Kapitel 14

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"Ich habe es hier vermisst", stellte ich fest, als wir das Holzhaus betraten.

Liam stellte unsere Taschen auf die Seite und machte die Tür hinter sich zu. Anschließend kam er langsam auf mich zu und schlang seine Arme um meinen Bauch. Friedlich lehnte ich mich zurück und schloss die Augen, dabei vergaß ich plötzlich alles. Mit der einen Hand hielt er mich fest an sich und die andere war damit beschäftigt meine Haare nach hinten zu streichen. Seine Finger berührten aus Versehen meine nackte Schulter, was ein Kribbeln verursachte.

"Ich genauso", hauchte er und sein warmer Atem berührte meine Haut.

Er hinterließ einen Kuss an meiner Schulter, was mir am ganzen Körper eine Gänsehaut verpasste. Somit löste er sich wieder von mir und schnappte sich meine Hand. Mit einem kleinen Grinsen im Gesicht zog er mich in die Küche, wobei ich ihm nur stumm hinterher folgte und leicht lächelte.

"Hast du Hunger?", erkundigte er sich und näherte sich zum Kühlschrank, worauf ich mich auf eines der Hocker am Tresen fallen ließ.

"Nein", antwortete ich ehrlich.

"Soweit ich mich erinnern kann, hast du nicht gefrühstückt", meinte er daraufhin und betrachtete nebenbei kritisch den leeren Kühlschrank.

"Ich habe keinen Hunger", versicherte ich ihm, wobei er sich zu mir umdrehte.

"Ich habe dir aber schon lange nicht mehr eine Pizza gemacht", versuchte er es auf dieser Weise, weshalb ich nicht anders konnte und zum Schmunzeln begann.

"Warum kann ich bei dir nie nein sagen?", fragte ich verwundert, denn es war wirklich so.

"Weil ich unwiderstehlich bin", grinste er und zwinkerte mir zu, was ich mit einem Augen verdrehen erwiderte.

"Wir haben aber ein kleines Problem", murmelte er und drehte sich wieder zum Kühlschrank um, dabei runzelte er nachdenklich die Stirn.

"Wir haben keine Zutaten", grinste ich darüber, was er mit einem Nicken bestätigte.

"Deshalb gehen wir jetzt einkaufen", bestimmte er.

Nach seiner Aussage fasste er wieder zu meiner Hand und zog mich vorsichtig vom Hocker runter. Zusammen verließen wir schließlich das Holzhaus und wanderten durch den Wald, der unglaublich schön im Sommer war.

Es war das dritte Mal, dass ich mich an diesem Ort befand, doch trotzdem war es immer wieder eine unglaubliche Aussicht. Die Sonne strahlte durch die Äste hindurch und brachte die Blätter zum Glänzen, die Bäume und Gebüsche hatten eine wunderschöne grünliche Farbe. Außerdem war die Luft, sowie der Geruch einfach angenehm. Es machte einen Menschen lebendig und frischer. Man fühlte sich sorgenlos und frei.

Am liebsten würde ich mit Liam für immer hier leben, denn hier gab es nur uns zwei und hier waren wir entfernt von all das Schlechte.

•••

Als wir ankamen, stiegen wir vom Auto aus und Liam nahm sich einen Einkaufswagen. Zusammen betraten wir den Laden, wo sich schon mehrere Menschen aufhielten. Wir suchten alle wichtigen Lebensmittel und da wir uns keine Liste gemacht hatten, dauerte es ein wenig länger.

Mein Blick wanderte immer wieder zu ihm rüber, denn er war so konzentriert und irgendwie war es amüsant ihn dabei zu beobachten.

Seine Stirn lag ihn Falten und seine blauen Augen, die ein wenig dunkler in dieser Helligkeit waren, schauten sich in den Regalen um. Die Augenbrauen waren leicht zusammen gezogen und er tippte immer wieder mit seinem rechten Zeigefinger auf den Einkaufswagen, den er ebenso vorwärts schob. Mir war bewusst, dass er höchstwahrscheinlich merkte, dass ich ihn anstarrte, denn das kleine Grinsen, was um seinen Lippen lag, war nicht zu übersehen. Ich konnte aber nicht anders, da es sich manchmal so anfühlte, als ob dies nicht die Realität wäre. Es war eher wie ein Traum und ich wollte jede Sekunde sichergehen, dass es nicht so war. Die Angst, das ich eines Tages aufwachte und er nicht mehr da war, nahm mir die Luft zum Atmen weg.

Ich war eigentlich nie eine Pessimistin, denn ich glaubte an das Gute und an die Wunder, die einem Menschen passieren konnten, doch das Leben hatte mich verändert.

"Alles okay?", riss mich Liam aus meinen Gedanken, weswegen ich etwas überrascht zu ihm hochschaute, da ich nicht gemerkt hatte, dass ich ganz woanders war.

"Ja, ich war nur in Gedanken. Dahinten ist das Mehl. Ich gehe welches holen", wechselte ich das Thema, worauf dieser nur nickte und keine weiteren Fragen stellte.

Nicht ganz anwesend in dem Moment machte ich mich auf den Weg zur besagten Stelle. Erneut war ich in meinem eigenen Kopf eingetaucht und das lenkte mich ab, sodass ich die Person vor mir gar nicht bemerkte und dies verursachte einen Zusammenstoß.

Etwas erschrocken über die Situation stolperte ich einige Schritte zurück und mein Kopf hob sich automatisch, dabei war die Verwirrung in meinem Gesicht bestimmt nicht zu übersehen. Ich begegnete zwei braunen Augen, die fast wie schwarz hervor stachen. Der unbekannte Mann vor mir hatte eine beängstigende Ausstrahlung, die einfach nicht zu entgehen war, was mir somit für einige Sekunden die Sprache verschlag. Länger konnte ich nicht in sein Gesicht schauen, denn er richtete seine schwarze Kapuze, womit er mir die Sicht verdeckte und mich ebenso aus meiner Starre riss.

"E-Entschuldigung, ich...habe Sie nicht gesehen", brachte ich schließlich am Ende raus, wobei der Fremde mir knapp zu nickte und schweigend an mir vorbei ging.

"Aria kommst du?", rief mir Liam zu, der auf mich wartete.

Benommen schüttelte ich nur den Kopf und ging auf meinen Freund zu. Zusammen näherten wir uns zur Kasse und nahmen Platz an der Schlange, die zum Glück nicht so lang war. Liam legte die Lebensmittel auf den Kassenband und ich half ihm dabei, doch im selben Augenblick spürte ich einen sehr intensiven Blick an meinem Rücken.

Schlagartig drehte ich mich um und blickte in jede Richtung bis meine Augen an dem fremden Mann hängen blieben.

Er stand an der anderen Kasse und starrte hierher oder ich bildete es mir nur ein. Durch die Kapuze, die er weiterhin trug und tief runter gezogen hatte, konnte ich nicht genauestens erkennen, ob ich die Person war, die er wirklich beobachtete. Es kam aber so rüber und dieses Gefühl, was nun in mir herrschte, brachte mein Herz zum schneller Schlagen. Vielleicht handelte es sich um die plötzliche Angst und das gefiel mir nicht.

"Aria!", drang Liam's laute Stimme in meine Ohren, worauf ich ihn verwirrt ansah.

"Es ist das dritte Mal, das ich nach deinem Namen rufe. Was ist denn los?", wollte er wissen und ich merkte, dass er sich langsam Sorgen machte.

"Gar nichts, wirklich. Ich dachte nur, dass ich jemanden Bekannten gesehen habe, aber ich lag falsch. Ist nicht so wichtig", versuchte ich ihn zu überzeugen, denn ich wollte keine Panik auslösen und mit ihm hier verschwinden.

"Du lügst", durchschaute er mich sofort, aber er konnte mich nicht länger ausfragen, da wir als nächstes dran waren.

Ich drehte mich schließlich ein letztes Mal zu dem Unbekannten um, aber er stand nicht mehr dort, wo er eigentlich sein sollte. Verständnislos durchsuchte ich mit meinen Augen den ganzen Laden ab, doch er war nicht mehr zu finden. Es war unmöglich, dass er schneller als wir war, denn er stand ganz am Ende der Schlange und vor ihm waren viele andere Menschen gewesen.

Ungläubig begann ich den Kopf zu schütteln und wusste gerade nicht, ob das die Realität war. Langsam hatte ich den Verdacht, das ich durchdrehte oder es war etwas ganz anderes.

Hatte ich mir das nur eingebildet?

Der VerstandWhere stories live. Discover now