Alles wird neu (2)

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Jesus geriet mit seiner Botschaft in Konflikt mit den religiösen Gruppierungen der Sadduzäer und Pharisäer, zu denen auch die Schriftgelehrten zu rechnen sind. Die Pharisäer hielten sich streng ans Gesetz. Sie waren die geistlichen Lehrer des Talmuds, einer jüdischen Schriftensammlung. Jesus warf den Pharisäern Heuchelei vor, da sie in ihrer Bemühung, bedingungslos das Gesetz zu erfüllen, kein Erbarmen und keine Liebe kannten. Selbst die unsinnigsten Gebote wurden von ihnen eingehalten. So war es etwa schon ein Vergehen, auf offener Straße mit einer Frau zu sprechen. Deswegen gingen manche Pharisäer mit geschlossenen Augen weiter, wenn sie nur von weitem eine Frau sahen. Dies führte nicht selten dazu, dass sich die Pharisäer die Stirn oder Nase blutig schlugen, was ihnen den Beinamen "Die Blutigen" einbrachte. Dass Menschen wie Jesus sogar mit Frauen sprachen, war für die Pharisäer ein ungeheuerliches Vergehen.

Der Pharisäer ist bis in den heutigen Sprachgebrauch ein scheinheiliger Heuchler geblieben, der Typus des Selbstgerechten. So wird er auch in der Geschichte nach Lukas 18,10-11 dargestellt, wo ein Pharisäer in den Tempel geht, sich ganz vorn hinstellt und betet: „Ich danke dir, Gott, dass ich nicht so bin wie andere Leute."

Die Sadduzäer, der gebildete konservative Adel, waren Gegner der Pharisäer. Die Sadduzäer waren von hellenistischem Gedankengut geprägt und lehnten den Talmud ab. Sie waren darauf bedacht, die alte Ordnung aufrechtzuerhalten und sahen in Jesus eher einen Unruhestifter und Weltverbesserer.

Die Essener waren eine jüdische Glaubensgemeinschaft, die abseits von Jerusalem am Toten Meer in Gütergemeinschaft lebte. Reste einer klosterähnlichen Siedlung sowie Schriftrollen der Essener wurden 1947 im Gebiet Qumran am Toten Meer von einem Hirtenjungen entdeckt. Jesus kannte die Lehre der Essener gut, kann aber mit ihnen nicht in Verbindung gebracht werden. Die Essener schlossen Frauen und Kranke aus, die Jesus in seiner Gemeinschaft besonders willkommen hieß. Zudem lehnten die Essener entgegen der Lehre Jesu die Feindesliebe kategorisch ab.

Auch innerhalb dieser verschiedenen jüdischen Gruppierungen hatte Jesus seine Anhänger. So war der Pharisäer Nikodemus ein heimlicher Bewunderer Jesu und kam öfter in der Nacht zu ihm, um im Gespräch die Botschaft Jesu kennenzulernen. Nikodemus war Mitglied des Hohen Rats, des höchsten Regierungs- und Richterkollegiums der Juden. Dem Hohen Rat stand der Hohepriester vor. In diesem Gremium setzte sich Nikodemus für Jesus ein. Nach seinem Tod bekannte sich Nikodemus öffentlich zu Jesus und half mit, ihn feierlich zu begraben.

Der vornehme Josef von Arimatäa, ebenfalls Mitglied des Hohen Rats und im Geheimen ein Jünger Christi, sah die Verurteilung Jesu als Unrecht an. Für Jesu Beerdigung stellte Josef sein eigenes prunkvolles Felsengrab zur Verfügung (Matthäus 27,57-60). Josef von Arimatäa wurde der Legende nach zugeschrieben, das Blut Jesu in einer Schale aufbewahrt zu haben. Daraus entstand der Mythos vom Heiligen Gral, ein häufiges Motiv in der mittelalterlichen Dichtung.

Jesus hatte zwar ein sanftmütiges Wesen, war aber von eher harter Natur. Das ist sicher auch der Grund, warum Jesus den inneren Kreis der Jünger mit Männern besetzte, die einen ähnlichen Charakter wie Jesus selbst aufwiesen. Neben Simon Petrus wählte er die beiden Brüder Jakobus (der Ältere) und Johannes, der nach biblischer Aussage der Lieblingsjünger Jesu war. Jakobus und Johannes wurden auch aufgrund ihres Temperaments die Donnersöhne genannt. Als etwa die Bewohner eines samaritischen Dorfs Jesus und seinen Anhängern keine Unterkunft gewährten, wollten Jakobus und Johannes in ihrem Zorn Feuer vom Himmel fallen lassen, damit das Dorf vernichtet würde. Daraufhin wies Jesus beide Brüder zurecht. Jakobus und Johannes waren die Cousins Jesu, die Söhne des Zebedäus und der Salome, der Schwester von Jesu Mutter Maria. Die Gene, die eine gewisse Härte im Wesen bedingten, lagen scheinbar in der Familie. Auch die dritte Person des inneren Jüngerkreises, Petrus, galt als gelegentlicher Hitzkopf und war Wortführer von Jesu Anhängern. Dass Jesus im Tempel - wie wir schon gehört haben - die Tische der Geldwechsler umwarf, weil die Händler mit dem Glauben unlautere Geschäfte machten, entspricht durchaus dem Wesen des Gottessohnes. Auch in seiner Wortwahl war Jesus gelegentlich derb: „Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr Heuchler! Ihr seid wie die weiß getünchten Grabstätten: Von außen erscheinen sie schön, aber innen ist alles voll stinkender Verwesung" (Matthäus23,27).

Jesus hat die große Not dieser Welt am eigenen Leib kennengelernt. Mehrmals versuchte man, den Sohn Gottes umzubringen. Die Juden wollten ihn steinigen, ein anderes Mal von einem Felsen hinabstürzen, nachdem Jesus in der Synagoge in seinem Heimatort Nazareth gepredigt hatte. Viele Menschen verkannten Jesus und hielten ihn für einen Spinner, sogar anfangs die eigene Familie. Als seine Angehörigen ihn eines Tages von einer gewaltigen Menschenmenge umringt sahen, sagten sie: „Er hat den Verstand verloren" (Markus 3,21). Jesus litt sehr unter dem ihn ständig umgebenden Menschengewühl. Mehrmals versuchte er, ihm zu entweichen, um etwas Ruhe zu finden. Das schlimmste Leid jedoch, das Jesus erdulden musste, war die grausame Kreuzigung mit den höllischen Schmerzen und dem langsamen Verenden am Kreuz.  Jesus blieb das Elend des menschlichen Lebens nicht erspart.

Was steckt hinter allem?Where stories live. Discover now