Von Wölfen im Schafspelz

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In die Christenheit schlich sich die vielen Jahrhunderte hindurch bis in die Jetztzeit auch das Böse ein. Von der mittelalterlichen Inquisition haben wir bereits gehört.

Die sieben Kreuzzüge des 12. und 13. Jahrhunderts sind ein weiteres Beispiel für Unrecht, das von der Kirche ausging. Das Massaker der Kreuzritter an den Muslimen und Juden bei der Eroberung Jerusalems 1099 bleibt besonders im Gedächtnis. Papst Urban II. hatte die Kreuzzüge mit einem Aufruf vier Jahre vorher initiiert. Ihre offizielle Mission war die Befreiung der heiligen Stätten in Palästina aus den Händen der Ungläubigen. Der Papst sicherte allen Teilnehmern zu, im Falle des Todes auf dem Schlachtfeld direkt in den Himmel zu kommen. Für die Menschen, die sich den Kreuzzügen anschlossen, standen eher profane Motive wie Reiselust oder die Gier nach Schätzen im Vordergrund. 

Mit den Kreuzzügen gingen Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung, vor allem im Rheinland, einher. Diese Gewalttaten wurden allerdings selten von der Ritterschaft begangen, sondern von den mitziehenden armen Volksmassen, die mit Knüppeln, Äxten und Messern bewaffnet waren. Diese große Menschenmenge kampierte abseits des Ritterheers.

Mit der Hafenstadt Akkon ging 1291 die letzte christliche Bastion im Heiligen Land verloren. Die sinnlosen Kreuzzüge mit ihren hunderttausenden Toten waren zu Ende. Es dauerte bis ins 20. Jahrhundert, ehe vom Vatikan offiziell für die Untaten der Kreuzritter um Vergebung gebeten wurde.

Ein weiteres dunkles Kapitel der Kirchengeschichte sind die verdorbenen Päpste der Renaissancezeit. Sie machten dem typischen Wesen der Epoche alle Ehre: dem Streben nach Macht und Besitz.

Begonnen hatte diese Ära des Papsttums mit Sixtus IV. (1471 - 1484). Er machte sich einen unsterblichen Namen durch den Bau der Sixtinischen Kapelle, die später von Michelangelo mit seinen berühmten Fresken geschmückt wurde. Ansonsten war Sixtus IV. korrupt und verkaufte gern geistliche Würden. Er war Mitwisser eines Anschlags während eines Hochamts im Florentiner Dom. Die päpstlichen Neffen wollten dabei zwei Medici-Brüder aus dem Weg räumen, um danach die alleinige Herrschaft in Florenz übernehmen zu können. Die Neffen warben für das Attentat zwei Priester an. Als die Messebesucher während der Eucharistiefeier in Andacht versunken waren, stachen die Priester auf die Medici-Brüder ein. Giuliano fiel tödlich getroffen zu Boden. Lorenzo wurde nur leicht am Hals getroffen und konnte den folgenden Dolchstoß mit seinem Mantel abwehren. Dann floh Lorenzo in die Sakristei. Als Papst Sixtus IV. vom fehlgeschlagenen Anschlag erfuhr, soll er vor Wut über das Versagen der Mörder getobt  haben. 

Der nachfolgende Papst Innozenz VIII. (1484 - 1492) war ein großer Förderer der Hexenverfolgung. Er ließ zudem im Vatikan eine öffentliche Hochzeit für seinen 35-jährigen Sohn mit einer Medici, der 14-jährigen Maddalena, abhalten. Papst Innozenz VIII. wird nachgesagt, sieben uneheliche Kinder gehabt zu haben.

Der schlimmste der Renaissance-Päpste war jedoch sein Nachfolger, Papst Alexander VI. (1492 - 1503). Er stammte aus dem spanischen Adelsgeschlecht der Borgia, das anfangs des 15. Jahrhunderts nach Italien gekommen war. Rodrigo Borgia, wie Alexander VI. eigentlich hieß, nahm schon als junger Kardinal begeistert an Orgien teil. Als er durch Simonie, den Kauf der Papstwürde, auf den Heiligen Stuhl kam, setzte Alexander VI. seine Orgien, an denen Prostituierte teilnahmen, fort. Ab 1498 hatte er eine Liaison mit der jungen Landadligen Giulia Farnese. An sie erinnert noch heute eine Marmorstatue neben dem Hauptaltar des Peterdoms.

Die Brutalität des Papstsohnes Cesare Borgia war gefürchtet. Vor ihm zitterte selbst der Vater. Aus Machtstreben ließ Cesare Borgia mehrere Verwandte umbringen und stieg bis zum Herzog und Kardinal empor.

Die Reformation, die 1517 von Martin Luther ausging, hatte sich die Kirche durch das liederliche Leben der Renaissance-Päpste selbst zuzuschreiben. Martin Luther wurde mit dem intriganten Papsttum groß. Das Unrecht der Kirche hinterließ tiefe Spuren in ihm, wie auch bei den schweizerischen Reformatoren Zwingli und Calvin. Eine Erneuerung der Kirche schien dringend angebracht. Nach wenigen Jahrzehnten hatte sich die Reformation mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 schließlich durchgesetzt. Die von der katholischen Kirche eingeleitete Gegenreformation hatte zwar weite Gebiete für den katholischen Glauben zurückgewinnen, aber die Spaltung der Kirche nicht mehr verhindern können.

Das 1. Vatikanische Konzil vom Dezember 1869 bis September 1870 erwies sich ebenfalls als ein unrühmliches Geschehen in der Kirchengeschichte.

Die Kirche steckte zur damaligen Zeit in einer tiefen Krise. Die Religion wurde von den Intellektuellen verspottet und war dem Volk völlig gleichgültig. Lediglich der Adel tolerierte die Kirche noch halbwegs. Papst Pius IX. erkannte diese Stimmung in der Gesellschaft nicht. Er ignorierte die große Not des Arbeiterstands und richtete sich sogar gegen den technischen Fortschritt wie Gaslaternenbeleuchtung oder die Eisenbahn.

Während des Konzils wurde das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit festgelegt. Der Papst ist demnach in seinen Lehren mit der Gnade der Unfehlbarkeit, der Freiheit von Irrtum, ausgestattet. Der Heilige Vater hatte sich damit von der übrigen Menschheit abgesetzt und auf eine Stufe mit Gott gestellt. Nach biblischer Lehre ist aber jeder Mensch ein Sünder: „Doch es ist kein Mensch auf der Erde so gottesfürchtig, dass er nur Gutes tut und niemals sündigt" (Prediger 7,20).

Dieses Dogma der Unfehlbarkeit wurde von einer kleinen Zahl Katholiken aus dem deutschsprachigen Raum abgelehnt. Es kam zum Streit. Daraufhin ließ Paps Pius IX. die Bischöfe durch die Geheimpolizei des Jesuitenordens bespitzeln und ihre Zimmer durchsuchen. Briefe wurden beschlagnahmt. Der Papst beschimpfte die abweichenden Bischöfe als Esel und Verleumder. Die Auseinandersetzung eskalierte und die Gegner des Beschlusses traten aus der katholischen Kirche aus. Auf Initiative von Ignaz von Döllinger, eines Münchner Theologieprofessors, wurde die Altkatholische Kirche gegründet. Diese wandte sich auch gegen das Zölibat und zeichnet sich dadurch aus, dass die Gemeinde auf demokratische Weise ihre Pfarrer und Bischöfe selbst wählt. Heute hat die Altkatholische Kirche weltweit rund 70.000 Mitglieder.

In der Stunde der Abstimmung über das Unfehlbarkeitsdogma tobte ein äußerst heftiges Gewitter, was viele als Protest des Himmels verstanden. Zudem brach einen Tag nach Verkündigung des Dogmas der Deutsch-Französische Krieg aus. Der Papst hatte sich mit seinem Beschluss zu einem Übermenschen erklärt, was unwillkürlich an die Philosophie von Friedrich Nietzsche erinnert.



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