12. Schnößelalarm

11.9K 563 26
                                    

„Vielen Dank für die angenehme Fahrt.", bedankte sich meine Mutter bei dem Fahrer. Naja angenehm wohl eher nicht. Skeptisch stand ich mit verschränkten Armen und hochgezogenen Augenbrauen vor meiner Mutter. Ich meine manchmal ist er so weit über das Tempolimit hinausgefahren, dass ich mein letztes Stündlein schlagen sehen habe.  Und der Typ hat ungelogen jedes Schlagloch mitgenommen. Ein Wunder, dass die Reifen überlebt hatten. Nicht auszumahlen was passiert wäre, wenn ein Reifen geplatzt wäre. Und ein halbes Wunder, dass mein Magen sich nicht geleert hatte. Zusammengefasst: Die schlimmste Taxifahrt meines Lebens. Die Gedanken an das bevorstehende Reiseziel hatte das Ganze nur verschlimmert und nicht zu einer Besserung beigetragen.

Meine Mom drückte ihm eine beachtliche Geldsumme in die Hand. Die hat ihm nicht auch noch Trinkgeld gegeben oder? Zufrieden grinsend drehte er sich zu seinem Auto um und ließ uns vor dem Hafen stehen, wo bereits ein riesiges Kreuzfahrtschiff angelegt hatte. Davor standen verteilte Menschengrüppchen, die sich Stück für Stück auf das Schiff begaben.

„Du hast ihm gerade nicht Trinkgeld gegeben, oder?", vergewisserte ich mich vorsichtshalber.

„Doch klar. Er war doch ein netter Mann.", imaginär klatschte ich mir meine flache Hand gegen die Stirn. Gut, vielleicht mag er nett gewesen sein, aber seine Fahrkünste waren einfach das Letzte. Das musste ihr doch aufgefallen sein. Sie kann manchmal so naiv sein. Ich könnte sie verfluchen, dass ich diese Eigenschaft, Naivität, offensichtlich auch noch von ihr geerbt hatte.

„Er war aber ein grauenvoller Fahrer.", machte ich ihr klar.

„Er hat uns ans Ziel gebracht. Unbeschadet. Das ist doch schonmal was.", gab sie lächelnd zurück. Das Unbeschadet war aber reines Glück. Gott, Mom deshalb gibt man doch kein Trinkgeld.

„Von mir hätte er nichts bekommen.", murmelte ich schlecht gelaunt, zum Boden gewandt.

„Katelynn, kann es sein, dass du dich immer noch nicht so richtig auf diese kleine Reise freust?" Nicht so richtig? Eigentlich gar nicht. Würde es gehen wäre ich schon längst umgedreht und hätte mich verdrückt. Ich hoffe doch es fällt auf, was ich von dem Ganzen hielt.

„Versuche dich wenigstens zu freuen.", seufzte sie und hielt Ausschau nach Jason, auf den wir immer noch warteten. Immerhin hatte er die Pässe und Zimmerschlüssel, plus Nummern. Ohne das Zeug kommen wir schlecht auf das Kreuzfahrtschiff.

„Ich habe es ja versucht, aber für mich hört sich das einfach nach einem langweiligen Trip ins Nirgendwo an."

„Du wirst schon sehen, am Ende bist du heilfroh, dass uns Jason dieses nette Angebot gemacht hat-" Sie kehrte ihren mütterlichen Blick von mir ab und schwieg eine Weile. „Außerdem ist doch auch Jasons Sohn Nickolas dabei.", sie zwinkerte mir verspielt zu.

Gott, so hieß der Schnößel also. Bitte nicht auch noch der. Sie glaubt doch nicht, dass ich mich für den interessieren würde. Nicht mal im Traum.

„Mom!," belehrte ich sie streng.

„Was denn? Er ist doch ein netter Junge und aus gutem Hause." und ein Widerling. Ziemlich pervers und ekelhaft hochnäsig. Genau so Einer, der gerne mit seinem Reichtum prahlt. Wie ich es hasse.

„Nein. Er ist... Schlichtweg nicht mein Typ.", versuchte ich es netter zu umschreiben. Damit war die Sache für mich gegessen. Ich kann nichts Positives an der Situation finden. Nichts.

„Hach bist du stur. Gib dem Jungen eine Chance.", ungläubig starrte ich sie an. Eine Chance? Niemals.

„Es bekommt jeder eine Chance.", lächelte ich zuckersüß, bevor meine Mundwinkel abfielen, „Wenn man sie sich verdient hat"

Meine Mutter schüttelte daraufhin nur mit dem Kopf und suchte weiterhin Jason in der Menge. Langsam könnte er mal kommen. Ich hatte keine Lust noch eine halbe Stunde hier rumzustehen, wie bestellt und nicht abgeholt. Man merkte mir an, dass meine Laune im Keller war. Schlimmer konnte es echt nicht werden.

„Ach Jason, da bist du ja endlich.", als ich meine Mutter rufen hörte, schreckte mein Kopf in die Richtung, wo meine Mutter hinschaute. Ich erblickte sofort Jason mit Nickolas. Na wenn ich mich mit dem -Es geht nicht schlimmer- mal nicht getäuscht hatte.

Mit zwei Koffern und einem breiten Grinsen auf dem Gesicht kam Jason in unsere Richtung gelaufen. Nickolas daneben. Schon jetzt wünschte ich mir, dass ich ein Shirt mit weniger weitem Ausschnitt angezogen hätte. Ich sah genau, wie er seine Augen über meinen Körper gleiten ließ. Widerwertig dieser Typ. Angeekelt verschränkte ich die Arme vor meinen Körper stärker, wenn er mich fast immer so angafft und tiefe Einblicke erhaschen will überlebt er diese Kreuzfahrt nicht. Dann fällt er von Board und ganz zufällig habe ich das nicht gesehen oder keinen Rettungsring zur Hand.

„Jason, Nickolas!", begrüßte meine Mutter die beiden und wuschelte Nickolas durch die, viel zu stark nach hinten gegelten, Haare. Sie waren derart gegelt, dass er sich das Haarewaschen hätte sparen können, da sie jetzt ohnehin wieder fettig aussahen.

„Suzann.", begrüßte er meine Mutter mit einer herzlichen Umarmung. Schon klar, er hatte sie bloß wegen dem geschäftlichen eingeladen. So ein Schwachsinn. Daraufhin gab er mir höflich die Hand, die ich leicht schüttelte. „Katelynn? richtig?"

Ich lächelte gezwungenermaßen zurück und nickte „Bitte nur Kate.", verbesserte ich ihn gleich. Bevor meine Mutter erzählte er soll mich doch bitte immer Katelynn nennen, weil es doch so ein schöner Name sei. Siegessicher grinste ich sie an.

„Schön, dass ihr mitkommen konntet.", merkte er an und schaute in die Runde.

„Musste...", murmelte ich in mich hinein. Zum Glück hatte es keiner gehört. Nicht mal dieser Nickolas, der viel zu nahe bei mir stand. Unauffällig machte ich einen Schritt beiseite. Irgendwie hat er ein komischen Geruch an sich. Dieses Aftershave oder Deo bringt mich fast zum Würgen, ebenso wie sein äußeres Erscheinungsbild. Im Prinzip ist er ja nicht schlecht gekleidet, mit einem Hemd und kurzen lockeren Shorts, doch man sah ihm eindeutig an wie viel Geld er hatte und das mochte ich absolut nicht. Er war kurz gesagt ein Schnößel durch und durch. Ich hatte fast vergessen wie scheiße er doch war.

„Sehr erfreut dich wiederzusehen, Kate.", begrüßte mich nun Nickolas und schmeichelte meiner Mutter ebenso mit einer lächerlich netten Begrüßung. Er hielt mir die Hand hin und ich nahm sie an. Allerdings nur, damit mich meine Mutter nicht mehr so abwartend ansah. Schnell schüttelte ich die verschwitzte Hand und riss sie förmlich von ihm los. Ekelhaft dieser Typ. Den Schweiß wischte ich an meiner kurzen Hose ab. „Freut mich auch.", presste ich gezwungen durch die Zähne.

Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht geschrien, dass er mich gefälligst nicht mehr antatschen soll und es besser auch lässt mich mit seinen Augen halb auszuziehen. Doch das machte ich besser noch nicht. Nicht vor unseren Eltern. Stattdessen versuchte ich in den Verteidigungsmodus zu gehen und den Abstand auszubauen.

„Also wollen wir dann mal an Bord?", fragte Jason,  nach einem kurzen Schwätzchen mit meiner Mutter,  in die Runde. Meine Mutter nickte begeistert und ging mit Jason und ihren zahlreichen Koffern voraus.

Ich folgte ihr seufzend zu dem Schiff und Nickolas wich mir die ganze Zeit nicht von der Seite. Das wird eine klasse Kreuzfahrt, wenn mir auch noch so ein Schnößel am Arsch klemmt. Da war selbst die Ruhe der Langeweile hinfällig. Die hätte ich ohne ihn eventuell noch genießen können. Es war endgültig: Ich werde auf dieser Fahrt sterben.


All we have is NowWhere stories live. Discover now