Menschen mit Vertrauen (3)

52 1 0
                                    

Paul Gerhardt ist einer der bedeutensten deutschsprachigen Kirchenlieddichter. Ein ungewöhnlicher Glaubensheld, der unzähligen zerbrochenen und am Leben verzweifelten Menschen ein Helfer war und immer noch ist.

Paul Gerhardt wurde 1607 in Gräfenhainichen bei Dessau geboren, wo sein Vater das Amt des Bürgermeisters innehatte. Als Paul Gerhardt zwölf war, starb sein Vater, zwei Jahre später die Mutter. 1637 verlor Paul Gerhardt im Dreißigjährigen Krieg seinen ererbten Besitz mit Wohn- und Gasthaus, als die Schweden Gräfenhainichen zerstörten.

Nach dem Krieg hatte Paul Gehardt keine große Lebensperspektive. Er hatte Theologie studiert, doch niemand brauchte ihn in seinem Pfarrersberuf. Die meisten Kirchen waren im Dreißigjährigen Krieg zerstört worden, viele Landstriche waren entvölkert. Paul Gerhardt war schon 44, als ihm endlich eine Pfarrstelle in Mittenwalde südich von Berlin übertragen wurde. Mittenwalde hatte im Dreißigjährigen Krieg furchtbares Leid erfahren. Die Stadt war mehrmals geplündert und niedergebrannt worden, dazu hatte die Pest gewütet, sodass nur ein Viertel der Bevölkerung übrig geblieben war. Den letzten Pfarrer in Mittenwalde hatten die Schweden vor dem Altar erschossen, als der Geistliche seine Kirche schützen wollte. Paul Gerhardt trat also ein schweres Erbe an.

Im Jahr 1655 heiratete der mittlerweile 48-Jährige die 32-jährige Maria Berthold, die er schon viele Jahre kannte, da Paul Gerhardt in ihrer Familie als Hauslehrer tätig gewesen war. Die große Freude über das erste Töchterchen dauerte nicht lange, da das Kind nach acht Monaten starb. Die schmerzgeplagten Eltern ließen in der Mittenwalder Kirche eine holzgeschnitzte Tafel mit dem Schriftwort aus 1. Mose 47,9 aufhängen: „Wenig und böse ist die Zeit meines Lebens."

Als 50-Jähriger folgte Paul Gerhardt einem Ruf an die Hauptkirche St. Nikolai in Berlin. Ein Jahr später wurde die Tochter Anna Katharina geboren, die nach 14 Monaten starb. Der zwei Jahre später geborene Andreas lebte nur wenige Stunden. Nach so viel Leid fiel die Mutter in eine tiefe Depression, schrieb aber in ihre Bibel: „Herr, du weißt, was ein Mutterherz tragen kann. Darum will ich meine Hand auf meinen Mund legen und schweigen." 1662 wurde dem Paar ein weiterer Sohn geschenkt, Paul Friedrich, der als einziges Kind seine Eltern überlebte sollte. Der drei Jahre später geborene Andreas Christian starb nach sieben Monaten, woraufhin die Mutter Folgendes schrieb: „Soll noch einmal der Todesengel in unser Haus kommen, Herr, dann sende ihn zu mir!"

So geschah es auch. 1668 wurde bei der 45-Jährigen Tuberkulose entdeckt. Paul Gerhardt ließ ihren Beichtvater rufen, der ihr die Vergebung der Sünden zusprach. Geschmückt in einem festlich weißen Kleid nahm Maria Gerhardt Abschied von dem noch keine sechs Jahre alten Sohn und ihrem Mann und bat ihn, aus ihrem handgeschriebenen Heft einige Sterbelieder vorzulesen. Darunter waren auch die Zeilen aus Paul Gerhardts Lied „O Haupt voll Blut und Wunden":

„Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir. Wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür. Wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein."

Getröstet und in Zuversicht auf ihren Heiland Jesus Christus starb die 45-Jährige. Acht Jahre später, im Jahr 1676, folgte Paul Gerhardt ihr nach. Die letzte Zeit hatte er als Pfarrer in Lübben allein mit seinem Sohn Paul Friedrich gelebt.

Neben Martin Luther ist Paul Gerhardt der wichtigste evangelische Liederdichter. Im Evangelischen Gesangbuch finden sich 26 Lieder aus seiner Hand. Einen Einblick in sein eigenes Leben gibt Paul Gerhardt in dem Lied „Ich bin ein Gast auf Erden":

„Was ist mein ganzes Wesen von meiner Jugend an als Müh und Not gewesen? Solang ich denken kann ... "

Die Menschen, die wie Paul Gerhardt still und bescheiden ihren Lebenskampf gegen Resignation und Verzweiflung führen, finden sich vielleicht in den Worten des Liederdichters wieder. Aber zum Glück verharrt Paul Gerhardt nicht in der Hoffnungslosigkeit. In seinem Lied „Befiehl du deine Wege" schrieb er:

„Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann."

Und in dem Weihnachtslied „Ich steh an deiner Krippen hier" dichtete Paul Gerhardt: „Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne ..." und wies damit auf das Licht hin, das mitten in die tiefste Dunkelheit hineinstrahlt und ein verzweifeltes Herz erwärmt.

Unzähligen Menschen brachte Paul Gerhardt Trost. So etwa dem Widerstandskämpfer im Nationalsozialismus Dietrich Bonhoeffer, als er im April 1945 im KZ Flossenbürg einsam in der Zelle saß und auf seine Hinrichtung wartete. Er griff immer wieder zu den Liedern von Paul Gerhardt, las sie und lernte sie auswendig. So konnte sich Bonhoeffer trotz seiner Not geborgen fühlen.


Was steckt hinter allem?Where stories live. Discover now