(41) sanfte Explosion von Farben

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- Hermine -

„Malfoy, geh wen anders verarschen. Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass dies nicht im Lehrplan von Arithmetik steht", stellte ich klar.

„In meinem Lehrplan aber", konterte Malfoy schmunzelnd, während er mit einer Hand seine Krawatte lockerte und mich dabei nicht aus den Augen ließ.

Oh Merlin. Als ich ihn dabei beobachtete warf ich einen Blick auf seinen Hals und musste mich zur Vernunft rufen.

Er beugte sich bereits zu mir vor, ich hielt ihn aber mit den Händen zurück. „Hier sind andere Schüler", flüsterte ich eindringlich. Noch blieb ich standhaft, doch wenn er mich weiterhin mit diesen Augen und dem Blick, der einen fast unweigerlich körperlich anzog, -oder auszog-, ansehen würde, dann wäre es mit der Standhaftigkeit wohl vorbei.

„Dann musst du eben leise sein", flüsterte er grinsend, die Krawatte hing jetzt nur noch lose um seinen Hemdkragen, den obersten Knopf hatte er aufgeknöpft.

Ich schluckte. „Nein, also, meine Freunde wollten vielleicht auch herkommen. Dann suchen sie mich."

„Vielleicht kommen sie ja gar nicht", murmelte er hoffend. Wie er dabei auf meine Lippen starrte trieb mich wortwörtlich fast in den Wahnsinn. Ich drückte ihn ein wenig mit meinen Händen zurück. Zumindest versuchte ich es. In Wahrheit verschaffte ich wohl nur wenige Millimeter Abstand mehr zwischen uns.

Das Problem, dass er mich vielleicht nur körperlich mögen könnte, war für mich geklärt und ich war mehr als froh darüber. Wie es nun zwischen uns weitergehen könnte, was unser Umfeld dazu sagen würde- was meine Freunde dazu sagen würden- das war immer noch ein Problem, das zwischen uns stand. Ein Problem, das ich nicht einfach so ignorieren konnte.

Ich wollte meine Gefühle nicht verstecken, sie nicht mehr anlügen, aber ich wollte meine Freunde auch nicht verlieren. Und Malfoy wollte ich auch nicht verlieren.

Ich schloss die Augen und stieß einen kaum zu hörenden, verzweifelten Seufzer aus.

In die Dunkelheit, die ich dann sah, mischte sich eine sanfte Explosion von Farben, als Malfoy hauchzart seine Lippen auf meine legte. Zärtlich hielt er eine seiner großen Hände an meine Wange und küsste mich mit einer solchen Vorsicht und Behutsamkeit, wie ich noch nie geküsst worden war.

Mit einem Kribbeln im Bauch, wie ausgelöst von tausend Schmetterlingen, erwiderte ich den Kuss voller Hingebung.

Mit diesem einzigen Kuss hatte Malfoy meine ganzen Sorgen wie weggefegt. Das leichte Lächeln von mir, das sich in den Kuss hineinschlich wurde noch größer als ich merkte, dass Malfoy auch lächelte.

Langsam löste er seine Lippen von mir. So langsam, dass ich beinahe spüren konnte, wie sich unsere empfindliche Haut millimeterweise voneinander trennte.

Verzögert öffnete ich meine Augen allmählich wieder. Malfoy legte seinen Kopf auf meine Schulter. Mit einem Mal war die Zeit wie stehen geblieben. Seine weichen Haare streichelten meine untere Wange und einen Teil meines Nackens.

Ich spürte seinen warmen Atem an meiner Haut, der mir augenblicklich eine leichte Gänsehaut bereitete. Wie automatisch legte ich eine Hand an seinen Kopf und streichelte ihn sanft.

„Darf ich dich entführen?", flüsterte er dann mit heißem Atem in mein Ohr.

„Wohin denn?", kicherte ich so leise es ging.

„In mein Bett natürlich."

Schmunzelnd zog ich einen Mundwinkel nach oben. Er klang so ernst, dabei wussten wir beide, dass das unmöglich war. „Das geht nicht", sagte ich dann nochmal zur Sicherheit.

Malfoy löste sich von mir, lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter seinem Nacken. Diese selbstbewusste Körperhaltung löste aus, dass ich mich am liebsten gegen ihn geschmissen hätte.

„Ich glaube, du hast Angst", provozierte er mich.

„Wovor?", fragte ich perplex.

„Davor, dich mir vollkommen hinzugeben."

Unvermittelt, die Herausforderung annehmend, machte ich einen Schritt auf ihn zu und küsste ihn. Ohne zu zögern erwiderte er. Merlin, wie sehr ich das vermisst hatte...

Er umklammerte meine Taille und zog mich näher zu sich heran, während ich meine Hände in seinen Haaren vergrub. Seine Lippen fühlten sich so wunderbar auf meinen an. Doch so schön es auch war, wir befanden uns in der Bibliothek und ich musste von ihm loslassen. Malfoy strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und streichelte meine Wange.

„Du bist echt gemein", flüsterte ich. „Mich zu provozieren, nur damit ich dich küsse."

„Du bist gemein. Auf meine Provokationen einzugehen, mich zu küssen und dann schmachtend und voller Sehnsucht hängen zu lassen", erwiderte der Slytherin.

Ein angenehmes und aufregendes Gefühl durchfuhr mich. Er konnte sich wirklich wunderbar ausdrücken, wenn er nur wollte.

„Morgen, eine Stunde nach dem Abendessen, im Raum der Wünsche?", schlug Malfoy flüsternd vor und sah mir so tief und eindringlich in die Augen, dass ich nur nicken konnte. Zusätzlich warf er mir dann noch sein umwerfendes Lächeln zu, bei dem er nur einen Mundwinkel nach oben zog.

Dann verschwand er und hinterließ mich mit einem bis zum Hals klopfenden Herzen, das aus meiner Brust springen wollte.

*

Nach dem Abendessen am nächsten Tag eilte ich schnell in mein Schlafzimmer und von dort aus ins Bad hinein. Ich stand vor dem Spiegel, betrachtete mich und war schon so aufgeregt wie seit Langem nicht mehr.

Schließlich sprang ich unter die Dusche und konnte dabei einen Gedanken nicht loswerden: Ich hatte wohl tatsächlich ein Date mit Draco Malfoy.

Seltsamerweise überlegte ich fieberhaft, welches Shampoo ich benutzen sollte. Darüber hatte ich mir noch nie wirklich Gedanken gemacht. Und nun öffnete ich jedes einzelne, um daran zu riechen. Merlin möge mir doch helfen, langsam drehte ich wirklich durch.

Als ich später mit frisch geföhntem Haar vor dem Kleiderschrank stand überlegte ich, was ich anziehen sollte. Etwas, was ich normalerweise sonst auch nie tat. Verwirrt über mich selbst griff ich nach einer einfachen Jeans und einen kaminroten Pullover.

Ich war wirklich erleichtert, dass Ginny heute Abend etwas mit Harry unternahm. Sonst hätte sie mir unaufhörlich misstrauische Fragen gestellt, weil ich sonst nie mehr als eine Minute vor dem Kleiderschrank stand.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich losgehen musste, um nicht zu spät zu kommen. Mehr als aufgeregt verließ ich das Zimmer. Auf dem Weg in den siebten Stock versuchte ich mich immer wieder selbst zu beruhigen, aber mein Herz schlug dafür einfach viel zu schnell.

Aus der Entfernung erkannte ich schon die Silhouette Malfoys, die an die Wand gegenüber des Wandteppichs von Barnabas dem Bekloppten gelehnt war. Mit jedem Schritt auf ihn zu wurde mein Versuch, ruhig zu bleiben, mehr zunichte gemacht.

„Hey, Granger", begrüßte er mich rau. Das Grinsen in seinem Gesicht war nicht nur zu sehen, sondern auch in seiner Stimme zu hören.

„Hey", entgegnete ich bloß und fühlte mich etwas unwohl aufgrund meiner Nervosität. Worauf hatte ich mich da nur eingelassen? Unsicher wandte ich meinen Blick ab. „Wusstest du, dass Barnabas als verrückt deklariert wurde, weil er Trollen das Ballett beibringen wollte?", platzte es mir mit einem Blick auf den Wandteppich heraus.

„Nein. Überrascht mich aber nicht, dass du sowas weißt", entgegnete er trocken, während er begann, dreimal vor ihm auf und abzugehen. Dabei sah er sehr konzentriert aus.

Ich wusste, dass er den Raum der Wünsche schonmal herbeigerufen hatte und auch, wozu er ihn gebraucht hatte. Doch diesen Gedanken schob ich schnell von mir. Vorurteile und Erinnerungen an eine Zeit, die längst vergangen war, waren jetzt unangebracht.

Eine Tür erschien, als dunklem und sehr glatt aussehendem Holz. Malfoy ging dicht an mir vorbei, streifte meinen Arm und zog langsam die Tür auf. „Nach Ihnen, Miss Granger."

Petrichor | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt