(32) Unterdrückte Wut

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- Draco -

Ich unterdrückte den Drang, ihm mit meiner Faust ins Gesicht zuschlagen. Die Wut ihm gegenüber packte mich und ließ mich nicht mehr los. Sie fuhr durch meinen ganzen Körper. 

Weasley starrte mich mit aufgerissenen Augen, sichtlich verwirrt und angsterfüllt an.

„Malfoy, was tust du da?", erwachte Granger hinter mir plötzlich zum Leben, ihre Stimme dünn und schwach.

Ich ignorierte sie, doch ich spürte, wie das Gefühl der Wut langsam nachließ und meine Vernunft sich an die Oberfläche zu kämpfen versuchte. Fuck, fuck, fuck, was hatte ich gerade nur getan?

Entsetzt von mir selbst ließ ich Weasley unsanft und blitzschnell los. Ich trat einige Schritte zurück und drückte mir genervt und frustriert drei Finger gegen die Stirn. Das hab ich ja super hinbekommen.

„Ron bist du okay?", erkundigte sich Granger besorgt und schritt auf ihn zu, um ihn sich näher anzusehen. 

„Ja, ich.. Ja", meinte Weasley nur, richtete seinen Kragen und glättete sein Hemd. „Was zum Merlin ist denn in dich gefahren?", wandte er sich mit hoher und verwirrt klingender Stimme an mich. Ja, Weasley. Da hast du tatsächlich zumindest einmal eine schlaue Frage gestellt. Die ich mir leider auch selbst nicht beantworten konnte.

So stand ich einfach da, während ich nach einer Antwort suchte. „Das war wohl etwas übertrieben, sorry", brachte ich zähneknirschend hervor und bemühte mich, zumindest halbwegs aufrichtig zu klingen.

„Was willst du von ihr, Malfoy?", fragte er nun wütend und schob Granger hinter sich, welche ziemlich weggetreten aussah. "Ron, lass es", bat sie ihn. Schon wieder spürte ich die Wut in mir aufsteigen. Was tat er denn jetzt so, als müsse er sie beschützen? Er hatte sie bedrängt und gegen ihren Willen geküsst. Vermutete ich zumindest... Wie er es schonmal fast gemacht hatte.

Jetzt schob er sie mit seinen widerlichen Händen hinter sich und spielte sich als Held auf. Dabei hatte er sich kurz zuvor noch panisch und angsterfüllt vor mir kleingemacht. Einzig und allein meine Vernunft hinderte mich daran, wieder auf ihn zuzugehen.

„Nichts will ich von dem dreckigen Schlammblut", spuckte ich hervor und setzte einen belustigten Gesichtsausdruck auf.

„Ich kann nur nicht als ehrenvoller Malfoy dabei zusehen, wie ein Mädchen gegen ihren Willen von jemandem angefasst wird", fügte ich noch hinzu.

Ich vermied Grangers Blickkontakt und fixierte mich auf das Wiesel, das erschrocken einatmete. „Nenn sie nicht Schlammblut, Malfoy." Sein Gesicht wurde rot vor Wut. "Außerdem: Gegen ihren Willen?", wiederholte Weasley ungläubig. Natürlich gegen ihren Willen. Als ob dich jemand freiwillig küssen würde.

Bevor ich antworten konnte, ertönte das Gekreische des Augureys, der soeben durch das Fenster reinflog. Er legte einige kleine Insekten in seinem Nest ab und beobachtete uns wieder. 

Augenblicklich eilte Granger mit wenigen Schritten zum Fenster und schloss es. „Die Pause ist gleich vorbei, wir sollten jetzt gehen", sagte sie, während sie zu uns beiden den Blickkontakt vermied. Ohne ein weiteres Wort eilte sie aus der Box. Weasley eilte ihr hinterher, sodass ich alleine mit Petrichor in der Scheune stand. Einige Sekunden lang schloss ich die Augen.

Normalerweise hatte ich mich immer unter Kontrolle. Niemand erfuhr etwas von mir, was er nicht erfahren sollte. Und nun verlor ich einfach so die Beherrschung? Warum? Was war nur los mit mir?

  *

Nachmittags betrat ich meinen Schlafraum. Dort entdeckte ich eine Briefeule, die am Fenster wartete. Ich ließ sie hinein, band ihr den Brief von dem Fuß und sah zu, wie sie Richtung Eulenturm flog, um sich auszuruhen. Unentschlossen betrachtete ich den Brief, öffnete ihn dann aber doch, zog ein raues Stück Pergament hervor und überflog die wenigen Zeilen, die dort standen.

Lieber Draco,

dein Vater möchte, dass du nächstes Wochenende zu uns kommst, da wir etwas mit dir zu besprechen haben. Wir haben Probleme mit dem Ministerium, also wundere dich nicht, falls du etwas darüber in den Nachrichten hörst. Wenn du hier bist, werden wir dir alles erklären.

In Liebe,
deine Mutter

Seufzend faltete ich den Zettel. Eine Antwort wurde wohl nicht erwartet, deshalb schrieb ich auch keine. Meine Familie wurde noch immer strengstens überwacht. Wenn das Ministerium auch nur eine Sache fand, die gegen uns sprechen könnte, dann würde das einige Probleme machen. Meine Eltern, besonders mein Vater, standen sowieso schon mit einem Fuß in Askaban.

Ärgerlich legte ich den Brief beiseite. Natürlich sorgte ich mich darum, ob es einen ernstzunehmenden Verdacht gab, der uns wieder zu Prozessen und Verhandlungen führen könnte. Aber mich störte das alles auch, weil mit all dem nichts mehr zutun haben wollte. Wahrscheinlich wollte ich das noch nie. Aber man konnte sich seine Familie nun mal leider nicht aussuchen.

Mich durchfuhr die Erinnerung daran, wie mein Vater mich dazu gezwungen hatte, das dunkle Mal mit einem Zauber zu entstellen. Klar, ich wollte es auch nicht mehr auf meinem Körper tragen. Aber er hatte mir nicht mal eine Wahl gelassen. Und es hatte wirklich höllisch wehgetan. So einen ansatzweise heftigen Schmerz hatte ich zuvor noch nie erlebt. Bei dem Gedanken daran brannte mein linker Unterarm.

Ich wandte meinen Blick aus dem Fenster. Mir kam schon wieder das Bild in den Sinn, wie Granger und Weasley sich küssten, woraufhin ich diese Gedanken wieder genervt verbannte.

  *

Der Himmel war stark von dicken, grauen Wolken bedeckt, sodass die Sonne kaum hindurch scheinen konnte. Aus einer Laune heraus hatte ich mir meinen Besen geschnappt und den armen Vogel aus der schrecklichen Box gelassen. Ich flog hoch in die Lüfte und hielt nach dem Augurey Ausschau wie nach einem Schnatz. Bald hatte ich ihn gefunden und flog sehr vorsichtig auf ihn zu. Doch das war anscheinend gar nicht nötig. Er entdeckte mich ebenfalls und flog von sich aus neben mir her.

Ich beneidete ihn um seine Flügel, war aber auch gleichzeitig sehr dankbar, mit meinem Besen überhaupt hier oben sein zu können. Ich sah auf das Schloss hinab als wären es meine Probleme: Je höher ich flog, desto kleiner und unbedeutender wurde es für mich.

Der Augurey allerdings konnte mit den relativ kleinen Flügeln noch nicht so hoch und schnell fliegen, weshalb wir bald wieder Richtung Boden flogen.

Je näher wir kamen, umso deutlicher erkannte ich die Person, die vor der Scheune stand und nach oben in unsere Richtung schaute.

Petrichor | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt