Kapitel 19

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•Rowan•

Ich knabberte auf meiner Unterlippe herum, nicht ganz sicher, was ich jetzt sagen sollte.

Ja Kade, ich hab einen Job als Bodyguard angenommen um dein Leben zu zerstören, weil mein Boss das so wollte.
Nicht gut.

"Na komm, ich hab auch was erzählt." ermutigte mich Kade, der mein Schweigen wohl falsch interpretierte.
"Oder hast du Schiss?"

Ja.

"Nein, so ist das nicht. Ich weiß nur nicht wo ich anfangen soll..." gab ich verlegen zu, und das war die Wahrheit. In meinem Leben war viel kompliziert gelaufen, ähnlich wie bei Kade.

Er musterte mich kurz stumm, stand dann auf. Sofort vermisste ich seine Hand in meiner, als ob er ein Stück Wärme mitnahm.
"Okay, sammel dich, ich hol uns alkoholfreien Alkohol."

"Ich dachte du trinkst keinen?" fragte ich irritiert, während er in den Kühlschrank griff.

"Tu ich nicht." entgegnete er, kam kurz darauf trotzdem mit einer Weinflasche und zwei Gläsern zurück.
Ich nahm eines der befüllten Gläser und roch daran. Eindeutig Alkohol.

"Nur, weil da alkoholfrei draufsteht, heißt das nicht, dass-"

"Psst. Du wolltest erzählen." unterbrach er mich und trank was.

Verwirrt trank ich auch einen Schluck, überlegte kurz wo ich beginnen sollte und lehnte mich zurück.

"Also, im Gegensatz du deiner Mutter war meine eher das Gegenteil von jung, als sie mich bekam. So um 32 Jahre das Gegenteil." murmelte ich.

Kade sah mich kurz nachdenklich an, man sah ihm an wie er nachrechnete.
"Warte...deine Mutter war 48?!" fragte er schockiert.

Ich nickte meinem Schicksal ergeben.
"Ja, sie hatte ihr Leben lang versucht Kinder zu bekommen. Nach zahlreichen Fehlgeburten hatten die Ärzte ihr gesagt, es sei in ihrem Alter zu riskant, auch weil sie ihr Leben lang kränklich und schwach war, aber nachdem sie die Hoffnung schon aufgegeben hatte, war ich unterwegs."

Kade lächelte kurz. Klar, die Geschichte war schön, bis sie ihr Ende fand.
Als er merkte, dass ich nicht lächelte, sah er mich besorgt an, ließ mich aber weiter erzählen.

"Sie freute sich auf mich, bereitete alles vor und hatte sogar ein Bettchen für mich gebaut, das aussah, als würde ich in einem Zug fahren." In mir zog sich etwas zusammen, um nicht zu weinen trank ich einen großen Schluck Wein.
"Ihre Freude war groß, als sie erfuhr, dass ich gesund war und es mir gut ging, entgegen aller Erwartungen. Doch die Ärzte rieten ihr von einer natürlichen Geburt ab, das Risiko für sie war zu hoch."

Kade schien zu merken worauf die Geschichte hinauslief und verkrampfte sich etwas; diesmal schloss er seine freie Hand in meine.
Dieser Halt tat gut und gab mir die Kraft, weiter zu erzählen.

"Ihr war egal wie ich auf die Welt kam, sie wollte mich bloß gesund in ihren Armen wissen. Als es soweit war, schien auch alles gut zu laufen, bis mehr Blut aus ihr herauskam als gewöhnlich und sie noch während der Geburt immer mal wieder das Bewusstsein verlor. Schlussendlich lag ich doch als frisch geschlüpftes Küken auf ihrer Brust und sie hatte endlich ihr Kind. Sie war bei Bewusstsein und ich ein gesundes Baby."

Kade starrte mich regungslos an.
"Aber? Was ist dann passiert?" fragte er neugierig, versuchte sich aber zu zügeln.

"Sie verlor wieder das Bewusstsein, ihr Kreislauf sackte zusammen und die Nachwehen traten heftiger ein als üblich. Sie starb...von einer Sekunde auf die nächste...niemand war schnell genug ihr zu helfen. Ich lag als Baby auf ihrer Brust und sie starb unter mir..." Zum Schluss hin war meine Stimme kaum mehr ein Flüstern, ich schluckte schwer und auch Kade hatte Tränen in den Augen.

Wir schwiegen, man sah Kade an, dass es ihm unangenehm war, also trank er einen großen Schluck Wein.

"Tut mir leid, dass du- also, dass ich- wegen...dem..." stotterte er hilflos, ich verstärkte meinen Griff um seine Finger.

"Ist okay, wirklich. Es ist lange her." sagte ich bloß, auch wenn mein Gegenüber davon nicht überzeugt wirkte.
Was sollte ich schon machen? Ich kannte sie nie, die Geschichte hatte mein Dad wir immer erzählt.

"Und...was ist mit deinem Vater?" krächzte Kade, der für seine Verhältnisse erstaunlich verlegen und unsicher wirkte.

"Er war schon bei meiner Geburt 57, er starb elf jahre später an einem Herzinfarkt." Was mir erstaunlich wenig ausmachte, da er nie der Vater war, der sich groß für sein Kind interessierte oder sich kümmerte. Er akzeptierte, dass ich da war, fütterte mich und unterschrieb meine Zeugnisse, mehr aber auch nicht.
"Ich wanderte von Pflegefamilie zu Pflegefamilie, aber ich war allen schon zu alt und zu...resigniert."

"Das tut mir so leid, Rowan." sagte Kade leise, in seinen Augen erkannte ich Mitleid und Führsorge.

"Ist wirklich okay, ich komme klar."

"Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast." fügte er hinzu und lächelte leicht.

Jetzt musste ich auch leicht lächeln.
"Ich auch..."

Die Stille nun war nicht unangenehm, sondern schön und angemessen. Die Dunkelheit des Sommerabends ließ uns ruhig werden und regte zum schweigen an.

Mit Kade zu reden war wirklich schön, es fühlte sich an, als würde wir uns schon ewig kennen.

•••

Bodyguard || BoyxBoy [Beendet]Where stories live. Discover now