28. Kratzbürstig

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„Können Kate und ich nicht lieber Shoppen gehen?", quengelte Ali und rüttelte mitreißend an meiner Schulter. Ihr schien es, laut ihrer Euphorie, wieder prächtig zu gehen. Ganz im Gegensatz zu mir. Von dem ganzen Gerüttel an meiner Schulter begann ein schwerer spitzer Stein durch meinen Kopf zu rollen, der bei jeder Gelegenheit an meine Kopfinnenseite stieß. Schmerz verzerrten Gesichtes legte ich die Hände an meine Schläfen, um sie leicht zu massieren. Der stechende Schmerz verflog langsam wieder. Doch gerädert war ich trotzdem noch. Scheiß Alkoholkonsum! Hätte ich gestern mal nicht so über die Stränge geschlagen. Dann hätte ich mir den elenden Kater danach erspart und auch so einige Sachen, die im Nachhinein noch eine ganze Stange peinlicher erschienen, wären mit Sicherheit auch nicht passiert. 

Beispielsweise das Gespräch über die Meerjungfrauen oder... naja... Der Kuss. Der irgendwie einer war und dann doch wieder nicht. Ach, keine Ahnung was das war. 

Unauffällig wie möglich schielte ich zu Hunter, der während der, in den Hintergrund gerückten, Diskussion von Ali an dem Auto lehnte und auf den Boden starrte. Selbst wenn ich ihn nur ansah schoss mir diese eine Situation, dieser eine Moment von gestern in den Kopf. Der Augenblick als sich unsere Lippen trafen und er seine immer wieder auf meine gedrückt hatte. Um ehrlich zu sein wusste ich immer noch nicht, was ich davon halten sollte. Geschweige denn, was er damit bezwecken wollte. Inwiefern nützte ihm ein belangloser Kuss etwas, um mich ins Bett zu bekommen?

Zugegeben, viel wusste ich von letzter Nacht nicht mehr. Es war eigentlich alles bloß noch ein unklares, verschwommenes Gedankenbild. Ein blasser Dunst im Hinterkopf. Nicht mal an den Kuss konnte ich mich richtig erinnern. Ich wusste nur, dass es ihn gegeben hatte. Das er sich merkwürdig wohlig angefühlt hatte, bevor ich von meinem Schock überrumpelt wurde. Und, dass es mich absolut durcheinander gebracht hatte. Ich war irritiert. Sowohl wegen seiner nicht nachvollziehbaren Handlung, als auch wegen meinen vermischten Gedanken. Nichts, rein gar nichts, war mehr so klar wie davor. Alles hatte sich innerhalb weniger Sekunden verkompliziert und mich komplett aus der Bahn geschleudert. Das Ganze beeinflusste mich eher negativ als positiv. Glaube ich jedenfalls. 

Wieder durchzuckte ein brennender Schmerz meinen Kopf, so dass ich die Augen gequält zusammenkniff. Kopfschmerzen! Brutale Kopfschmerzen. Alkohol war nie eine gute Sache. Und das wird es nie sein. In zwei Tagen hatte ich gleich zwei neue Lebensziele für meine imaginäre To- Do List gefunden:

Punkt Eins: Niemals wieder zu viel Alkohol trinken! Katergefahr. 

Und zum Zweiten: Hunter bis auf Lebzeiten aus dem Weg gehen. 

Wenn das mal kein guter Plan war, wusste ich auch nicht weiter. 

„Ali, Schluss jetzt! Wir fahren ins Stadion und damit basta!", stellte Brant felsenfest klar. 

„Aber-", weiter kam sie nicht. 

„Ali treib es bloß nicht auf die Spitze. Wir machen heute eben mal etwas, was Hunter interessiert." 

Oh, wer hätte es gedacht. Die schwachsinnige Idee eines Baseballstadions konnte ja auch nur von ihm kommen. 

„Schick ihn ein Mal quer durch La Romana, da sieht er in jeder zweiten Ecke etwas, was ihn 'interessiert'.", motze Ali zurück. Während sie 'interessiert' in Gänsefüßchen setzte. 

Angesichts ihrer Anspielung auf sein machohaftes- Player- Wesen, was praktisch hinter der kompletten weiblichen Rasse hinterher war, erschien mir die Aussage so witzig, dass ich kichernd die Hände über meinem Mund zusammenschlug. Ali hatte ja sowas von recht. 

„Nicht so zynisch, junge Dame.", belehrte Joanna. 

Jetzt klinkte sich auch Hunter ein: „Und außerdem, herzallerliebste Schwester, kann ich im Stadion -Spaß an jeder Ecke- mit Sport verbinden.", er grinste Augen wackelnd: „Was will man mehr?", er zuckte sichtlich zufrieden mit den Schultern. 

All we have is NowWhere stories live. Discover now