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Jeder hat seinen Alkohol

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Jeder hat seinen Alkohol. Ich finde genügend Alkohol im Existieren.
- Fernando Pessoa -

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»Entschuldigen Sie?«, ich gehe ein Stückchen weiter auf die drei älteren Damen zu, »Wissen Sie zufälligerweise, wo dieser Club hier liegt?«

Ich strecke ihnen meinen kleinen Zettel zu. Zwei der älteren Damen schenken mir ein freundliches Lächeln, während die Dritte mich voller Misstrauen im Blick anschaut. Sie murmelt etwas auf Spanisch, zumindest klingt es so, doch ich verstehe es nicht.

»Una niña, una mujer joven«, faselt sie leise vor sich hin. Ich schenke ihr nicht mehr meine Beachtung und widme mich den anderen Frauen, die mir den Weg erklären. Meine neue Arbeit!

Ich verabschiede mich mit einem Danke.

Es sind nur wenige Minuten, die ich benötige, um an meiner neuen Stelle anzukommen. Ich staune leicht, als das riesige Gebäude vor mir in die Luft ragt.

Ein paar Schaulustige oder auch Touristen machen einige beliebte Fotos, bevor sie sich weiter Richtung Strand begeben. Wenn ich mich richtig informiert habe, soll das „El silencio de la muerte", was so viel wie die Stille des Todes bedeutet, der erfolgreichste Club dieser Halbinsel sein.

Ich mein, wie viele Clubs wird es hier geben?
Wikipedia sagt zwei.

Ich atme tief durch, richte den Rock und stoße die schwere, schwarze Tür auf. Mich leitet ein helles Lachen durch die dunklen Gänge. Als ich mehr Licht erblicke, werde ich nervös.

Noch nervöser, als ohnehin schon.

»Hallo?«, meine Stimme stoppt die Bewegungen der Person. Und wie soll es auch sein; das Schicksal ist nicht auf meiner Seite - nie auf meiner Seite.

Denn Flora schaut mich an.

»Océane!«, gibt die Blondie erfreut von sich, bevor sie mich in meine Umarmung zieht und ich völlig perplex die Arme kurz um sie lege.

»Wie kommen wir zu der Ehre?«, ich werde an die Bar gezogen, während sich der weibliche Wirbelwind hinter das dunkle Holz begibt und mir etwas zu Trinken zaubert, »Sie will hier Arbeiten.«

Ich zucke bei seiner Stimme zusammen.
Verdammt, ausgerechnet er arbeitet hier?

Ich drehe mich langsam zu Xade um, während ich feststellen muss, dass er heute noch besser aussieht. Als Gestern oder als vor Monaten noch.

Seine schwarzen Haare liegen unordentlich auf dem Kopf, verleihen ihm einen unwiderstehlichen Ausdruck. Die gebräunte Haut, sowie der muskulöse Oberkörper stecken in einem schwarzen Hemd, dass ihm sehr gut steht. Zu gut.

Er steht nah.
So nah, dass ich sein Parfum riechen kann.

Ich schließe leicht die Augen, oh Xade. Du trägst genau dasselbe, wie damals.

»Du bist der Chef?«, erkundige ich mich. Du nickst; wie konnte ich nur so unvorsichtig sein und mir keine genaueren Gedanken darüber machen, wer hier arbeitet - dass du hier arbeitest.

»Und du möchtest hier Kellnerin sein?«, deine Augen gleiten von unten nach oben. Ich fühle deine Blicke noch; wie ich leicht bekleidet vor dir stand.

Wie du mich angewiesen hast.
Was ich ausziehen sollte.

Wie wir eins waren; den Moment genossen, uns hingaben. Die verletzliche Seite dem Anderen zeigten und dieser sie nicht ausnutze.

»Ich brauche einen Job.«

Ich brauche Geld, verdammt. Ich brauche eine finanzielle Absicherung, um hier anzukommen.

»Flora wird dir jetzt Alles zeigen. Jeden Cocktail, jeden Shot oder einfach nur das Lager. Und heute Abend wirst du mich bedienen, je nachdem wie gut du dich schlägst, wirst du hier Arbeiten«, du beugst dich noch ein Stück hinunter, »oder nicht.«

Und dann dreht er sich um.
Verlässt den Raum.

»Dann wollen wir nicht warten, hm?«, verschwörerisch zwinkert mir Flora zu. Ich beeile mich ihr nach zugehen, während sie schon einige Schritte Vorsprung hat in dem dunklen Flur.

»Das ist Lager ist nicht wirklich bedeutend für uns, das machen die Männer. Wann immer du eine Flasche oder einen Kasten brauchst, musst du dich nur an Xade wenden. Hör besser auf ihn, denn er wird sauer, wenn wir Frauen das schwere Zeug hier tragen, Süße.«

Na toll. Wie viel Glück habe ich nur?

Ich mustere den Raum und schlucke leicht. Nicht wegen der Größe, sondern wegen dem mulmigen Gefühl, dass sich in mir ausbreitet.

Je näher ich ihm komme.
Desto näher kommt er mir.

»Magst du dein Zeug hier ablegen, neben meins, solange wir uns den Getränken widmen?«

Ich lächele leicht, sie ähnelt meiner Schwester wirklich sehr. Nicht vom Äußerlichen, aber definitiv mit ihrer offenen, lieben Art.

Wir waren uns so ähnlich.
Und doch so fern.

Sie war der Sonnenschein, hat jeden mit ihrer fröhlichen Art begeistert. Während ich von jedem gemieden wurde, außer von ihm.

Außer von dir, Xade.

Du warst da, als ich mich verloren habe. Hast mir die Tränen von den Wangen gewischt, wenn sie wieder etwas gegen mich gesagt haben. Warst neben mir und hast mich in den Schlaf gewiegt, wenn sie mir wehgetan haben. Wenn ich blaue Flecke hatte.

Und was war der Dank?
Ich habe dich verlassen.

Ohne Worte. Ohne Handlungen.
Bin einfach gegangen, verschwunden.

Ich nehme nicht richtig war, dass wir uns wieder im Hauptgebäude befinden und du mir alles beibringen möchtest, »Gläser für die Shots befinden sich hier. Wann immer ein Gast eine Flasche wünscht, wirst du ihm sie nicht geben. Feiern werden hier angemeldet; du wirst am blauen Bändchen sehen, dass sich an den Handgelenken befindet, wann ein Gast eine Flasche kaufen darf.«

Deine sachliche, völlig verständliche Erklärung führt letzten Endes dazu, dass ich einige - doch nicht alles, was ihr anbietet - zubereiten kann.

»Ganz schön viel für den Anfang, nicht wahr?«, du bist auch leicht geschafft. Daher setzt du dich mit deinen schmalen Körper auf den Barhocker und siehst mich nur an.

»Ach, Océane. Endlich haben wir jemanden für unsere Bar gefunden, der nicht nur darauf aus ist, uns zu belügen, nicht wahr?«

Ich schlucke kaum merkbar.
Verdammt, Flora.

»Ich-«, ich möchte gerade etwas erwidern, als du mir wieder zuvor kommst, »Du trägst Geheimnisse in deinem Inneren, oder Océane? Denk nicht, dass ich deine Lügen nicht bemerke.«

Erschrocken schaue ich dich an. Das leichte Lächeln auf deinen Lippen macht mir Angst.

»Jeder hat Geheimnisse, aber deine Océane-«, du stehst auf, streckst dich kurz. »Deine Océane sind so groß, dass sie jeder sieht. Denn deine Augen spiegel den Schmerz.«

Du verlässt den Raum.
Lässt mich schockiert zurück.

»Und Schmerz macht uns verletzlich.«

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Anmerkung:
Wie findet ihr das Cover?

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✓ | Himmlisches VerbrechenWhere stories live. Discover now