(50) Petrichor (Das Ende)

11.4K 757 405
                                    

- Hermine -

Ich wusste, dass ich ihn praktisch zu dieser Frage gezwungen hatte, trotzdem schien ich bei seinen Worten, seinem Lächeln und seiner Aufrichtigkeit förmlich zu schmelzen.

„Ja", wisperte ich, was Draco ein Grinsen entlockte.

Er trat auf mich zu, doch plötzlich wurde ich aus unserer wunderschönen Scheinwelt gerissen. Das war jetzt schon peinlich genug gewesen, er musste mich ja nicht noch vor allen anderen küssen. Und zum Frühstück konnte ich ja nun wohl auch nicht mehr gehen, Hunger hin oder her.

„Ähm, bis später", stammelte ich und ging einfach davon. Mit glühenden Wangen rannte ich in mein Zimmer und warf mich aufs Bett. Das Lächeln auf meinem Gesicht konnte ich den ganzen restlichen Schultag nicht mehr aus dem Gesicht nehmen.

   *

Und wie sich herausstellte auch die darauffolgenden Tage nicht.

Mich erwarteten einige Gespräche mit Ginny, Harry, aber auch ganz vielen anderen Leuten, die sich für meine plötzliche Beziehung interessierten. Manche konnten wohl gar nicht glauben, dass wir zusammen waren. Wahrscheinlich lag das daran, wie wir uns in der Öffentlichkeit verhielten.

Malfoy stalkte mich. Wortwörtlich.

Er überraschte und erschreckte mich an allen möglichen Orten. Als ich von ihm beim Lernen in der Bibliothek gestört wurde, erhielt ich meine allererste Verwarnung der Bibliothekarin.

Nur weil ich ihn mit den laut gerufenen Worten „Malfoy, wenn ich die Prüfungen wegen dir vergeige, dann ist nicht nur mein Leben vorbei, sondern auch deins!", aus der Bibliothek verjagt hatte.

Doch auch wenn ich ihn manchmal aufsuchte, trieb er mich ans Ende meiner Nerven. Kurz bevor wir uns küssten kamen dann Sprüche wie: „Ach Granger. Bilde dir doch nichts ein. So würde ich dich doch niemals anfassen."

Insgeheim redeten wir aber auch über einige persönliche Dinge und ich spürte, wie die aufgebauten Mauern der Vergangenheit zwischen uns langsam zu bröckeln begangen.

Parkinson wurde wegen Verstoßes verschiedenster Schulregeln für eine mir unbekannte Zeit von der Schule suspendiert.

Ron hatte eine Verwarnung und eine große Anzahl an Stunden zum Nachsitzen erhalten. Nicht lange Zeit nach dem Vorfall kam er auf mich zu und entschuldigte sich bei mir. Ich wusste, dass er mich nur hatte beschützen wollen, wenn auch auf die falsche Art und Weise. Wahrscheinlich würde unsere Beziehung erstmal nicht mehr so sein, wie sie es einmal gewesen war.

Ich hatte das Gefühl, einen wunderbaren Freund verloren zu haben, mit dem ich schon so viel erlebt hatte. Er empfand wohl noch immer etwas für mich, weshalb wir unsere Freundschaft wohl ziemlich langsam wieder neu aufbauen mussten. Ziemlich langsam außerdem, weil sich Draco im Punkte Ron als ziemlich misstrauisch und eifersüchtig herausstellte.

Ginny hatte Harry dazu gebracht, sie zu fragen. Dass der Auserwählte, der Held von Hogwarts und der gesamten Zaubererwelt nun vergeben war, machte alles ein bisschen leichter für mich, weil so nicht die gesamte Aufmerksamkeit auf uns lag.

Irgendwann später bemerkte ich, dass meine Beziehung zu Draco viel mehr war als das, wonach es zunächst aussah. Sie war wohl irgendwie auch ein Symbol dafür, dass sich zuvor verfeindete Fronten wieder zusammenschließen konnten. Das Liebe und Frieden stärker waren als eine dunkle Vergangenheit voller Vorurteile und Schmerz und Grausamkeit.

Ich wusste, dass wir die Vergangenheit nie vergessen konnten. Aber es war ein erster Schritt in die Richtung des Verzeihens, Vergebens und des Verständnisses füreinander.

Noch bevor mir dies überhaupt richtig bewusst war, sprach Hagrid uns an und sagte, dass es wohl an der Zeit wäre, Petrichor freizulassen.

Dieser hatte sich komplett erholt und ich konnte sehen, dass es ihn nach draußen zog. Er blieb bei der Futtersuche immer länger fort.

Eines Abends ging ich mit Draco in die letzte Box, die Box Petrichors. Zuerst spielten wir noch mit dem Augurey und sahen ihm dabei zu, wie er seine Beute verspeißte, an seinem Nest herum bastelte und dann lange Zeit aus dem Fenster sah.

Mit einem bedrückenden Gefühl betrachtete ich ihn und konnte meine Augen kaum abwenden. Ich wusste, dass es das einzig Richtige war und dennoch fiel es mir unglaublich schwer. Ihm seine heiß geliebte Freiheit zu geben bedeutete für mich einen Verlust, den ich anfangs wohl nie so eingeschätzt hätte.

Wir hatten Petrichor noch im Ei erhalten und ihm beim Schlüpfen zugesehen. Ich erinnerte mich an den Moment, wo ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte. So etwas zartes, kleines, verletzliches. Petrichor war wie ein Wunder für mich. Und obwohl ich mir Sorgen machte, ob er da draußen ohne uns zurecht kommen würde, wollte ich ihm seine Freiheit schenken.

Schließlich machte Draco den ersten Schritt, ergriff meine Hand und zog mich sanft zum Fenster. Er legte meine Hand auf den Fenstergriff und sah mich halb lächelnd an.

Ich entdeckte auch in seinen Augen einen traurigen Ausdruck. Mir traten Tränen in die Augen, mein Hals brannte. Es war eines der schwersten Dinge, die ich je getan hatte.

Noch ein letztes Mal landete Petrichor auf meinem Arm.

Mit einem riesigen Knoten in der Kehle verabschiedete ich mich von ihm, wispernd, flüsternd, so leise wie das Knacken seiner Schale an dem Tag, als er das erste Mal das Licht dieser Welt erblickte.

Leise flüsterte ich ihm zu, dass er ab jetzt nicht mehr wiederkehren musste. Und wenn er es doch tat, dann würde dieses Fenster hier geschlossen sein.

Mit schwerem Herzen öffnete ich das Fenster und wir sahen ein letztes Mal zu, wie sich Petrichor elegant in die Lüfte erhob und nach kurzer Zeit nur noch als kleiner Fleck im Himmel zu erkennen war.

Ich spürte heiße Tränen auf meinen Wangen, als ich leise ein „Lebwohl" wisperte.

  *

Was ich später noch erfahren würde war, dass Petrichor keinesfalls für immer verschwunden war.

Manchmal würde er Nachts ans Fenster fliegen -keine Ahnung wie er herausgefunden hatte, wo mein Zimmer lag- und darauf warten, bis ich das Fenster geöffnet hatte, um ihn mit getrockneten Mehlwürmern zu füttern. Heimlich natürlich. Draco würde sich beschweren, dass ich ihn zu sehr verwöhnte.

Tagsüber würde er ans Fenster pickend Ginny zur Weißglut treiben.

An regnerischen Tagen hörte ich ihn wohl manchmal krächzen - wenn mir meine Fantasie da keine Streiche spielten.

Manchmal überraschte er Draco, wenn dieser mit seinem Besen über die Türme von Hogwarts flog, woraufhin sie um die Wette fliegen würden.


Was ich nicht erfahren würde war, dass er irgendwie immer über uns wachte.

Petrichor baute sein Nest nahe dem Schloss. Er war nicht direkt bei uns. Aber er war da, als wir unsere Prüfungen schrieben. Unseren Alltag in Hogwarts fortsetzten.

Petrichor war da, als Draco zum ersten Mal leise "Ich liebe dich" flüsterte, wenn er mich tagtäglich ans Ende meiner Nerven trieb, wenn Ginny und Harry viel zu romantisches Geflüster austauschten, wenn Ron innerlich noch immer mit seinen Gefühlen zu kämpfen hatte.

Petrichor hatte uns nie verlassen, bis wir unser letztes Schuljahr beendeten und ihn verlassen mussten.

All das wusste ich nicht. Aber die Tatsache war, dass ich es spürte. Und nur weil man etwas nicht sehen kann heißt es nicht, dass es nicht wahr sein kann.

Petrichor brachte mir bei, dass auch die kleinsten Wesen dieser Welt eine große Bedeutung haben können. Das selbst die unscheinbarsten Dinge letztendlich dein ganzes Leben ändern können.

~The End~

   ***

In Erinnerung an Edith, die mich lehrte, dass letztendlich die kleinsten Momente doch die Größten sind.

  ***

Petrichor | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt