Gebieter über die Zeit

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Gott als Schöpfer von Raum und Zeit ist nach biblischer Ansicht auch der Herr über das an Raum und Zeit gebundene Geschehen, also Herr über die Geschichte. „Er hat bestimmt, wie lange jedes Volk bestehen und in welchen Grenzen es leben soll" (Apostelgeschichte 17,26).

So sagte Jesaja auf Geheiß Gottes das Ende des Reiches Moab voraus: „Alle eure hohen und starken Befestigungen, ihr Moabiter, wird er niederreißen und dem Erdboden gleichmachen" (Jesaja 25,12). Das Volk der Moabiter wohnte östlich des Toten Meers im Gebiet des heutigen Jordanien. Der Hauptgott war Kemosch, dem die Moabiter auch Menschenopfer darbrachten. Bei der Eroberung von Kanaan, dem biblischen Namen Palästinas, verbot Gott den Israeliten, Moab anzugreifen. Erst König David blieb es vorbehalten, die Moabiter, wie vorhergesagt, zu besiegen und seinem israelischen Großreich einzuverleiben.

Ca. 3.000 Jahre später, am 20.1.1942, wurden auf der Wannsee-Konferenz von den Nationalsozialisten Maßnahmen zur Ausrottung der europäischen Juden, die sogenannte Endlösung der Judenfrage, beschlossen. Ein Jahr später kapitulierte die in Stalingrad eingeschlossene 6. Armee unter Generalfeldmarschall Paulus, womit der Zusammenbruch der deutschen Wehrmacht an der Ostfront eingeleitet wurde. Deutschland sank in Schutt und Asche, verlor seine Ostgebiete und war über 40 Jahre geteilt. Gott hätte aufgrund der großen Schuld des Holocaust das ganze deutsche Volk vernichten können, war aber mit ihm barmherzig. Gott blieb nicht verborgen, dass sich die Regierung der Bundesrepublik Deutschland der großen Schuld am jüdischen Volk bewusst war und nach Versöhnung mit dem 1948 gegründeten Staat Israel strebte. In der Deutschen Demokratischen Republik dagegen spielte die Aufarbeitung des Holocaust eine untergeordnete Rolle.

Gott als Herr über die Zeit geht mit ihr ganz anders um als wir Menschen. So war Jesus schon über dreißig, als er mit seiner Verkündigung begann, und nur ca. drei Jahre als Wanderprediger aktiv. Nach menschlichem Ermessen handelt es sich hierbei um Zeitverschwendung, weil Jesus viel mehr Zeit fürs Predigen und Heilen gehabt hätte, wenn er bereits im Alter von zwanzig mit dem Wirken angefangen hätte. Gott jedoch hatte andere Gedanken mit seinem Sohn.

Auch David musste 8 Jahre auf der Flucht in der Wildnis verbringen, nachdem er aus Neid von König Saul vertrieben worden war. Da David jedoch Gott vertraute, haderte er nicht mit seinem Schicksal und sollte später der größte König werden, den Israel je gehabt hatte. Genauso braucht der Mensch, der berufs- oder krankheitsbedingt eine längere Auszeit nehmen muss, nicht zu verzweifeln. Gott kann ihn wie David nach längerer Zwangspause innerhalb kürzester Zeit nach oben bringen.

Gott teilt dem Menschen eine bestimmte Lebenszeit zu. „Die Jahre eines jeden Menschen sind gezählt; die Dauer seines Lebens hast du festgelegt. Du hast ihm eine Grenze gesetzt, die er nicht überschreiten kann" (Hiob 14,5). Gott kann das Leben eines Menschen aber auch über das vorgesehene Maß hinaus verlängern, wie es beim todkranken König Hiskia der Fall war (2. Könige 20).

Aus biblischer Sicht ist die Zeit kein Kreislauf, in welchem alles wiederkehrt und sich wiederholt, sondern von linearer Natur. Jeder Mensch wird in die Zeit hineingeboren und muss sie eines Tages wieder verlassen. Der Sinn der Zeit liegt aus christlicher Sicht darin, dem Menschen die Suche nach Gott zu ermöglichen. Wer im Lauf seines Lebens zur Erkenntnis gelangt, dass Gott sich in seinem Sohn Jesus offenbart hat und Erlösung durch seinen Opfertod anbietet, hat die Lebenszeit bestens genutzt. Ein solcher Mensch ist, wie die Bibel sagt, vom Tod zum Leben durchgedrungen, was Jesus als Wiedergeburt bezeichnet.

Zeiträume haben in der Bibel eine besondere inhaltliche Bedeutung. Ein Zeitraum von sieben Jahren bezeichnet ein abgeschlossenes, vollkommenes Ganzes wie das Werk der Schöpfung oder die Siebentagewoche. Der Zeitraum von vierzig Jahren wird oft für das Abbüßen einer Schuld mit anschließender Erneuerung des Verhältnisses zu Gott verwendet. So regnete es während der Sintflut vierzig Tage lang. Vierzig Jahre zogen die Hebräer wegen ihres Ungehorsams durch die Wüste, ehe sie das Gelobte Land erreichten. Vierzig Jahre mussten sie später unter der Herrschaft der verfeindeten Philister leben. Es ist nach meiner Ansicht kein Zufall, dass Deutschland nach dem Weltkrieg und Holocaust vierzig Jahre lang geteilt war.


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