(38) Keine Ahnung

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- Hermine -

„Au", machte Ron plötzlich neben mir und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hand. Verwundert sah ich erst ihn, dann seine Hand an. Sie war ziemlich rot und es sah aus, als würden sich kleine Brandblasen auf ihr bilden. „Ron, was hast du gemacht?", fragte ich erschrocken.

„Wie, was hab ich gemacht? Garnichts! Plötzlich hat sie gebrannt wie verrückt", erklärte Ron mir verzweifelt. Ich kniff die Augenbrauen zusammen. Eine allergische Reaktion?

„Tut es sehr weh? Soll ich dich zu Madame Pomfrey begleiten?", bot ich besorgt an. Soweit ich wusste hatte Ron doch garkeine Allergien. Doch bevor Ron antworten konnte wurde die rötliche Verfärbung wieder heller und sein Gesichtsaudruck entspannte sich.

„Es hat aufgehört", stellte er fest und hielt die Hand weiter von sich, um sie besser betrachten zu können. „Komisch. Aber wenn es nochmal kommt solltest du dich in den Krankenflügel begeben", empahl ich ihm.

Seit gestern Abend, nachdem ich Pansy belauscht und in Rons Zimmer gerannt war, war die Stimmung zwischen uns viel entspannter.

Anstatt irgendetwas Unüberlegtes zu tun hatte ich mich gefasst und ihn um ein bisschen Zeit zum Nachdenken gebeten. Dann war Harry ins Zimmer gekommen und wir setzten uns zu dritt ins Bett, quatschten, lachten, und für einen Moment schien die komplette Welt wieder in Ordnung.

Freundschaft und Liebe und Loyalität waren so wichtige Dinge, die ich eigentlich immer im Auge behalten wollte.

Wir hatten bereits nach Petrichor gesehen, mit dem alles in bester Ordnung war und warteten nun mit den anderen Schülern auf Hagrid, der sich schon um einiges verspätet hatte.

Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, einen Lehrer zu informieren und war schon auf dem Weg gewesen, da hatte mich Ron im Gang der Scheune aufgehalten. Ungeduldig drehte ich mich zum Eingang der Scheune, um zu sehen, ob Hagrid bereits gekommen war.

Da fiel mir ein blonder Haarschopf ins Auge, der mein Herz aufhüpfen ließ. Malfoy war wieder da.

Moment mal, Malfoy war wieder da!

Dieser unterhielt sich gerade mit Blaise und Pansy. Er sah nicht zu uns herüber, aber ich wusste, dass das mit Ron kein Zufall gewesen sein konnte.

Wut machte sich in mir breit. Dieser Idiot, was wollte der eigentlich? Mir war bewusst, dass ich hier und jetzt nicht mit ihm reden konnte, aber ich hatte ihn nun wirklich in seine Schranken zu weisen.

Ich verstand nicht, was er wollte. Aber er sollte Ron gefälligst in Ruhe lassen, nur weil er plötzlich einen noch stärkeren Hass gegen ihn hegte als vor ein paar Tagen. Dieser Kerl regte mich so dermaßen auf! Wäre Hagrid in diesem Moment nicht gekommen wäre ich wahrscheinlich einfach auf ihn losgegangen.

„So liebe Schüler. Heut führen wir Einzelgespräche damit ich seh, wie eure Beziehung zu euren Wesen is. Danach schau ich mir die Tiere ma an. Habt ja bald eure Prüfungen, dewegen machen wa das ma lieber schon heute", erklärte uns unser Lehrer.

Ron und ich warteten in unserer Box, während Hagrid die aufgerufenen Schüler zu den Gesprächen in den ersten Raum der Scheune gingen. Bald kamen die Schüler des Nachnamen Gs, weshalb ich mich schonmal vor den Raum stellte. Hagrid rief mich auf und ich setzte mich auf einen Stuhl gegenüber von ihm.

„Hermine. Bei dir muss ich ja wohl nich so viele Fragen stellen", meinte er und zwinkerte mir zu.

Ich lächelte. „Ja. Bei Petrichor läuft alles sehr gut. Er fliegt schon draußen und sammelt sich auch seine Nahrung selber. Er hat Vertrauen gewonnen, auch zu mir. Und zu Malfoy erstaunlicherweise auch. Bei Ron fehlt da noch diese Verbindung, aber er kümmert sich trotzdem ziemlich gut um den Augurey", plapperte ich drauf los.

„Malfoy, hm? Interessant", kommentierte Hagrid aber nur brummend.

„Jedenfalls denke ich, der Augurey hat sich prächtig entwickelt. Aber das wirst du ja später selber sehen", fügte ich einfach noch hinzu. 

„Klingt wunderbar. Ich komm dann später ma gucken", verabschiedete er sich von mir und ich verließ den Raum.

Auf den Weg zurück zur Box von Petrichor dachte ich die ganze Zeit an eine Idee, die mir eigentlich ziemlich gut erschien. Immerhin musste ich unbedingt mit Malfoy reden.

Ich erzählte Ron von dem Gespräch mit Hagrid und erklärte ihm, dass ich mal auf die Toilette müsste, als Hagrid beim Buchstaben L angekommen war. Unauffällig verließ ich die Scheune, deren Eingangstür weit offen stand.

Ich wartete ab und horchte auf, als Malfoy aufgerufen wurde. Aufmerksam versuchte ich zu lauschen, aber ich konnte leider überhaupt nichts hören. Ihr Gespräch dauerte länger, als ich vermutet hätte.

Dann trat er aus dem Raum und sofort zischte ich leise „Malfoy!". Der Slytherin drehte sich zu meiner Richtung und grinste breit, als er mich sah. Lässig schlenderte er auf mich zu und ich trat hinter ihn und schob ihn am Rücken hinter die Scheune.

Normalerweise wäre ich wohl nervös geworden, weil ich seine warme Haut unter dem Stoff seines Hemdes spüren konnte, aber in diesem Moment war es mir egal.

„Hast du mich doch vermisst, Granger?", spottete er, sobald ich stehen geblieben war. Er drehte sich zu mir um und sah mir eindringlich in die Augen. Merlin, war er gewachsen oder hatte ich einfach nur lange Zeit nicht mehr so dicht vor ihm gestanden?

„Ich will, dass du Ron in Ruhe lässt", kam ich ohne Umschweife zu meinem Anliegen. 

Das Grinsen aus seinem Gesicht erlosch. „Ich habe keine Ahnung, wovon zu redest", entgegnete er und brachte mich so langsam zur Weißglut.

„Natürlich tust du das! Erst greifst du ihn an und vorhin hast du ihm die Hand verbrannt! Ich habe keine Ahnung, was du plötzlich gegen ihn hast, aber lass es einfach, haben wir uns verstanden?" Ich hob meinen Kopf und streckte selbstbewusst meine Brust hervor.

„Ich hab ihm gesagt, er soll seine dreckigen Finger von dir lassen. Er hat es nicht getan", meinte Malfoy mit bedrohlicher Stimme.

„Wann hat er das nicht getan?", wunderte ich mich laut. 

„Er hat seinen Arm um dich gelegt, falls du das vergessen haben solltest." Malfoy ging einen kleinen Schritt auf mich zu und sah auf mich hinunter.

Hatte Ron das? Meinte er, als er mich vorhin davon abhalten wollte, einen Lehrer zu holen?

Zuerst verstand ich nicht, was das Ganze überhaupt mit mir zutun hatte. Dann schlich sich eine Erklärung in meinen Kopf, die ich aber für nicht gerade sehr verständnisvoll hielt.

„Du willst nicht, dass ich mit Ron was habe nur weil wir ein paar Mal rumgeknutscht haben? Verletzt das etwa deinen Stolz? Dein Ego?", warf ich ihm schließlich vor.

Ich sah, wie sich Malfoys Kiefer anspannte. Erst da bemerkte ich, wie schnell mein Herz eigentlich klopfte. Hör auf, rief ich diesem in Gedanken zu.

„Du hast echt keine Ahnung." Malfoys Stimme klang kalt wie Eis. Seine Augen zeigten keine Gefühle. Dieser Anblick machte mir keine Angst. Er brach mir das Herz.

„Wovon keine Ahnung?", wisperte ich. 

„Vergiss es", sagte er und wendete sich von mir ab. Nein. Er hatte mich schon so oft verzweifelt und verwirrt zurück gelassen. Dieses Mal nicht.

„Malfoy, bitte rede mit mir", stammelte ich. Zu meiner Verwunderung blieb er stehen, sah mich aber trotzdem nicht an und redete auch nicht, so wie ich es verlangt hatte. Verzweifelt stand ich dort und fragte mich, was hier eigentlich passierte. Ich hatte ihm doch nur sagen wollen, dass er Ron in Ruhe lassen sollte.

Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, weil wir dort einfach nur hinter der Scheune standen und uns weder rührten, noch etwas sagten. „Okay. Dann halt nicht", flüsterte ich, doch ich wusste, dass er es gehört hatte.

„Ich wäre dann einfach nur dankbar wenn du meine Freunde und mich in Ruhe lassen könntest. Vor allem Ron." Mit diesen Worten setzte ich einen Schritt nach vorne, doch Malfoy hielt mich am Arm fest, weiterhin ohne mich anzusehen. Mit schneller klopfendem Herzen sah ich ihn an. Sein Blick war starr auf den Boden gerichtet. Die blonden Harre verdeckten seine Augen.

„Ich kann nicht."

Petrichor | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt