Prolog

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Schweigend saßen wir auf dem kaputten Holzboden in Jos Baumhaus. Keiner wusste was er sagen sollte. Die Anspannung war deutlich zu spüren.
Das war sie schon seit zwei Monaten.

Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ich an die Nacht vor zwei Monaten dachte.

Ich hatte bei Fiona übernachtet. Wir hatten eine typische Girls-night geplant. Es wird lustig, hatte Fiona gesagt. Hätte ich gewusst, dass es das absolut nicht so sein würde, hätte ich im Leben nicht meinen Fuß in das Haus unserer Nachbarn gesetzt.

Wir hatten uns grade, mit Haribos bewaffnet auf ihr Bett geschmissen, als von Unten ein spitzer Schrie ertönte. Eine Weile blieben wir sitzen, beruhigten uns damit, Isabella hätte einen Teller fallen lassen.

Doch als wir das Gebrüll hörten und es immer lauter wurde, ließen wir alles stehen und liegen und rannten runter. Ich erinnere mich daran, wie ich in Fiona rein gelaufen war, da sie zu geschockt war, um weiter zu gehen.

Und spätestens, als ich sah, was sie dazu brachte, stiegen mit dir Tränen in die Augen.

,,Was habt ihr gemacht?"schrie Fionas Vater seinen Sohn an. Doch, obwohl er schrie, obwohl seine Stimme noch immer im Flur hallte,  nahm ich ihn nicht wahr.
Ich sah nur Aiden und Jo, die eingeschüchtert im Eingang standen.

Die weit aufgerissen Augen und die blasse Haut ließen sie unnatürlich krank aussehen. Doch das, was wohl am meisten schockierte, waren die unzähligen großen Wunden auf ihrer Haut.

Die Brust, die Arme und das Gesicht der Beiden waren voll mit großen, blutigen Schrammen. Aiden hatte eine Platzwunde am Kopf und an der Augenbrauen. Jos Lippe war aufgeplatzt und sein Arm war seltsam verbogen.

,,W-Wir müssen zur Po-lizei."stammelte Aiden und wischte sich das Blut von der Stirn. Nun war seine ganze Hand rot. Mir wurde schwindelig. Augenblicklich wünschte ich mich nach Hause.

Bitte lass mich jetzt aufwachen, dachte ich.

Dieser Anblick hatte sich auf Ewig in mein Gehirn gebrannt.

Wir wussten bis heute nicht, was in dieser Nacht passiert war.
Und keiner hatte vor uns aufzuklären.

Fiona und ich verbrachten jede freie Minute zusammen. Fantasierten darüber, was passiert war. Doch wir blieben erfolglos.

Dass wir sauer waren, war den Beiden klar und das schien sie auch nicht zu interessieren. Wie alles im Moment. Ihre Blicke waren leer und abweisend und genau das machte mir unglaubliche Angst.

Aiden räusperte sich und unterbrach die Stille. ,,Ich...Also, ich wollte euch sagen, dass...ich gehe nach Amerika."

Er knallte es uns einfach ins Gesicht, als wäre es keine große Sache, als würde es uns kein bisschen interessieren. Die blanke Wahrheit.

Erneutes Schweigen. Nur jetzt, versuchte jeder das Gesagte zu verarbeiten. Mein Herz blieb für kurze Zeit stehen.

Er wollte uns also einfach stehen lassen, ohne uns die Wahrheit über diese eine Nacht zu sagen. Einfach einen neuen Weg einschlagen, ohne uns.

Fiona atmete zittrig aus. Ich hätte es wohl auch getan, wenn ich die Luft nicht abgehalten hätte. Dann sprang sie auf und schlug das kleine Türchen am Boden auf.

,,Du bist so ein Arschloch, Aiden! Ihr Beide seid Arschlöcher. Seit wir klein waren dachte ich, wie wären beste Freunde. Ich dachte du wärst mein Bruder! Ziemlich naiv nicht wahr? Denn soll ich euch mal was sagen? Ein Bruder, beste Freunde verschweigen sich nichts."

Schnell atmete sie einmal tief durch, um sich zu fassen. ,,Weißt du was? Pack dein scheiß Geheimniss ein und verpiss dich!"

Und das hatte Aiden auch getan. Die Beiden hüteten ihr Geheimniss, wie Löwen ihre Babys.

Nun war Aiden weg. In einem anderen Land. Auf einem anderen Kontinent. Und Jo? Es war, als hätte es ihn nie gegeben. Er meldete sich nicht. Es fühlte sich an, als hätten wir ihm nie etwas bedeutet.

Es war ungefähr ein Monat nach Aidens Abreise, als ich es endlich realisierte:

Diese eine Nacht hatte unsere Freundschaft zerstört.

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