Die Mär vom Fegefeuer

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Das Weltbild des Mittelalters zeigt sich besonders deutlich in dem Hauptwerk des italienischen Dichters Dante Alighieri (1265 - 1321), die „Göttliche Komödie". Die Hauptperson des Buches ist Dante selbst. Er unternimmt eine spirituelle Reise in die Hölle, durchs Fegefeuer, ins Paradies und schließlich himmelaufwärts zu Gott. Zu  Beginn dieser Reise ist Dante 35 und vom Leben gefrustet. Es ist der Karfreitag des Jahres 1300.

Die erste Station der Reise führt in die Hölle, ein riesiger Trichter, der sich durch Luzifers Sturz aus dem Himmel in die Erde gebohrt hat. Über dem Tor zur Hölle prangt in dunklen Buchstaben: „Lasst alle Hoffnung fahren, die ihr hier eintretet". Zusammen mit dem römischen Dichter Vergil passiert Dante das Tor. Dort kommen sie in die Finsternis, überall sind schreckliche Schreie zu hören.  Je tiefer Vergil und Dante ins Erdinnere vordringen, desto schlimmer sind die Höllenqualen an den Menschen. Man sieht auf Bratspieße in Pech getauchte Sünder oder Fresser, die in den eigenen Exkrementen hocken.

Unten in der Hölle angekommen, gelangen die beiden Besucher durch einen langen Gang auf die andere Seite der Erdoberfläche, wo sie sich wieder unter freiem Himmel befinden. Sie stehen vor dem Läuterungsberg, den ein riesiger Pilgerstrom zur Läuterung der Seele besteigt. Auch Vergil und Dante machen sich auf den Weg zum Gipfel. Sie müssen eine Flammenmauer, ein Sinnbild für das Fegefeuer, durchschreiten, ehe sie das irdische Paradies erwartet. Dort trifft Dante seine wunderschöne Geliebte Beatrice, die er zu einer Heiligen erhoben hat. Überall blühen Blumen, und die Vögel zwitschern. Vergil verabschiedet sich. Zusammen mit Beatrice schwebt Dante in den Himmel, wo sie das ewige Licht, die Liebe als Wesen Gottes, erblicken. Innerlich gewandelt kehren sie auf die Erde zurück.

Durch die „Göttliche Komödie" bekommt man einen hervorragenden Einblick in die theologische Gedankenwelt des Mittelalters. Bei der Lehre des Fegefeuers handelt es sich um ein Relikt aus dieser mittelalterlichen Vorstellung. Die Heilige Schrift sagt eindeutig, dass durch die Macht Jesu alle Menschen, die ihm vertrauen, Vergebung ihrer Schuld empfangen. Und zwar vollständige Vergebung (Apostelgeschichte 10,43). Der Einzelne muss seine Sünden nicht im Leben und nicht nach dem Tod im Fegefeuer abbüßen, wie es die katholische Kirche lehrt.

Die Lehre vom Fegefeuer findet sich nirgendwo in der Bibel. Unter dem Einfluss griechischer Philosophen kam es im Mittelalter zur Irrlehre, dass niemand gerecht genug sein könne, um direkt nach dem Tod ins Paradies zu kommen. Daher brauchte man einen Zwischenort, wo die Menschen von ihren Sünden gereinigt würden: das Fegefeuer. Je nachdem, wie gerecht jemand auf Erden war, rechnete man damit, dass die Zeit im Fegefeuer einige Jahre oder Millionen von Jahren dauern könne.


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