Kapitel 47

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Zwei verdammte Wochen ignorierte sie mich jetzt schon. Wenn wir uns in der Schule oder bei Aiden zufällig über den Weg liefen, konnte ich die Blitze, die sie mir zuwarf schon spüren.

Fiona hatte sogar angefangen mit ihren Eltern zu streiten, weil sie sie zu Vernunft bringen wollten. Seit dem herrschte auch zwischen ihnen dicke Luft.

Und ich fühlte mich schuldig. Weil ich mich verliebt hatte. Weil ich auf mein Herz gehört habe. Ich hatte damit eine Familie zerstört.

Und ja, ich hatte tatsächlich mit dem Gedanken gespielt mich von Aiden zu trennen, weil das für mich in einigen Momenten die einzige Option war.

Aiden stand immer noch zu seiner Ist-mir-egal-Position, dabei sah ich ihm genau an, dass es ihn damit nicht gut ging. Fiona hatte auch mit ihm kein einziges Wort gewechselt und er litt darunter wahrscheinlich noch stärker als ich. Sie war seine Schwester. Irgendwann würde sie ihm verzeihen.

Dieses ekelhafte Gefühl zwischen den Beiden zustehen, erdrückte mich. Es schnürte mir die Kehle zu. Vermutlich würde mich das Aus zwischen Aiden und mir nur noch mehr kränken, denn ich wusste, das würde den Hass von Fiona mir Gegenüber nicht lindern.

Aber in mir brannte die kleine Hoffnung, dass sie Aiden verzeihen würde. Ich wusste, es war dumm und ich hatte keine Ahnung, warum ich das tat, aber ich hatte meinen Entschluss nach reichlicher Überlegung gefasst.

Deshalb stand ich hier nun im Wohnzimmer meiner Nachbarn und versuchte krampfhaft die Tränen zu unterdrücken.

Normalerweise hätte ich das nicht getan, aber Hoffnung war mächtig.
Und so schaffte es sogar dieser kleine Funke in mir meinen ganzen Körper zu steuern.

Aidens bedrücktes Gesicht verriet, dass er schon ahnte, was gleich folgen würde. ,,Sag es bitte nicht."bat er mich, als ich den Mund öffnete, um was zu sagen.

,,Ich muss, Aiden. Sie ist deine Schwester und wenn das hier..." Ich konnte es gar nicht aussprechen.
,,Vielleicht verzeiht sie dir dann. Du kannst mir noch so oft sagen, dass es dir egal ist. Ich sehe, dass es nicht so ist und wie beschissen es dir damit geht."

,,Mir wird es noch beschissener gehen, wenn du das hier jetzt durchziehst." Ich weiß, wollte ich sagen, ließ es aber.

,,Vielleicht haben wir uns das alles nur eingebildet. Ich meine, wir verstehen noch nicht mal, wie es dazu gekommen ist."versuchte ich mir selbst einzureden. ,,Hör auf sowas zu sagen."bat er gequält.

Mein Herz zog sich zusammen. ,,Sky, bitte. Lass uns noch mal vernünftig darüber sprechen. Du willst das doch gar nicht."sagte er, trat ein paar Schritte auf mich zu und wollte mich an der Hüfte zu sich ziehen. Doch ehe auch nur ein Finger mich berüheren konnte, wich ich einen Schritt zurück.

Wenn Aiden mich jetzt anfassen würde, wäre das alles umsonst gewesen. Dann würde ich ihn nicht mehr loslassen können.
Ich hatte ja keine Ahnung, wie sehr ich ihn mit einer einzigen Bewegung verletzten konnte.

Langsam ließ er die Hände sinken und sah mich mit einem leeren Blick an. Für kurze Zeit sah er aus, als würde er anfangen zu weinen. Es zerriss mir das Herz ihn so zu sehen.

,,Aiden, wir wissen Beide, was in diesem Haus momentan vorgeht und wir sind daran Schuld." Meine Stimme zitterte genau so wie meine Hände. Ich versuchte mich wieder zu beruhigen. Dabei vergaß ich die Luft, die ich hacktisch einatmete wieder auszuatmen. Jeder Atemzug klang als wäre ich grade aufgetaucht und brannte höllisch in der Lunge.

,,Und jetzt? Kann man uns zum Vorwurf machen, dass wir uns ineinander verliebt haben?" Neben dem ganzen anderen Emotionen blitzte nun auch Wut in seinen Augen auf.

,,Wir können doch nichts für unsere Gefühle."versuchte er ruhig zu sagen. Er hatte Recht. Aber wir konnten eben nicht nur an uns denken. ,,Aber wir können deswegen nicht alle um uns herum leiden lassen. Denk doch mal an deine Eltern!"erinnerte ich ihn.

Er schien darüber nachzudenken und verstummte kurz. ,,Eine Trennung würde das alles nicht besser machen."flüsterte er dann kaum hörbar. ,,Trozdem scheint mir das die einzige Lösung zu sein."sagte ich.

Aiden starrte die Pflanze, die neben einen Regal stand so wütend an, als wäre sie daran Schuld und schüttelte den Kopf. ,,Ist es aber nicht." Verzweifelt ließ ich den Kopf hängen. ,,Ich fühle mich schuldig, Aiden. Wegen diesen ganzen Schuldgefühle habe ich fast die Prüfungen verhauen. Ich kann nicht mehr schlafen, weil ich so viel nachdenke."

,,Ach, und da hälst du es für eine gute Idee mir das Herz zu brechen oder was? Für mich klingt das nur nach noch mehr Schuldgefühlen."
schnaubte er und sah mich mit verengten Augen an. Er hatte ja recht, aber...

,,Es tut mir leid, Aiden."flüsterte ich erstickt. Ich wollte endlich hier weg. Aidens Gesichtsausdruck schwankte von wütend auf verzweifelt um. Nur in seinen Augen erkannte man jetzt die bloße Trauer. ,,Bitte Sky. Mach das nicht."

Seine Stimme war nicht mehr die selbe. Sie war viel brüchiger, zittriger, leiser und jagte mir eine eisige Gänsehaut über den ganzen Körper. 

Noch einmal sah ich ihn an, ehe ich mich verabschieden wollte. Doch dann wanderten Aidens Augen links neben mir. Er presste die Lippen aufeinander und zog wütend die Nase hoch. ,,Hast du jetzt alles was du willst?"fragte er mit einer kalten Stimme.

Ich sah zu Tür und erkannte Fiona, die verunsichert im Türrahmen stand. Wie viel hatte sie mitbekommen?

Aiden atmete zittrig ein und wischte sich mit der Hand über das Gesicht. ,,Echt toll eine Schwester zu haben, die angepisst ist, wenn man sich verliebt und sich freut, wenn dem eigenen Bruder das Herz gebrochen wird-wegen ihr."

In dem Moment wollte ich besonders nicht an Fionas Stelle stehen. So hatte Aiden sie noch nie angesehen.

,,Weißt du,"fing Aiden an und stellte sich vor sie, ,,Ich hoffe, dass du dich irgendwann mal so verliebst, wie ich mich in Sky. Dann siehst du mal, wie schön und schmerzhaft das gleichzeitig sein kann."

Mir fehlte die nötige Luft zum Atmen.  Es war, als würde Aiden an einem unsichtbaren Seil ziehen, dass er um meine Kehle gebunden hatte. Nur wusste er nichts von diesem Seil.

Schnell machte ich kehrt und lief zur Haustür. Nicht weinen, nicht weinen, nicht...ach scheiß drauf.

,,Sky!"hörte ich Aiden mehrmals rufen und auch, als ich im Flur meines Hauses stand, klopfte er an die Tür.
Und einmal glaubte ich ihm sogar schluchtzen zu hören als er meinen Namen rief.

,,Sky bitte." Er klopfte nun leiser an die Tür, als würde er schwächer werden. ,,Sky."

,,Ich brauche dich doch."

Ähm...ja....

Findet ihr es schlimm, wenn Männer/Jungs weinen?

Damn interesting Where stories live. Discover now