(48) Wenn deine Welt zusammenbricht

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- Hermine - 

Langsam schlug ich die Augen auf. Ich sah an eine weiße Decke. Mit dröhnendem Kopf blickte ich mich um. Ich lag im Bett eines Krankenzimmers.

Zögernd versuchte ich, mich aufzurichten, da schoss mir ein höllischer Schmerz durch die Schläfen. Mir entfuhr ein schmerzerfülltes Stöhnen. Merlin, warum tat das so weh? Schwer atmend gab ich auf, legte mich wieder hin und schloss die Augen.

„Ich hoffe, es schmerzt", hörte ich da die raue Stimme Malfoys.

Ich riss die Augen wieder auf. Der blonde Junge trat in mein Sichtfeld. Seine Haare waren zerzaust, sein Blick müde und sein Gesichtsausdruck ernst.

Ich blickte ihn an und versuchte mich daran zu erinnern, was passiert war. Einzelne Bilder tanzten vor meinem inneren Auge, doch sie wirkten nur wie einzelne Fetzen eines Kleidungsstück, wie einzelne Teile eines Puzzles.

Ich wagte mich nicht, vor Angst vor noch mehr Schmerz, zu sprechen. Was war passiert? Ich war aufgrund eines Briefs in Petrichors Box gegangen.. Dann kam... Parkinson?

Entsetzt riss ich die Augen auf, als ich in Gedanken rekonstruierte, was passiert war. Einige Stücke fehlten noch. Aber den verletzten Augurey hatte ich ganz genau gesehen.

„Petrichor", stieß ich hervor. Malfoy verzog das Gesicht und setzte sich neben mich auf das Bett. „Granger, es wird sich gerade um ihn gekümmert. Ruh dich aus."

„Was ist mit ihm?", fragte ich, obwohl meine eigene Stimme in meinem Kopf hallte und damit schmerzte. Malfoy seufzte und starrte in die Luft. „Es sieht nicht gut aus."

Ein beklemmendes, erdrückendes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus. Ich hob die Hände und legte sie mir über die Augen. „Es tut mir so leid", flüsterte ich.

„Sag das noch einmal und ich gehe", antwortete Malfoy genervt.

„Es war nicht Ron", erklärte ich ihm dann. „Es war Parkinson."

„Pansy?", fragte Malfoy mit großen Augen nach.

„Es war ihr Plan. Sie hat das mit uns rausgefunden. Sie hat Ron angestiftet. Ihm Lügen über dich erzählt. Ich denke, er wollte mich nur beschützen", erklärte ich.

Die Augen des Slytherins verzogen sich zu Schlitzen und pure Wut breitete sich in seinem Gesicht aus. „Wenn ich dieses Miststück erwische..." Er wollte aufstehen, wahrscheinlich um seinen gedanklichen Plan in die Tat umzusetzen.

„Bitte bleib", bat ich kurzerhand. Die Sorge um Petrichor machte mich krank. Ich wollte nicht alleine sein. Verwundert blickte Draco mich an, setzte sich dann aber wieder hin.

„Moment mal. Professor McGonagall, sind Sie noch da?", rief Draco und stand auf. 

Ich sah, wie die Professorin den Nebenraum verließ und auf uns zueilte. „Wie geht es Ihnen, Miss Granger?" 

„Gut", erwiderte ich schlicht.

„Können Sie uns erzählen, was passiert ist?" 

Irgendwie war es mir peinlich, das Ganze vor meiner Lehrerin zu wiederholen, aber sie musste ja wissen, was passiert war. Also begann ich mit dem Brief, erzählte vom Erstarrungszauber, Ron, Parkinsons Plan, dem Liebestrank, Petrichors Rettungsversuch, wie sie mir den restliche Trank eingeflößt hatte, wie Parkinson verschwunden war und wie Malfoy schließlich die Box betreten hatte. Schweigend hörten beide mir zu, bis ich mit meinen Erzählungen geendet hatte.

„Ruhen Sie sich aus, Miss Granger. Der Schulleiter und ich werden das übernehmen", sagte McGonagall dann gleichzeitig mitfühlend und zornig. Als sie ging, hallten ihre Schritte durch das große Krankenzimmer.

Ich seufzte und blickte Malfoy an, der den Blickkontakt zu mir mied. „Du weißt, dass das mit Ron gerade eben-"

„Ja, Granger. Ich weiß", unterbrach er mich knapp. Er versuchte normal zu schauen, doch ich erkannte etwas, was er zu verstecken versuchte.

„Selbst mit dem Trank hat sich das alles nicht richtig angefühlt. Ich liebe Ron nicht, wirklich. Und ich wollte dich nicht verletzen, bitte glaub mir. Ich habe mich in dich verliebt, Draco", wisperte ich.

„Ich weiß das doch", erwiderte er und sah mich an. In seinem Blick lagen so viele Gefühle, dass ich ihn nicht deuten konnte. Aber er war verletzt, das konnte ich sehen.

Ich streckte meinen Arm aus und griff nach seiner Hand. Er zuckte zusammen und starrte mich an. Unbeirrt nahm ich seine Hand und verschränkte meine Finger mit seinen. „Das wollte ich mit dir machen", fügte ich noch hinzu.

„Schon gut", seufzte Draco, dann schmunzelte er plötzlich. „Verständlich. Ich würde auch mit mir Händchen halten wollen." 

„Idiot", erwiderte ich und lächelte. Dabei spürte ich aber, dass es ein trauriges Lächeln war. Meine Kopfschmerzen hatten sich schon einigermaßen gelegt. „Wie lange wird er schon behandelt?", fragte ich. 

„Eine Stunde ungefähr", antwortete der Junge.

„Warst du bei ihm?" Die einfache Antwort war ein Kopfschütteln. „Madame Pomfrey ist sehr mit ihm beschäftigt." Ein Stich fuhr durch mein Herz. Ich wollte das alles nicht wahrhaben. Wut auf Parkinson spürte ich kaum. Ich spürte Verzweiflung und Anflüge von Schuldgefühlen.

Plötzlich räusperte sich jemand. Erschrocken sah ich auf. Madame Pomfrey stand vor uns.

Und bei ihrem Gesichtsausdruck brach eine Welt in mir zusammen.

   *

Malfoy und ich saßen am geöffneten Fenster, im hinteren Teil des Krankenzimmers. Ich starrte nach draußen, ohne wirklich hinzusehen. 

Etwas in meinem Hals verschnürte sich. Es brannte in mir, als ich mit den Tränen kämpfte. Meine Hand, die Dracos umklammerte, verkrampfte sich so sehr, dass ich seine Finger schmerzhaft zwischen meine quetschen musste.

Ich erinnerte mich an das erste, zarte, beinahe lautlose Knacken von Petrichors Schale beim Schlüpfen. Das Gefühl, ihn zum ersten Mal gesehen zu haben.

Erinnerte mich an den Moment, als Petrichor auf meine Schulter flog, seine Federn meine Wange kitzelten, er mich tröstete, weil er bemerkt hatte, dass ich traurig gewesen war.

Ich sah zu Draco, der hoch in die Wolken sah und fragte mich, ob er daran dachte, wie er mit Petrichor um die Türme von Hogwarts geflogen war.

Ständig hatte ich mir Sorgen darum gemacht, welche Gefahren ihn dort draußen erwarten würden. Die größte Gefahr aber war seine Loyalität gewesen, sein Vorhaben, mich vor Bedrohungen zu beschützen.

Schon wieder sah ich zu Malfoy herüber, meine Sicht durch Tränen verschwommen. Trotzdem erkannte ich seinen harten, emotionslosen Ausdruck. Draco drückte meine Hand, stark und fest und haltsuchend. Als er mich anblickte sah ich in seinen Augen die Trauer, die er wirklich spürte.

  *

"Miss Granger, Mr. Malfoy?"

Petrichor | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt