62. Die letzten Stunden

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Eine Hand strich mir immer wieder durch die Haare, was mich dazu brachte meinen Mund zu einem Lächeln zu verziehen. „Aufwachen, Prinzessin!", hörte ich eine Stimme sanft zu mir herüber flüstern. Nicht nur irgendeine Stimme. Hunters kratzige, raue Morgenstimme, die an meinem Ohr vorbeizog.

Ich schlug meine Augenlider auf. Geblendet von dem hellen Licht um uns herum, kniff ich sie noch ein Mal kurz zusammen bevor ich sie ganz öffnete.

Direkt vor mir sah ich Hunters Gesicht, welches mich lächelnd ansah. „Sag mal schläfst du immer so lang?", hakte er belustigt nach.

„Warum wie spät ist es?"

„Schon fast Zwölf.", erwiderte er lachend. Dieses Lachen, wie ich es liebte und unfassbar vermissen würde. „In Vier Stunden hält das Schiff schon an der Endstation.", fügte er an.

Endstation? In vier Stunden? Das bedeutete ernsthaft, in vier Stunden hätte alles ein Ende. Die Kreuzfahrt wäre vorbei. Ali wäre dann weg, genauso wie Hunter. Verdammt, allein wenn ich daran dachte, dass in wenigen Stunden alles vorbei sein würde, sprang mein Herz entzwei.

Hunter zog mich dichter an sich heran, meinen Kopf an seine Seite, so dass mir sofort wohlig warm wurde. Mich umschloss eine sichere Hülle, die nur etwas mit seiner Nähe zu tun hatte. Nicht etwa mit der Bettdecke, die unsere beiden Körper überdeckte. Alleinig Hunter selbst war für diese Schutzhülle um uns herum verantwortlich. Er war dafür verantwortlich, dass ich mich in diesem Augenblick angekommen fühlte.

Eine angenehme Stille umzog uns. Ruhig, harmonisch und dennoch schwang etwas Unmut mit. Wie die Ruhe vor dem Sturm.

Ich musste die ganze Zeit an Nachher denken. Wie sollte ich mich denn verabschieden? Sollte ich mich überhaupt verabschieden? Eigentlich waren wir ja nicht zusammen und konnten uns offiziell nicht mal ausstehen. Aber eigentlich waren wir ja so etwas wie Freunde geworden, oder?

>Freunde, hinter denen eine Affäre liegt, die dich beinahe zerstört hätte<, fügte meine Gedankenstimme hinzu.

Trotz dessen, dass er mich verletzt hatte -ihm war sicherlich nicht mal bewusst wie stark sich die Schmerzen in meiner Herzregion abgesetzt hatten, da er so gesehen nicht mal wissen konnte wie viel er mir mittlerweile bedeutete - wollte ich ihn nicht verlieren. 

Immerhin war auch er derjenige, der mir die schönsten Momente meines bisherigen Lebens geschenkt hatte.

„Kann ich dich etwas fragen, Prinzessin?", seine Finger strichen durch einzelne Haarsträhnen meiner verfilzten, blonden Haare. Ich wollte lieber gar nicht wissen wie ich gerade aussah. Gut war mit Sicherheit etwas anderes.

Ich stimmte nickend zu und legte meine Hand auf seinen Oberkörper, der immer noch freigelegt unter meinem Kopf lag. Meine Finger begannen leichte Kreise über seiner Brust zu zeichnen.

„Wieso ist das gestern Nacht passiert?"

Ich atmete tief auf.

„Wieso haben wir... du weißt schon...", er kratzte sich unsicher am Hinterkopf. „Warum haben wir miteinander geschlafen, wenn du das überhaupt nicht wolltest?", verwirrt zwirbelte er eine Strähne meiner Haare ein. „Ich wollte dich wirklich nicht dazu zwingen oder für meine Bedürfnisse ausnutzen."

Ich lächelte kurz. 

Er entschuldigte sich schon wieder, obwohl er mich in keinster Weise dazu gezwungen hatte. Zumindest gestern nicht. Im Gegenteil, gestern war ich sogar diejenige, die regelrecht verhindert hatte, dass er aufhörte. Aber wenn ich ihm jetzt sagen würde warum ich das als eines der schönsten Erlebnisse meines Lebens betiteln würde, müsste ich ihm alles erzählen. Meine ganzen Gefühle: Angefangen bei meinem Herz, dass bei seinen Berührungen vor Glück zersprang. Über meinem Kopf, dessen logisches Denken völlig aussetzte sobald ich auch nur eine Sekunde zu lang in seine Augen blickte, weil er in diesen Momenten das Einzige war, an was mein komplexes Synapsensystem denken konnte.

All we have is NowWhere stories live. Discover now