(30) Überfordernde Gefühle

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- Hermine - 

„Fuck", fluchte Malfoy leise. Ich stand versteinert und wie im Schockzustand neben ihm. War das Pansy Parkinsons Stimme gewesen? Oh Merlin, ich musste hier weg!

Dies schien auch Malfoy gerade zu denken. „Los, mach schon", schob er mich möglichst lautlos von sich weg. Es blieb keine Zeit, mich über sein Verhalten zu empören oder zu protestieren.

Ich lief und schlich gleichzeitig den Gang entlang und bog um die nächste Ecke, um außer Sichtweite zu sein. Und doch, man konnte so schnell und leise wie Ginny vorhin laufen, wenn man wirklich wollte.

„Was machst du hier?", hörte ich Parkinson erkundigend fragen. Ich wollte nicht lauschen, jedenfalls nicht so wirklich, aber wo sollte ich hingehen? Immerhin sollte ich ja wieder zurück zum Raum der Wünsche zu den anderen gehen.

„Ich hatte Kopfschmerzen, Parkinson. Kann man denn nicht einmal alleine sein?", hörte ich Malfoy zornig fragen. Wow, der schien wirklich sehr wütend zu sein.

„Was? Aber bei deiner Verletzung vom Spiel war ich gut genug zum helfen oder was? Und seit wann nennst du mich Parkinson?", ertönte nun auch ihre Stimme wütend.

An seine Verletzung hatte ich ja gar nicht mehr gedacht.. Ob ich ihn eben versehentlich dort angefasst hatte? Aber gesagt hatte er ja nichts..

Ich hörte Malfoy seufzen. „Sorry, Pansy. Was ist denn?" Er klang wirklich sehr ungeduldig. Ein Wunder, dass Parkinson nicht merkte, dass er etwas zu verbergen hatte und sie loswerden wollte.

„Ich wollte einfach nur nach dir sehen. Draco, sind deine Wangen rot? Oh Merlin, du bist ja total heiß", vernahm ich da.

Augenblicklich durchfuhr mich ein Stich. Fasste sie ihn gerade an? Warum wurde ihre Stimme plötzlich so leise? Warum sagte ihr Malfoy nicht einfach, dass sie verschwinden sollte? Die Kälte, die mich allmählich umfing, wurde mir nur allzu deutlich bewusst. Nur meine Wangen glühten warm, wohl genauso wie Malfoys. Ich schlag meine Arme um mich, in der Hoffnung auf etwas Wärme.

„Pansy-", hörte ich die tiefe, raue Stimme von Malfoy. Und dann stoppte sie, die Stimme dessen Junge ich vor nicht mal einer Minute noch geküsst hatte. Nichts hörte man mehr.

Ich spürte das heftige Klopfen meines Herzens gegen meinen Brustkorb.

„Was ist, Draco? Warum erwiderst du es nicht?", fragte Pansy. Was? Nein. Nein, das war doch gerade wohl nicht passiert.

„Ich-", setzte Malfoy leise an, doch die hysterische Slytherin unterbrach ihn. „Hast du eine andere?" 

„Was? Nein! Natürlich nicht", schoss es da erschrocken aus ihm heraus.

"Oh, okay. Und warum schmeckst du eigentlich so nach Lakritze?"

Ich lehnte mich erschöpft gegen die Wand. Verzweifelt versuchte ich, meine Gefühle einzuordnen. Meine Brust zog sich verengend zusammen. Ich bekam viel schlechter Luft als vorher. Mein Hals brannte. Ich wollte einfach nur noch weg.

Eine Welle von Zorn und Enttäuschung überkam mich und verstärkte meine Verzweiflung. Ich wusste nicht mal, ob ich so wütend war, weil Parkinson Malfoy geküsst hatte. Eher war ich wütend und verwirrt darüber, dass es mich selber so wütend machte. Verdammter Mist.

Ohne rational zu denken oder mir einen besseren Plan zu überlegen schlich ich weiter den Gang entlang, bis ich genug Entfernung erreicht hatte. Dann machte ich kehrt und hoffte, dass meine Schritte genau richtig laut waren.

Ich ging um die Ecke und sah im schwachen Licht die beiden Personen nahe der Steinwand stehen. Ein paar Schritte später erkannte ich, dass beide ihren Kopf zu mir umgedreht hatten. Doch ich wandte meinen Blick ab und sah stur geradeaus, als ich an ihnen vorbeiging.

„War das etwa gerade die Granger?", konnte ich Pansy schockiert flüstern hören. „Als ob die sich nach Sperrstunde aus dem Bett trauen würde", sprach sie etwas lauter und lachte.

Meine Schritte beschleunigten sich einfach, bis ich an der richtigen Stelle stand und dreimal auf und ablief, bis die Tür zum Raum der Wünsche aufgetaucht war. Mehrmals tief durchatmend stand ich dort, den Blick auf den Boden gerichtet. Dann zog ich die Tür auf und trat wieder ein.

  *

Mit einem schweren, bedrückenden Gefühl in der Brust bahnte ich mir einen Weg zu meinen Freunden zwischen der Menge an anderen Schülern hindurch.

Ich konnte einfach nicht verhindern, dass einige Gedanken in meinem Kopf umher spukten. Hatten sie sich schon öfter geküsst? Hatte Malfoy es nur nicht erwidert, weil er wusste, dass ich um die Ecke stand? Die Nähe der beiden war mir doch bereits öfter aufgefallen. Warum hatte ich mir deshalb nie ernsthafte Gedanken gemacht?

Aber eigentlich war ich ja auch selber Schuld. Ich wusste, dass Malfoy nichts Ernstes wollte. Da sollte mich eine Situation wie vorhin wirklich nicht überraschen. Plötzlich durchfuhr mich eine starke Abneigung gegen ihn.

Einerseits wollte ich es nicht, aber ich sollte diese ganze Sache wohl besser beenden. Es machte alles nur noch komplizierter. In Situationen wie diesen jetzt fühlte sich das alles so falsch an.

Unentschlossen, gleichzeitig aber irgendwie entschlossen und verwirrt deshalb fand ich meine Freunde wieder. Ginny tanzte mit Harry und an ihren Bewegungen erkannte ich, dass sie nicht gerade wenig Alkohol getrunken hatte. Besorgt überlegte ich, wie ich sie später wieder unauffällig in unseren Schlafraum bringen sollte.

Seufzend ließ ich mich neben Ron fallen, der abwesend in die Menge starrte, bevor er mich entdeckte. „Alles wieder gut bei dir?", erkundigte er sich. Ich konnte nicht deuten, ob er ein wenig eingeschnappt war, weil ich vorhin abgelehnt hatte, dass er mit raus kam. Oder ob er besorgt war, weil ich gesagt hatte, dass ich Kopfschmerzen hätte.

Unbewusst starrte ich ihn an. Ich log sogar meine Freunde für Malfoy an. Verheimlichte allen etwas. Hinterging sie sogar irgendwie, vor allem Ron. Ich wusste, wie er mir gegenüber fühlte.

Und trotzdem machte ich hinter seinem Rücken mit seinem Feind rum. Der hinter meinem Rücken wahrscheinlich auch mit anderen rummachte. Überfordert von dieser eintretenden Erkenntnis und überladen mit plötzlichen Schuldgefühlen schluckte ich und versuchte, dass Brennen in meinem Hals zu ignorieren, die Tränen zurückzuhalten.

Ron beobachtete mich und nahm mich dann wortlos in den Arm. Ich verbarg mein Gesicht an seiner Schulter und versuchte, mich zu beruhigen. Mein Körper zitterte und bebte leicht, während ich mich bemühte, nicht zu weinen.

„Ich hab dir die Zahnweißpfefferminzlakritze aufgehoben", sagte er mit unbeholfenem Ton nahe meinem Ohr. Und somit brachte er mich zumindest für einen kurzen Augenblick wieder zum lachen, einfach so.

Petrichor | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt