48. Entlieben

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Den restlichen Nachmittag waren wir zu dritt über den Markt gelaufen und hatten uns an den verschiedensten Ständen umgesehen. Es war wirklich erstaunlich, welche Vielfalt sich bot. Allein das Essensangebot reichte von normalen Sachen, wie Fisch und Äpfel, bis hin zu den exotischsten Früchten und Gemüsesorten. Sogar Insekten konnte man probieren und kaufen. Hunter hatte ernsthaft eine gegrillte Heuschrecke probiert, um festzustellen, dass sie gar nicht so übel schmeckte wie sie aussah. Natürlich wollte er, dass Ali und ich auch mal versuchten, doch wir konnten nur die Nase rümpfen und wehrten uns mit allen Mitteln. Ich aß doch keine Insekten. In dem Punkt hielten Ali und ich zusammen wie ein Diamantgitter. 

Hunter fand unser, wie er so schön sagte, ‚lächerliches' Verhalten nur zum Lachen. Na herzlichen Dank auch, Arschloch!

Ich war wirklich etwas angeschlagen. Nicht nur, weil er sich prächtig über mein Verhalten bezüglich der Insekten amüsierte, sondern auch wegen der scheiß Aktion vorhin. War ja schön und gut, dass er mich vor meiner Monstermutter gerettet hatte. Aber das hat er auch nur aus egozentrischen Motiven gemacht, um seinen Bedürfnissen nachzukommen.  Nicht, weil ich ihm etwas auf emotionaler Ebene bedeutete.

Das machte mich nicht nur wütend sondern vor allem traurig. Ein beklemmende Gefühl stahl sich in meinen Oberkörper und legte sich auf meinen Brustkorb. Ich fühlte mich wie ein kleines Spielzeug von ihm, also beschloss ich zu schmollen. Auch wenn es extrem kindisch war. Es war nötig, um meine herumschwirrenden Gedanken so gut wie möglich verbergen zu können.

Hunter hatte natürlich trotzdem keine Gelegenheit ausgelassen, um sich hinter Alis Rücken unbemerkt an meine Fersen zu heften. Mehrmals versuchte er mit mir zu sprechen, hatte mich fest mit seinen türkis- braunen Augen im Blick oder seine Schulter oder Hand berührte mich, natürlich rein zufällig, so dass ich meine wie elektrisiert weg zog. Warum war er nur so immens hartnäckig? Konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen und abschwirren? In seiner Nähe fühlte sich alles so verschwommen an. Ich war einfach nicht ausreichend zurechnungsfähig, wenn ich mir seiner Nähe bewusst war.

Seufzend hatte ich versucht, den Weg bis zum Hostel, zu ignorieren. 

Beim Gehen hatte ich mir ein Ziel gesetzt, welches meine jetzige Lage entschärfen würde: Ich musste mich entlieben. So bescheuert es auch klingen mochte. Die Gefühle für Hunter waren und blieben unerwidert. Sie würden mich verletzten und verstümmeln, wenn das so weiter gehen würde. So viel stand fest. Hunter zu lieben war fast die schlechteste Entscheidung, die mein Herz jemals getroffen hatte. Gleich nach Adam.

„Hörst du mir überhaupt zu?", holte mich Ali aus meinen Gedankengängen heraus.

Mein Kopf schreckte nach oben. „Was?"

Die Gedanken an Hunter machen mich noch völlig irre. Meine Seele war drauf und dran wahnsinnig zu werden. 

Ali schüttelte ihren Kopf und zog sich ein schwarzes Oberteil über den Körper. „Ich habe erzählt, dass Joey und ich sobald wir auf dem Schiff sind wieder ein Date haben werden und wenn er nicht die Initiative ergreift, werde ich das definitiv tun.", trällerte sie und zog ihre roten Chucks an. „Ich will endlich wissen, woran ich bei ihm bin.", brummte sie betrübt und ließ sich auf das Bett neben mich plumpsen.

Ja, Joey hatte sie immer noch nicht geküsst. Zwar war sie wirklich froh darüber, dass er mittlerweile wenigstens kleine Annäherungsversuche wagte. Doch mehr als den Arm umlegen und Händchenhalten war wohl noch nicht passiert. Dabei sah ein Blinder, dass die beiden das absolute Traumpaar abgeben würden. 

Ich seufzte und nahm sie in die Arme: „Ali, er mag dich. Mach dir darüber mal keinen Kopf.", versuchte ich sie zu beruhigen. „Er mag dich sogar mehr als du denkst."

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