(22) Blut

10.3K 621 83
                                    

- Hermine -

„Hey, Granger. Entschuldige bitte das ganze Blut."

Ich stand mitten in der Scheune und starrte Malfoy an. Sein Gesicht war voller Blutspritzer, sein Hemd zerrissen und mit blutigen, großen Krallenspuren übersäht. Und wie immer, trug er ein überhebliches Grinsen im Gesicht.

„Oh, Merlin! Geht es dir gut?!", platzte es erschrocken aus mir heraus.

„Ja. Das meiste Blut ist sowieso nicht von mir", erklärte er.

Malfoy stand vor dem Eingang zu Petrichors Box. Gegenüber von ihm war einer der Hodags mitten im Sprung vor ihm in der Luft erstarrt. Ein anderer stand steif einige Meter weiter dahinter. Rechts neben Malfoy lag ein weiterer Hodag leblos neben ihm. Er schien nicht erstarrt zu sein.

Ich eilte zu Malfoy hin, sah auf den ersten Blick, dass es ihm bis auf ein paar Kratzspuren wirklich gut ging und lief dann in Petrichors Box. Der Augurey saß auf dem Ast im Baum, versteckte sich so gut es ging zwischen den Blättern. Er war geflogen. Er war tatsächlich auf den Baum geflogen. Und es ging ihm gut.

Ich drehte mich wieder um und sah den Slytherin dankbar an. „Du bist verletzt", bemerkte dieser mit einem Blick auf meinem Arm. Er griff nach ihm und sah sich die Wunde genauer an. Mit Erstaunen bemerkte ich, dass er tatsächlich ein wenig besorgt aussah. 

„Nicht schlimm. Es tut nicht mal sehr weh." Das war sogar nicht gelogen, ich spürte die Verletzung wirklich kaum.

„Was ist passiert?", fragte Ron, der ganz plötzlich hinter Malfoy stand. Der Slytherin ließ meinen Arm wie eine heiße Kartoffel fallen.

Ron betrachtete den in der Luft erstarrten Hodag, der das Maul aufgerissen und seine spitzen Zähne entblößt hatte. Dann trat er zu mir in die Box und sah Petrichor an.

Malfoy sah sich in der Scheune um. „Drei von diesen Viechern waren hier drin. Ich weiß nicht, warum, aber sie haben sich gegenseitig angegriffen und unsere Wesen hier nicht beachtet. Als ich dann kam, kämpften zwei von ihnen weiter, der andere hat mich angegriffen. Und mit seinem dreckigen Blut beschmutzt." Bei seinem letzten Satz machte er ein angewidertes Gesicht und sah an seinem zerrissenen, zuvor noch weißen Hemd herunter.

Wie waren die Wesen nur trotz magischer Schutzzauber hier hinein gelangt? Diese konnten doch eigentlich nur von Zauberern aufgehoben werden.

„Ich konnte die beiden schließlich verzaubern, der andere hier wurde tragischerweise von einem seiner Kameraden erledigt", erklärte er weiter und deutete mit dem Kopf auf den neben ihm liegenden, blutverschmierten Hodag, ohne ihn anzusehen.

Einige Sekunden standen wir dort, ohne uns zu rühren. Mehrere Fragen schwirrten mir durch den Kopf. Wie konnte es sein, dass diese Tierwesen hier hinein gelangt waren? Warum hatten sie sich gegenseitig angegriffen? Ich konnte einfach keine Antworten finden.

„Wir sollten einen Lehrer holen", überlegte ich schließlich laut. Malfoy sah mich verständnislos an, runzelte die Stirn. Was war denn daran nicht zu verstehen? „Irgendjemand muss informiert werden. Und die Schutzzauber für die Scheune müssen auch ern-"

„Draco. Draco Malfoy." Eine dunkle, entfernte Stimme unterbrach mich.

Mir schien es, als zuckten Ron, Malfoy und ich gleichzeitig vor Schreck zusammen. Sie kam vom Eingang der Scheune.

Malfoy, noch immer auf dem Gang stehend, drehte seinen Kopf nach rechts. „Corban Yaxley", sagte er mit unbeeindruckter Stimme.

Mit seiner rechten Hand griff er kaum merkbar nach seinem Zauberstab und murmelte etwas. Ich spürte einen Zauber durch meinen Körper fahren.

Dann sah ich zu der Stelle, wo Ron gestanden hatte. Nichts. Malfoy hatte auf uns beide einen Unsichtbarkeitszauber angewandt. Ron und ich waren komplett unsichtbar. Diesen Zauber beherrschte selbst ich nicht so perfekt.

Aber viel wichtiger war, was machte Corban Yaxley hier? Ich konnte ihn von dem Standpunkt der Box aus nicht sehen. Aber ich hatte ein genaues inneres Bild vor meinen Augen. Von seinem schmutzigen, hellen Haar und seinem furchteinflößendem Gesicht.

Yaxley war einer von Voldemords Anhängern. Er war sogar an der Schlacht von Hogwarts beteiligt gewesen. Ich hatte keine Ahnung davon, dass er anscheinend nicht nach Askaban gekommen war.

„Was machst du hier, Draco?", fragte die dunkle Stimme des Todessers. Mir fiel ein, dass ich die Box ja aufgrund Petrichors Schreie verzaubert hatte, sodass kein Laut nach außen dringen konnte.

Deshalb hatte mich Malfoy eben so verständnislos angesehen, weil er nichts verstanden hatte. Und deshalb hatte Yaxley uns nicht gehört, wusste nicht, dass wir hier standen. Und damit das so blieb, hatte Malfoy uns unsichtbar gemacht.

„Nenn mich nicht Draco", antwortete Malfoy bloß. Yaxley trat nun in unsere Sichtweite. Er sah genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung gehabt hatte. Nur mit weitaus dreckigerer und zerschlissener Kleidung. Mir stockte der Atem. Obwohl er uns nicht hören konnte, wollte ich keine Geräusche von mir geben.

„Na schön, Malfoy. Also, was machst du hier?", wiederholte der Todesser. 

„Nach dem Chaos sehen, das du hier angerichtet hast", antwortete Malfoy, sogar halb wahrheitsgemäß.

„Tja, dieses Chaos kann ich dir erklären. Ich hatte vor, ein wenig Unruhe zu stiften, damit ich ins Schloss reinkomme. Dann haben die Hodags aber plötzlich verrückt gespielt. Der Zauber muss irgendwie fehlgeschlagen sein. Haben sich gegenseitig angegriffen. Sind zu früh rausgerannt. Irgendwer hat diese beschissenen Viecher auch noch gesehen und jetzt sind alle Eingänge dicht. Bis auf den, aus dem du rausgekommen bist." Der riesige Zauberer stellte sich bedrohlich vor ihm auf.

„Wozu ins Schloss kommen?", wollte der Slytherin wissen, unbeeindruckt von seiner Größe. 

„Ich bin schon seit Monaten auf der Flucht. Im Gegensatz zu dir und deiner Familie habe ich keine Chance auf einen Freispruch. Ich hab die Schnauze voll, aber bevor ich nach Askaban gehe will ich mich noch an Potter für den dunklen Lord rächen", offenbarte der Zauberer ohne Hemmungen. „Und du kannst mir dabei helfen", fügte er auch noch hinzu.

„Nein. Ich habe mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun", widersprach Malfoy ihm ohne Zögern. 

„Schon klar. Willst kein Risiko eingehen. Versteh ich. Sag mir einfach welchen Eingang ich benutzen kann, mehr musst du nicht tun", drängte Yaxley mit unruhiger Stimme.

„Es bringt nichts, glaub mir. Du würdest nie an ihn rankommen. Potter ist da drin viel zu gut überwacht. Verschwinde einfach wieder." Malfoys Körper versteifte sich, das konnte ich ganz genau sehen.

Yaxley trat daraufhin nah an ihn heran und griff nach Malfoys linkem Arm. Er zog ihm den Hemdärmel hoch. „Autsch. Das muss sehr wehgetan haben", sagte Yaxley trocken. Wo das dunkle Mal am Unterarm hätte sein müssen waren einige Brandnarben auf dunkler Farbe. „Das dunkle Mal lässt sich wirklich nicht einfach entfernen. Und das alles nur zur Tarnung", seufzte der blonde Todesser.

Weshalb widersprach Malfoy nicht, wieso sagte er überhaupt nichts?

„Expelliarmus!"

Es ging so schnell, dass ich aufschreckte und zwei Sekunden brauchte, um zu realisieren was, passiert war.

Yaxley hatte den überraschten Malfoy entwaffnet und richtete seinen Zauberstab auf ihn. „Es tut mir leid, Draco. Aber ich muss wissen, wie ich da reinkomme."

Petrichor | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt