(49) Die Frage

9.3K 645 184
                                    

- Hermine -

Wir drehten uns um. Madame Pomfrey stand vor uns. 

„Ja?", brachte ich schließlich keuchend hervor. 

"Vielleicht sollten Sie einmal mitkommen", schlug Madame Pomfrey vor.

„Ist Petrichor..", krächzte ich, ohne den Satz zu vollenden.

In den letzten Stunden war meine Hoffnung immer mehr verschwunden. Stunden, in denen wir einfach nur vor dem Fenster saßen und hinaus starrten. Qualvolle Stunden, voller Ungewissheit. Das Gesicht der Heilerin verriet weder eine gute, noch eine schlechte Nachricht. Draco half mir dabei, mich ins Nebenzimmer zu schleppen.

Der Augurey lag auf einer weißen Liege, zu der wir sofort eilten. Dann brach ich endgültig in Tränen aus, die mir nass über die Wangen liefen.

„Ihm geht es schon besser. Es war wirklich eine lange, komplizierte Prozedur. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er es überstehen würde. Die Knochenbrüche, sowie die äußeren und inneren Verletzungen konnte ich teilweise beheben. Er steht außerdem noch ziemlich unter Schock. Nachdem er sich noch ein bisschen ausgeruht hat, kann er in die Tierscheune zurück."

Voller Freudentränen atmete ich aus, Adrenalin durchfuhr mich, Hochgefühle traten auf. Bei Madame Pomfreys Worten fiel eine riesige Anspannung von mir ab und wurde durch pure Erleichterung ersetzt. Ich war so erleichtert, dass mir das Atmen schwer fiel.

„Vielen Dank", brachte ich überglücklich, aber noch immer durcheinander und mit schwacher Stimme hervor. Ich sah hinüber zu Malfoy, der Petrichor wortlos betrachtete.

Mir fiel ein, wie Malfoy mir gesagt hatte, er würde ihn an mich erinnern. Aber in diesem Moment erinnerte Petrichor mich an Draco. Dieser Mut. Diese Stärke. Die Sehnsucht nach Freiheit. Das Misstrauen anderen Menschen gegenüber. Und vor allem wie sehr er andere beschützen wollte, sobald er sie ins Herz geschlossen hatte. Malfoys Familie. Petrichor. Und nun wohl auch mich.

   *

Malfoy und ich warteten noch etwas bei Petrichor, trotzdem wachte er nicht auf. Aber ich machte mir keine Sorgen. Petrichor war verdammt stark. Und ich würde es auch sein.

"Wie geht es jetzt weiter?", fragte ich nachdenklich, nachdem mir Draco einen heißen Tee gebracht und ich mich bedankt hatte. Gemeinsam aßen wir die Kekse, die Madame Pomfrey uns lächelnd gereicht hatte. Das Abendessen hatten wir ja immerhin verpasst.

Ich hielt die dampfende Tasse in meinen Händen und atmete den Minzgeruch ein. Den Minztee, den ich mir von ihm gewünscht hatte. Ich wusste nicht, ob Draco ahnte, dass ich diesen Geruch beim Amortentia-Trank gerochen hatte. Aber irgendwie wäre es mir auch unangenehm, wenn er es wissen würde.

"Hmm. Meine Folterpläne für Pansy und Weasley in die Tat umsetzen?", überlegte Malfoy in ernstem Ton.

"Draco, ich weiß, dass du Ron nicht leiden kannst. Aber er wollte mich nur beschützen", erklärte ich leise und ließ die ganze Situation im Schuppen noch einmal in meinem Kopf Revue passieren. Ich hatte Draco alleine nochmal alles ganz ausführlich erzählt.

"Vor mir?", wunderte sich Draco und blickte mich an. "Hermine, ich weiß zwar nicht, warum, aber ich mag dich wirklich. Du bist nervig und eine Besserwisserin und -", er sah meinen tadelnden Blick und atmete frustriert aus.

"Aber irgendwie mag ich es wirklich, bei dir zu sein. Also würde ich sagen, wir lassen einfach alles Weitere auf uns zukommen."

  *

Mit dem Gedanken an seine Worte wachte ich am nächsten Morgen auf. Ginny hatte ich noch spät in der Nacht alles erzählt, sodass wir erst spät schlafen gegangen waren.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir verschlafen hatten. Trotzdem wurde ich nicht panisch, dafür war ich noch viel zu müde und erschöpft. So weckte ich Ginny, wir machten uns fertig und gingen gemeinsam hinunter zur großen Halle.

Auf halbem Weg stieß ein hellblonder Junge auf uns, dem alle Haare zu Berge standen und der im Laufen noch seine Krawatte knüpfte. Unsere Blicke trafen sich, wir blieben stehen und blickten uns an.

"Ich geh schonmal vor", gähnte Ginny gelangweilt, ohne uns weiter zu beachten. Sie verschwand hinter der nächsten Ecke.

"Guten Morgen", grüßte ich, noch immer einige Schritte von ihm entfernt.

"Morgen", brummte Malfoy mit tiefer, verschlafener Stimme.

Mit klopfendem Herzen trat ich ein wenig auf ihn zu. "Wollen wir?", fragte ich und deutete mit dem Kopf vorwärts. Malfoy nickte und gemeinsam gingen wir weiter.

Ich lauschte gedankenverloren unseren Schritten, als wir die Gänge entlanggingen. Dabei fragte ich mich, wie es Parkinson und Ron nun erging und was sie für Konsequenzen erwarten würde.

Die seelische Erschöpfung überrollte mich und entlockte mir einen tiefen Seufzer. „Ab jetzt wird alles gut, oder?", fragte ich entkräftet.

„Ich hoffe es doch." Dracos aufmunterndes Lächeln schenkte mir augenblicklich neuen Mut.

Wir erreichten die Eingangshalle und gingen Richtung großer Halle. Dann entdeckte ich Blaise Zabini, der am Eingang stand und mit ein paar Slytherins redete. Er wandte den Kopf und sah uns an. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen.

„Draco-"

„Schon gut", unterbrach er mich mich.

Wir gingen weiter auf den Eingang zu. Zabini schritt auf uns zu und blieb vor Malfoy stehen. „Ähm..", machte dieser verwundert.

„Was?", fragte Malfoy, als ob er nicht wüsste, was sein Freund meinte.

„Was soll das? Was machst du mit ihr?", hakte Zabini nach.

„Sie ist meine Freundin", erwiderte Draco trocken.

Ich spürte, wie mich alle umherstehenden Personen anstarrten. Doch ich starrte nur Draco an. Was hatte er gerade gesagt? In aller Öffentlichkeit?

„Was? Das Schlammblut?"

Augenblicklich schritt Draco hervor und packte Zabini am Hemdkragen. Ich hörte ein erschrockenes Raunen von allen Seiten.

„Alter, was-"

„Nenn sie nicht Schlammblut. Nie wieder", zischte Draco ihm zu.

Zabinis Augen weiteten sich, bevor er sich von Draco losriss. „Ich erklärs dir später", fügte Draco hinzu, weil sein Freund wirklich ziemlich verwirrt aussah. Erst da drehte sich Draco zu mir um und sah mich an.

„Ich bin deine Freundin?", entfuhr es mir.

„Was denn sonst?", wunderte er sich stirnrunzelnd.

Mir schoss das Gespräch mit Ginny in den Kopf. Wie sie überlegt hatte, wie sie Harry dazu bringen wollte sie zu fragen, ob sie seine Freundin sein würde. „Du hast mich nie gefragt", grinste ich ihm zu.

Malfoy zog eine Augenbraue hoch und trat auf mich zu. Ich wusste, dass uns wohl alle anstarrten, doch momentan kümmerte es mich nicht.

„Also gut", begann Draco und räusperte sich. „Würdest du dir die Ehre erweisen und meine Freundin werden?"

„Wie bitte?", fragte ich perplex. „Ist das dein Ernst?"

„Merlin..", seufzte der Slytherin genervt, sah mir dann aber wieder tief in die Augen. „Möchtest du mir die Ehre erweisen und meine Freundin werden?"

Petrichor | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt