Kapitel 39

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Ich hatte mich heute wieder mit Fiona verabredet. Wir wollten gemeinsam Abikleider suchen. Eigentlich waren wir schon viel zu spät dran. Schließlich war unser Abschluss schon in zwei Monaten. Außerdem wollten wir nebenbei auch noch kleine Geschenke für unsere Mütter besorgen. Am Sonntag, also morgen, war Muttertag.

,,Sorry, ich habe es voll verpennt. Ich muss mich noch schnell fertig machen."entschuldigte sich Fiona, als sie mir die Tür öffnete und rannte sofort wieder die Treppe hoch.

Da ich wusste das 'schnell' bei Fiona nicht wirklich schnell war, lief ich in die Küche und wollte mir etwas zu Trinken holen. Nur hatte ich nicht damit gerechnet, dass ich dabei auf Aiden stoßen würde.

Wie letztes mal, als ich ihn gesehen hatte, saß er am Tisch. Vor ihm dampfte eine große Tasse Kaffee.

,,Hallo."kam es mir über die Lippen. Aiden nickte zur Antwort nur einmal. Es würde dumm kommen, wenn ich jetzt einfach umdrehen würde. Also holte ich mir ein kaltes Getränk aus dem Kühlschrank und schüttete es in ein Glas.

,,Können wir kurz reden?"fragte er plötzlich. Überrascht drehte ich mich um. Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass er mich ansprechen würde. Um so größer wurde die Hoffnung, dass er sich Versöhnen wollte.

Mit meinem Glas setzte ich mich ihm Gegenüber. Aiden hatte den Blick starr auf die Tasse gerichtet, die er vor sich mit den Fingern in Kreis drehte.
,,Ich habe nicht mit Amber geschlafen."sagte er dann einfach so, ohne Einleitung oder irgendetwas, dass mich auf das Thema vorbereitete.

,,Wir haben uns geküsst, ja. Besser gesagt sie hat mich geküsst und damit hat alles angefangen. Ich habe dann zögernd mitgemacht."erklärte er. Er sprach so emotionslos und monoton wie ein Roboter und das machte mir Angst.
,,Irgendwann hat sie sich ihr Shirt ausgezogen. Aufeinmal ist alles so schnell gegangen. Aber ich habe sie noch rechtzeitig aufgehalten."

Er schien seine nächsten Worte mit bedacht zu wählen. Als wüsste er nicht, ob er es mir wirklich sagen sollte. Kurz öffnete er seinen Mund doch schloss ihn genau so schnell wieder, während ich nicht wusste wie mir geschah.

,,Ich konnte es nicht, weil ich an dich denken musste. Sie zu küssen, fühlte sich an, als würde ich dich betrügen. Dabei sind wir kein Paar."gestand er dann. Die ganze Zeit über sah er mich nicht an. Trotzdem fing in mir alles an zu kribbeln.

Plötzlich sah er auf. Genau in meine Augen. Doch sein Blick war so direkt, dass ich kaum merklich zurückschreckte. Seine Augen sahen alles andere als sanft in meine, als er weiter sprach.

,,Sie war so beleidigt, dass sie einfach aufgestanden ist und sich irgendein T-Shirt geschnappt hat, bevor sie abgehauen ist. Das schlimmste ist, dass ich mich nicht einmal schuldig gefühlt habe, weil mir viel wichtiger war, dass du nicht schlimm von mir denkst."

Ich bewunderte Aiden dafür und ich war ihm unendlich dankbar, dass er so ehrlich zu mir war. Nicht mal diese kleinen Gefühle hätte ich ihm preisgeben können. Das war eine Schwäche von mir. Denn vor anderen Gefühle zu zeigen und zu weinen war eine Stärke. Und diese Stärke besaß ich nicht. Mir war es schon immer peinlich gewesen.

,,Den Tag darauf war sie hier, um sich bei mir zu entschuldigen. Ihr tat es Leid, dass sie mich so überfallen hatte. Dabei hat sie überhaupt nichts falsch gemacht. Ich konnte nicht anders, als ihr zu verzeihen. Immerhin hatte sie den Mut ihr Fehlverhalten, das überhaupt keins war, einzusehen und dafür um Vergebung zu bitten und hat nicht versucht das alles vergessen zu machen, indem sie mich ignoriert."fuhr er fort.

Ich wusste, dass er damit auf mich anspielte. Ich hatte ihn einfach ignoriert und immer wieder abgewiesen. Er wollte damals mit mir reden, aber ich war weggelaufen. Er hatte verdammt nochmal recht.
In mir stieg das schlechte Gewissen auf.

,,Und selbst wenn ich mit ihr geschlafen hätte, könnte dir das scheiß egal sein, denn du bist nicht besser."sagte er dann. Doch ehe ich nachfragen konnte, was er damit meinte, sprach er weiter:

,,Ich wollte dir das nur sagen, um dieses Missverständnis aufzuklären, nicht, um bei dir wieder nach Chancen zu betteln. Wir wissen beide, dass das nie was wird."stellte er dann klar. Es war, als hätte mir jemand mit der Panne auf den Kopf geschlagen.

,,Wahrscheinlich ist es gut so, dass du das beendet hast. Immerhin wissen wir beide, dass es nur noch schlimmer geworden wäre."sagte er dann. ,,Wie meinst du das?"hackte ich atemlos nach.

,,Stell dir vor, das wäre was ernstes geworden. Wir müssten das irgendwie Fiona beibringen." Schulterzuckend richtete er den Blick wieder auf seine Tasse.

Ich wusste, dass er das Gespräch auf Fiona lenken wollte, doch meine Aufmerksamkeit galt dem anderen Satz. ,,Du denkst, das könnte was erstes werden?"

Aiden schien jetzt erst zu begreifen, was er grade gesagt hatte. Er wirkte nun angespannt und unsicher. Einige Minuten sagte er gar nichts. Ich befürchtete schon er würde nichts dazu sagen. Doch nach einiger Zeit seuftzte er auf und sah mich wieder an.

,,Ich habe dir doch gesagt, dass alles zwischen uns echt war. Mag sein, dass du das als 'krankes Spiel' bezeichnest, aber für mich ist...war das viel mehr."sagte er sanft. Mir wurde ganz warm beim Klang seiner Stimme. Wie er diese Wörter aussprach.

,,So war das nicht gemeint. Ich wusste in den Moment einfach nicht wirklich was ich gesagt habe. Das war Schwachsinn."versuchte ich zu erklären. Mein schlechtes Gewissen stieg mehr und mehr.

,,Darauf wollte ich gar nicht hinaus."murmelte er und atmete tief aus, als müsste er sich auf etwas vorbereiten. Ich erkannte an seinen Händen, die er nervös knetete, wie aufgeregt er war.
Und das sorgte dafür, dass ich es ebenfalls wurde.

Wovor hatte er Angst?
In den kurzen Minuten, in denen es ruhig war, schwirrten mir unzählige Gedanken durch den Kopf. Ich fragt mich, was ihn so beschäftigte und wie dieses Gespräch enden würde. Wie würde es dann weiter gehen?

Ich wollte ihn wirklich nicht drängeln. Ich wollte ihm Zeit lassen. Doch das Schweigen und die Tatsache, dass Fiona jeden Moment runter kommen könnte, machten mich ungeduldig.

,,Worauf dann?"hackte ich vorsichtig und ganz leise nach. Ich hatte Angst, wenn ich laut sprechen würde, dann würde ich ihn irgendwie abschrecken.

,,Erst habe ich versucht es dir zu zeigen."begann er langsam. ,,Letztes mal habe ich es angedeutet. Aber trotzdem scheinst du es immer noch nicht begriffen zu haben."

Ich verstand gar nichts. Ich hoffte, dass er es bald aussprechen würde, denn die Spannung war nicht mehr auszuhalten. Aiden sah mir direkt in die Augen als er weiter sprach.

,,Ich habe mich in dich verliebt."


Ich sag nur eins:
Freut euch nicht zu früh....

Damn interesting Where stories live. Discover now