Gefängnis an, wo man nicht so schnell rauskommen konnte. Nur manchmal hatte man die Gelegenheit rauszugehen. Diese Zeit war aber sehr kurz und half nicht endgültig.

Fünf Tage waren vergangen, fünf große Tage, indem meine Oma nicht mehr bei uns war.

Dieses Haus, was mit Menschen gefüllt war, fühlte sich so leer wie noch nie an, denn es war spürbar, dass etwas fehlte.

Im Krankenhaus hatten wir erfahren, dass sie seit einem Jahr krank war, aber uns nichts gesagt hatte. Der Arzt meinte, dass sich ihre Lage verschlechtert hatte. Aus diesem Grund musste sie im Krankenhaus zur Kontrolle ihrer Lage bleiben, was auch somit bedeutete, dass sie nicht zu Besuch bei einer Freundin war. Das klang nach meiner Oma, denn sie war jemand, der keine Aufmerksamkeit mochte, doch ihr war anscheinend nicht bewusst, wie ernst es diesmal gewesen war.

Ein Teil in mir war wütend auf sie, denn sie hatte weder mir, noch jemand anderen etwas erzählt. Sie war dort ganz alleine, sie war ganz alleine gestorben, als ob sie keine Familie hätte.

Wenn sie mir etwas gesagt hätte, wäre ich an ihrer Seite gewesen und sie keine Sekunde alleine gelassen. Ich konnte nicht bei ihr sein, als sie mich am meisten brauchte. Meine Oma war immer für mich da, aber ich konnte nicht das gleiche für sie tun. Der Gedanke zerbrach mir das Herz in Stücke. Es waren wie Glasscherben, die immer wieder in meine Brust stachen und es tat unbeschreiblich weh.

Es litten alle von uns. Jack, Katy, meine Tante und alle die meine Oma kannten und liebten.

Ein Gewitter herrschte in uns und der Regen wollte nicht mehr aufhören, denn die grauen Wolken würden nicht mehr so schnell verschwinden, sowie die Seelen, die durchgehend bluteten. Ein Verband würde niemals ausreichen, um diese Blutung zu stoppen, da sie sehr tief war, so tief, sodass es beinahe unmöglich vorkam.

"Aria", drang die Stimme von Liam in mein Kopf, wobei ich kurz zusammenzuckte, da er mich an meiner Wange berührte.

Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich Tränen verloren hatte. Sofort wischte ich sie mir weg und schaffte ein kleines Lächeln auf die Lippen, denn ich wollte nicht, dass er sich Sorgen um mich machte. Die ganze Zeit war er bei mir und ließ mich keine Sekunde alleine. Ich fühlte mich deshalb schlecht, da es bestimmt anstrengend für ihn war. Manchmal hatte ich versucht ihn wegzuschicken, doch er war nur fassungslos darüber gewesen, wie ich dachte. Somit war dieses Thema für ihn beendet.

"Ich bin fertig. Wir können jetzt gehen", meinte er schließlich und griff nach meiner Hand, sodass wir zusammen auf standen.

"Willst du mir auch sagen, wohin wir gehen?", versuchte ich es noch einmal, worauf er für einen Moment nachdachte und anschließend leicht zum Grinsen begann.

"Diesmal ist es nicht für einen Tag, sondern für eine längere Zeit wirst du nicht Aria Evans und ich nicht Liam Black sein", erklärte er und bei seinen Worten blitzte eine kleine Erinnerung in mir auf, die mich aus dem Nichts zum Lächeln brachte.

"Außerdem lassen wir auch unsere Handys hier. Nur Aria und Liam wird es geben, sonst niemanden", bestimmte er und küsste mich anschließend auf meiner Stirn.

Nach seinen Worten kam ich ihm näher und schlang meine Arme um seinen Bauch. Er ließ die Tasche in seiner Hand achtlos auf den Boden fallen und umarmte mich zurück, dabei zog er mich nur noch näher an sich. Es kam plötzlich, denn er tat einfach alles, um mich abzulenken und schaffte es mich glücklich zu machen, auch wenn es nur für einen kleinen Augenblick war.

"Versprich mir etwas", verlangte ich und löste mich ein wenig von ihm, sodass ich zu ihm hochschauen konnte.

"Kommt drauf an, um was für ein Versprechen es sich handelt", amüsierte er sich ein wenig.

"Vergiss niemals, wie sehr ich dich liebe", bat ich ihn, wobei sich sein Gesichtsausdruck etwas änderte.

"Versprochen", versicherte er mir schließlich und hinterfragte nicht.

"Gehen wir?", änderte ich das Thema, wobei er nur nickte und sich die Tasche vom Boden schnappte.

Mein Handy nahm ich kurz in die Hand und schickte Liam schon einmal runter, da ich Hope schnell eine Nachricht schreiben wollte, sodass sie sich keine Sorgen machte. Nachdem ich das erledigt hatte, wollte ich mein Handy ausschalten und weg legen, doch ich erinnerte mich an etwas.

Mir wurde auf einmal unwohl, denn dieser Gedanke war beängstigend und irgendwie unmöglich.

Ich ging all meine Nachrichten durch und suchte mit leicht, zitternden Händen eine ganz bestimmte, die ich letztendlich fand.

Zuerst hatte ich eine Nachricht bekommen, in der stand Mein Beileid und danach hatte Jack's Handy geklingelt. Wir erfuhren, dass meine Oma gestorben war, aber wer war diese Person, die es vor uns wusste? Ich war mir hundertprozentig sicher, dass es sich um denjenigen handelte, der mich auch angerufen hatte. Eine bestimmte Person konnte ich mir aber darunter nicht vorstellen.

"Wer bist du nur?", murmelte ich verwirrt.

Der VerstandWhere stories live. Discover now