Kapitel 17

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Jubelnd schreie ich auf, als wir es endlich geschafft haben, das Zelt aufzubauen. Dann erblicke ich den Jungen vor mir, der hinein klettert und unsere Sachen darin verstaut. Als er damit fertig ist, steht er wieder auf, klopft sich den Dreck von der Hose und dreht sich zu mir um.

Aiden.

Grinsend kommt er auf mich zu. Ich grinse zurück, sehe ihm fest in die Augen und lasse zu, dass er seine Hände auf meine Taille legt. ,,Dreh dich um."befielt er mir. Ich tue, was er sagt und sehe den großen Berg hinab. Unglaublich!

Aiden umarmt mich von hinten und küsst mich ganz sanft unter das Ohr.

Plötzlich sind wir nicht mehr Draußen. Wir liegen im Zelt, doch auf eine seltsame Art und Weise konnte ich trotzdem in den dunklen Sternenhimmel sehen. ,,Wow,"staune ich, ,,es ist wunderschön."

Ich spüre, wie Aiden sich zu mir dreht. ,,Genau, wie du." Seine Worte lösen eine süße Wärme in mir aus. Lächelnd sehe ich ihn an.

Und dann kommt er mit immer näher. Immer und immer näher. Und noch näher...

Ich merkete, wie irgendwas an meinem Rücken drückte, blinzelte einpaar mal und sah mich anschließend im dunklen Zimmer um.

,,Och Mann!"stöhnte ich genervt und schubste Fiona an der Schulter, die mir ihren Hintern in den Rücken bohrte. ,,Warum kannst du nicht schlafen, wie ein normaler Mensch?"rief ich verzweifelt. Langsam reichte es mir. Ja verdammt, es waren bisher nur drei Nächte. Aber ich hielt es keine weitern drei mehr aus.

,,Fiona!"schrie ich auf, als sie nur grummelnd reagierte. Ich wollte sie von Bett schubsen, wollte, dass sie mal wegen mir aufwachen musste und nicht andersrum. Ich wollte einfach nach Hause, in mein Bett.

Beruhig dich, ermahnte ich mich selbst. Seuftzend setzte ich mich auf und stützte meinen Kopf auf meine Hände. Mein Kopf war so schwer.

Langsam wurden meine Gedanken klarer. Geschockt riss ich die Augen auf, als mir mein Traum wieder in Erinnerung kam. Ich hatte von Aiden geträumt. Wir hatten uns fast geküsst.

Träumt man nicht immer das, was man sich am meisten wünscht?

Wünsche ich mir, dass Aiden mich küsst, dass wir zusammen auf Reisen gehen?

Nein, dachte ich. Es gab auch sowas, wie Alpträume. Die wollte man ganz sicher nicht erleben.

Doch umso mehr ich darüber nachdachte, desto mehr gefiel mir die Vorstellung. Aiden hatte schon viel erlebt und kannte sich mit Reisen aus. Er war einfach der perfekte Mensch dafür. Doch war er auch der perfekte Mann zum Küssen? Es hatte sich im Traum so gut angefühlt.

Hör auf! Aiden ist mein bester Freund. Zumindest war er das. Der Bruder meiner besten Freundin. Mein Bruder, oder?

Schnell stand ich auf und zog mir was an. Ich brauchte dringend frische Luft.

Aiden war nicht in Wohnzimmer. Wahrscheinlich in Bad, denn die Terassentür war zu. Ich versuchte sie leise zu öffnen, doch ein kurzes Ouitschen ertönte doch.

,,Mist."zischte ich und kniff die Augen zu. Dann schlüpfte ich schnell durch den kleinen Spalt.

Ich schloss die Augen wieder, ließ den kalten Wind über meine nackten Arme streifen und versuchte, meine Gedanken zu sortieren.

,,Guten Morgen."hörte ich jemanden sagen. Jemanden, den ich grade nicht sehen wollte, weil dieser jemand meine Gedanken durcheinander brachte.

Ich drehte mich nicht um und schwieg. Es war gemein, weil er mir eigentlich nichts getan hatte, aber meine Gedanken waren zu laut. Ich konnte ihn grade nicht antworten. Auch, wenn es noch so simpel war.

,,Du zitterst."Ich spürte, wie er sich hinter mich stellte. ,,Sky?" Dann legte er seine Hand auf meine Schulter, damit ich mich umdrehe. Doch das tat ich ebenfalls nicht.

Aiden seuftzte leise. Plötzlich stellte er sich vor mich. So dicht, dass mir seine breiten Schultern die Sicht versperrten. ,,Ist alles gut?"

Nein. Warum war er aufeinmal so anders zu mir. Er behandelte mich doch nicht, wie eine beste Freundin, oder wie eine Schwester. Oder deute ich das einfach falsch?

Ich nickte schwach, während mir langsam auch bewusst wurde, wie kalt mir war. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn das erste Mal ins Gesicht. Ein großer Fehler, denn nun konnte er mir alles aus den Augen ablesen. Aiden wusste, dass ich log.

,,Wem versuchst du hier was vorzumachen?"

Natürlich wusste er es und er hatte recht. Wem versuchte ich hier etwas vorzumachen? Aiden kannte mich schon mein Leben lang. Er wusste viel zu viel von mir.

Und genau das frustrierte mich, denn wie es schien, kannte ich ihn garnicht mehr. Es war, als würde ich ihn erst seit einer Woche kennen oder, als wäre ein neuer Charakter in seinen Körper geschlüpft.

Und ich war mir zu hundert Prozent sicher, es lag alles an dieser einen bescheuerten Nacht.

Obwohl ich nicht wusste, was passiert war, wünschte ich, es hätte sie nie gegeben.

Diese Nacht hatte verdammt nochmal alles zerstört.

Ich wollte ihn fragen. Fragen, was passiert war. Ich war wirklich kurz davor. Doch ich ließ es sein.
Schon wieder.

Unkontrollierte Tränen schossen mir in die Augen. Aidens Augen weiteten sich für einen Moment, doch dann wagte er den letzten Schritt auf mich zu und zog mich in eine Umarmung.

Er roch, wie Aiden.
Der alte Aiden.
Den ich so unglaublich vermisste.

Warum heule ich hier eigentlich rum? Ich blamiere mich doch nur.

,,Was ist los?"wagte er sich nach einer lagen Zeit zu fragen. Ich schüttelte kaum merklich den Kopf, lehnte meine Lippen an seine Schulter und versuchte mir die Tränen wegzublinzeln.

,,Rede doch mit mir." Lagsam löste er sich von mir, doch seine Arme blieben trotzdem an Ort und Stelle.
,,Bitte."fügte er hinzu und blickte mir geradewegs in die Augen.

Ich erwiederte seinen Blick. ,,So, wie du mit uns geredet hast?"schnaubte ich sarkastisch.

Aiden wich jegliche Farbe aus dem Gesicht. Er schien in einer Schockstarre zu sein, denn es verging viel Zeit, in der wir uns einfach nur in die Augen sahen. ,,Gut. Dann also nie."stellte ich fest, löste mich aus seiner warmen Umarmung und lief zur Tür.
Ich werde diese Worte so bereuen!

,,Sky." Ich sollte weiter gehen, ihn einfach ingnorieren, doch ich tat es nicht. Seine Stimme klang so brüchig, so verloren, das ich nicht anders konnte, als stehen zu bleiben. Doch er sagte nichts mehr.

Ich sah ihn über die Schulter auffordernd an. Seine Augen sahen alles an, nur nicht mich, als er zittrig ausatmete.
So zittrig, dass seine Brust bebbte.

Er sah aus, als müsste er sich die Tränen verkneifen, als wollte er mir alles erzählen, als wäre er nun derjenige, der eine Umarmung brauchte.

Doch die wollte meine Sturheit ihm nicht geben.
Nur war es so, dass er für mich da war, als ich ihn brauchte.

Und ich war verdammte 18 Jahre alt. Es war an der Zeit, mich mal erwachsen zu benehmen.

Schnell lief ich auf ihn zu. Ich hatte Angst, wenn ich langsamer gehen würde, würde ich mich wieder umendscheiden. Meine Arme legten sich fest in seinen Nacken und beteten seinen Kopf auf meine Schulter.

Ich sollte einmal machen und nicht denken, nicht fragen.

Also blieb ich einfach so stehen und blieb still. Auch, als er zögernd die Arme um meine Taille legte und sein Griff immer fester und verzweifelter wurde.

Ich wollte einfach für ihn da sein.

Damn interesting Where stories live. Discover now