(37) Eine Wahl

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- Draco -

Ich lag im vollkommen dunklen Zimmer auf meinem Bett und starrte an die Decke. Mein linker Arm lag weggesteckt auf einem Kissen. Es war schon ein paar Stunden her, doch trotzdem brannte das dunkle Mal sehr schmerzhaft.

Normalerweise war diese Entstellung nicht nötig, da es mit einiger Zeit einfach verblassen würde. Aber mein Vater zwang mich und ihn selbst dazu, um einen besseren Eindruck beim Gericht zu machen.

Für mich selbst machte es keinen Unterschied. Ich wusste, wer ich war und wer ich nicht war. Mit oder ohne dunklem Mal wusste ich das. 

Ich drückte die Zähne zusammen und schloss die Augen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich so einschlafen sollte. Genervt richtete ich mich auf und sah in die Dunkelheit, bis sich meine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. Dann zog ich mir ein T-Shirt über, wobei ich darauf achtete, dass das Mal auf meinem Unterarm dabei nicht zu sehr berührt wurde.

Leise öffnete ich meine Zimmertür und ging den Flur entlang, der mit grünen Teppichen ausgelegt war. Mit nackten Füßen schritt ich die Treppe hinunter und blieb in der Eingangshalle stehen.

Im Wohnzimmer brannte Licht. Ich ging einige Schritte darauf zu, blieb aber vor der Tür stehen. Sie war einen kleinen Spalt breit geöffnet, sodass ich das Gespräch meiner Eltern verstehen konnte.

„Lucius, bitte. Denk doch mal nach. Draco bewahrt den Anschein doch perfekt. Er geht nach Hogwarts und wird dort akzeptiert, das spricht doch nun wirklich für uns."

„Ich weiß. Darf ich mir nicht trotzdem Sorgen um die Zukunft unseres Sohnes machen, wenn er weiterhin auf diese Schule geht?", hörte ich die dunkle Stimme meines Vaters.

„Das verstehe ich doch auch. Aber es ist wirklich besser so. Wir müssen ihn aus den Angelegenheiten raushalten. Es war falsch von uns, ihn hierher zu holen und ihn mit den Problemen mit dem Ministerium zu konfrontieren", wand meine Mutter plötzlich ein.

„Narzissa. Er ist kein kleiner Junge mehr. Außerdem musste die Entstellung des Mals erneuert werden, das weißt du."

Nun folgte eine kurze Stille. Ich spürte, wie die Kälte des Marmorbodens durch meine Füße hindurch bis hoch zu meinem restlichen Körper drang.

„Mit unserem Anschließen an die Todesser damals haben wir unser Leben riskiert. Wir haben Dracos Leben riskiert. Wir haben für ihn entschieden, sodass er keine Wahl hatte. Nun müssen wir es richtig machen. Ihn da raushalten, weil er nichts damit zutun hat. Weil er nur unseren Anweisungen gefolgt ist. Lucius, bitte. Er soll zum ersten Mal in seinem Leben eine Chance haben. Eine Wahl."

Die Worte meiner Mutter trafen mich heftig. Sie riefen meine Vergangenheit hervor, die ich ständig zu verdrängen versuchte. Ich hörte meinen Vater seufzen und wusste, dass er meiner Mutter bereits ein wenig Recht gegeben hatte.

„Und was schlägst du jetzt vor? Ihn auf der Schule lassen während wir darum kämpfen, nicht in Askaban zu landen? Ihn von all unseren Problemen auszuschließen? Das macht doch keinen richtigen Malfoy aus ihm!", argumentierte mein Vater erneut.

Dieses Argument war so typisch für ihn. Ich konnte nicht sagen, wie oft ich das in meinem Leben schon gehört hatte.

„Du musst aufhören, ihn so zu erziehen, dass er wird wie du. Die Zeiten haben sich geändert, Lucuis. Wir müssen umdenken. Ihn sein Leben leben lassen. Ihn sich eigene Meinungen bilden lassen. Wir haben das alles viel zu lange bestimmt. Und das wird sich nun ändern."

Die Stimme meiner Mutter ließ keine Widerworte zu. Ich schätzte, dass die Diskussion nun zu Ende war. Leise machte mich auf den Weg zurück in mein Zimmer und setzte mich auf die Bettkante. Dort legte ich den Kopf in meine Hände und ging das belauschte Gespräch meiner Eltern nochmal in Gedanken durch.

Dann stand ich auf, ging zum Fenster, öffnete es und ließ die kalt gewordene Nachtluft ins Zimmer. Ich fühlte mich undefinierbar komisch und verwirrt. Die Worte meiner Mutter hallten noch in meinen Ohren, als ich mich schließlich wieder hinsetzte.

Vorsichtig zog ich mich wieder aus und legte mich unter die inzwischen kalt gewordene Decke, meinen linken Arm wieder unbedeckt von mir weggestreckt.

Lange Zeit lag ich dort und konnte nicht einschlafen. Ich hätte mit niemandem über meine Gefühle reden wollen, aber das alles zu verdrängen klappte irgendwie auch nicht so richtig. Einerseits war ich meiner Mutter wegen der Worte zu meinem Vater sehr dankbar, andererseits machte ich mir trotzdem Sorgen, dass ihnen etwas passieren könnte. Das sie doch noch verurteilt werden.

Ich schloss die Augen und lauschte den nächtlichen Geräuschen, die aus dem offenen Fenster drangen, bis ich dann irgendwann doch eingeschlafen war.

  *

Ich betrachtete die riesigen Türme des Schlosses, die nicht weit entfernt vor mir lagen. Die Sonne ging gerade auf und tauchte Hogwarts, die Bäume, die Berge und das Wasser darum in helles, rot-goldenes Licht.

Den ganzen Weg von Hogsmeade bis hierher war ich schon so früh morgens gelaufen, weil ich mich vom Malfoy Manor bis dorthin appariert hatte.

Gestern Nachmittag hatte ich nicht einmal gewusst, ob ich aufgrund meines Vater überhaupt wieder zurückkehren würde. Nun ging ich den Weg zur Schule entlang und konnte die Erleichterung nicht verbergen, die meinen Körper durchströmte.

Ich hätte einige Menschen dort vielleicht nie wieder gesehen. Bei den meisten war das wohl gut so. Aber bei manchen anderen.. Ein Bild von Granger schoss mir durch den Kopf, das ich augenblicklich mit einem heftigen Kopfschütteln wieder loswerden wollte.

Ich beschleunigte meine Schritte, um noch rechtzeitig beim Frühstück zu erscheinen. Als ich das Schloss betrat war es noch ganz still. Ich machte mich auf den Weg in meinen Schlafraum und begrüßte Goyle im Zimmer, der -oh Wunder- schon wach war und sich fertig machte.

Nachdem ich meine Sachen abgelegt und mich auch noch ein wenig im Badezimmer fertig gemacht hatte gingen wir zum Frühstück, wo die anderen nun schon saßen.

Mein Blick fiel auf Pansy und beinahe wäre ich ernsthaft einfach umgedreht und weggegangen. Hunger hin oder her. Aber sie entdeckte mich schon und sah mich mit strahlenden Augen an. Mein Blick fiel auf Blaise, der mich ansah und grinsend eine Augenbraue hochhob. Dann machte er eine kleine Kopfbewegung Richtung Pansy.

Ich seufzte zutiefst genervt und setzte mich auf den freien Platz neben dem Mädchen, das mich schon gleich volllaberte. Innerlich verfluchte ich mich selbst. Nur weil ich wütend wegen der Armotentia-Sache dieser beschissenen Zahnweißpfefferminzlakritze gewesen war, hätte ich doch nicht ausgerechnet mit ihr rummachen müssen. Aber ich hatte mich ablenken wollen, egal mit wem.

Leider hatte das ja nicht so richtig funktioniert. Ich verspürte den dringenden Drang, meinen Kopf mit voller Wucht auf den Tisch zu schlagen.

„Also Draco, was ist wenn-" Ich unterbrach Pansy mit einem lauten Schmerzensschrei. Die blöde Kuh klammerte sich an meinen linken Unterarm und das brannte einfach nur höllisch. Ich zog meinen Arm weg und biss die Zähne zusammen.

Verwundert und verschreckt sah sie mich an. Sie wusste doch von dem Mal dort. Nicht, dass die Entstellung wieder erneuert worden war, aber trotzdem. Sie sollte mich einfach überhaupt nicht anfassen. Schön nur, dass ich ihr vor ein paar Tagen genau das Gegenteil gezeigt hatte.

   *

Nach dem Frühstück ging ich mit Blaise und Pansy zu Pflege magischer Geschöpfe, also zur der Tierscheune auf dem Schulgelände.

Mich beschlich ein ungutes Gefühl, wenn ich an dieses Fach dachte. Malfoy, reiß dich gefälligst zusammen! Am liebsten hätte ich mir gegen den Kopf geschlagen um mich irgendwie wieder zur Vernunft zubringen.

Etwas stimmte einfach nicht mit mir, ganz und gar nicht. Aber um über jegliche Vermutungen nachzudenken, die sich tief in meinem Inneren nicht mehr leugnen ließen, hätte mich jetzt wohl nur noch mehr in den Wahnsinn getrieben.

Einige Schüler warteten bereits im Gang der Scheune auf Hagrid, der sich anscheinend verspätete.

Mein Blick fiel augenblicklich auf eine braunhaarige Gryffindor. Und einen Arm, der um ihre Taille gelegt war.

Petrichor | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt