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Ich will nicht sagen, dass ich erleichtert darüber war, dass die andere Person mit Schussverletzungen es nicht geschafft hatte, doch irgendetwas in mir verleitete mich dazu, mich doch so zu fühlen.

Sicherlich lag es daran, dass ich den Polizisten noch nie zuvor gesehen hatte und mir kein Bild von ihm machen konnte. Er war ein Unbekannter für mich - ein Fremder.

Obwohl ich häufig an die Angehörigen von verstorbenen Patienten denken musste, sie tröstete und ihnen mein Beileid aussprach, war der Tod doch Teil meines Jobs - so hart es auch klingen mag.

In diesem Fall schien es mir jedoch etwas tragischer als sonst, da es sich um jemanden handelte, der sich aus beruflichen Gründen für das Wohlergehen Anderer einsetzte, sie beschützte und verteidigte und dafür sein Leben ließ.
Auch schrecklich war, dass ich von Jason erfahren hatte, dass Steven Jacobs erst vor wenigen Monaten geheiratet hatte...

-

Mit weichen Knien stand ich kurze Zeit später wieder in seinem Zimmer.

Am Bett angekommen wanderten meine Augen zielstrebig zum Monitor und nahmen alle Vitalwerte ins Visier.

„Alles in Ordnung", stieß ich leise heraus und spürte, dass in diesem Moment eine kleine Last von meinen Schultern fiel.
Nach wie vor schien es ihm gut zu gehen.
Ich hatte sogar das Gefühl, seine Hautfarbe würde etwas rosiger wirken als gestern.

Vorsichtig klappte ich erneut das Laken ein Stück zur Seite um die Wunden an seiner Hüfte zu begutachten.
Auch hier konnte ich nichts Auffälliges feststellen - zum Glück.

Als ich mich vorbeugte um seine Verletzungen im Gesicht zu analysieren, schrillte mein Pieper plötzlich.
In Windeseile richtete ich die Bettdecke wieder und verließ nach einem letzten Blick in sein Gesicht das Zimmer.

-

Die Schicht verlief sehr hektisch.

Auch Mrs. Preston machte mal wieder einen verwirrten Eindruck auf mich und schien Sachen zu tun, die wenig Sinn ergaben.

Nachdem ich benachrichtigt worden war, assistierte ich mehrere Stunden lang bei einer Notoperation.
Das verlangte einiges von mir ab und raubte mir zunehmend mehr meiner Kräfte.

Erschöpft sehnte ich mich dem Feierabend entgegen.

Als ich ausgelaugt meine Sachen zusammenpackte um mich auf den Heimweg zu machen, fiel mir plötzlich ein, dass ich bei ihm noch nicht die Wunden im Gesicht versorgt hatte, da ich ja durch den Pieper gestört worden war.

Eigentlich hätte ich auch meine Kollegin Jenny bei der Übergabe darüber informieren können, dass sie es zu Ende bringen müsste, doch aus mir unbekannten Gründen wollte ich es selbst tun - Feierabend hin oder her.

-

Es war bereits dunkel als ich an diesem Tag erneut an sein Bett trat und das Mondlicht seine rechte Gesichtshälfte traf.

Er sah so friedlich aus.

Ich beugte mich zu ihm hinunter um ihm die Wundheilungssalbe aufzutragen.

Je näher mein Gesicht seinem Körper kam, desto mehr Wärme spürte ich auf mir, obwohl wir uns nicht einmal berührten.
Ich nahm seinen Körperduft war, der für mich so angenehm roch, dass ich kurz die Augen schließen musste, als ich ihn einatmete.

Wie konnte jemand, der für einen kurzen Zeitraum nicht mehr am Leben gewesen war und danach im Koma lag, so viel Körperwärme ausstrahlen und immer noch so gut riechen? Das hatte ich noch nie zuvor erlebt.

Nachdem ich die erste, etwas kleinere Wunde behandelt hatte, blickte ich auf die Stelle über seiner Augenbraue, um die Zweite zu mustern.
Sie war viel länger gezogen und tiefer.
Glassplitter hatten wir aus ihr entfernen müssen.

Da ihm seine welligen Strähnen in die Stirn fielen, die sogar sein Augenlid berührten, konnte ich die Wunde jedoch kaum erkennen.

Nervös beugte ich mich noch ein Stück weiter vor und ließ die Finger meiner rechten Hand langsam an sein Gesicht gleiten, bis sie auf seine Strähnen trafen.

Sie fühlten sich unglaublich weich an und glänzten im Licht des Mondes.
Wie in Zeitlupe strich ich sie vorsichtig zur Seite und berührte dabei mit meinen Fingerspitzen seine Haut.
Erst als ich mich wieder von seinem Gesicht löste bemerkte ich, dass ich die Luft angehalten hatte und ließ sie kontrolliert heraus.

Schon wieder hatte ich meine Atmung gestoppt.

Wieso tat ich das nur?

Im nächsten Moment bemerkte ich plötzlich, dass seine Pulsrate augenblicklich anstieg.
Der Monitor zeigte es mir. Der Patient wirkte unruhig.

Erschrocken riss ich meine Augen auf, öffnete meinen Mund und hielt erneut den Atem an.

Ich kannte diesen Prozess.

Er schien aufzuwachen.

Ohne meine Atmung wieder aufzunehmen, ließ ich meine Hand zu seiner wandern und umschloss sie behutsam. Ich wollte ihm zeigen, dass jemand da war und ihm Sicherheit geben.

Und tatsächlich spürte ich sofort, dass er darauf reagierte, da er den Griff erwiderte und seine Finger leicht anspannte um meine einzuschließen.

Mein Blick glitt wieder zu seinen Augen.
Ich konnte erkennen, dass seine Lider zu zucken begannen.

Ich dachte in diesem Moment gar nicht daran, Mrs. Preston Bescheid zu sagen, dass der Patient aufwachen würde, denn mein Gehirn schien sein eigenes Spiel zu spielen.

Wie gebannt starrte ich ihn an und spürte, wie mein Herz gegen meine Brust hämmerte und meine Hand in seiner feucht zu werden schien.

Ich hatte keine Ahnung wieso ich es tat, doch wie ferngesteuert hob ich meine andere Hand und legte sie behutsam auf seine Wange.

Ich konnte hören, dass sich sein Herzschlag nun wieder etwas zu beruhigen schien.

„Na komm, öffne deine Augen! Zeig sie mir! Ich möchte sehen welche Farbe sie haben und ob sie genauso aussehen wie ich sie mir vorstelle", flüsterte ich ihm auf einmal zu und erschrak mich dabei über mich selbst.

Was tat ich hier? Was sollte das? Nach dem was ich gerade gesagt hatte, war von mir selbst peinlich berührt.

Ich konnte meine Handlungen nicht kontrollieren, doch ich fühlte mich wie von meinen Instinkten geleitet.

Und dann geschah es plötzlich.

Ein gequältes Stöhnen entwich seinen Lippen.

Und kurz darauf geschah es: Er begann seine Augen zu öffnen.

Und nein!
Sie waren definitiv nicht so wie ich sie mir vorgestellt hatte.

Ich hatte mit einer gewöhnlichen Farbe gerechnet, doch hier kam eine Mischung aus grün und hellem braun hinter den Lidern mit den langen dunklen Wimpern zum Vorschein.

Obwohl es sehr dunkel um uns herum war, konnte ich seine leuchtenden Augen in der Finsternis des Zimmers erkennen und es kam mir vor, als würden sie mich anstrahlen und mir dabei tief in meine Seele blicken.

Ohne meine Hand aus seiner zu nehmen richtete ich mich etwas auf.

„Hallo. Du bist hier im St. George's Hospital. Ich bin Lynn Greenwood, Krankenschwester.
Bleib bitte ganz ruhig liegen.
Kannst du sprechen?", fragte ich ihn mit leiser, nervöser Stimme und blickte dabei weiterhin in seine wunderschönen grün-braunen Augen, die ebenfalls in meine Blauen schauten.

****

Hey ihr Lieben.

Hier kommt Kapitel 7.

Der Unbekannte ist aufgewacht, nachdem Lynn ihn berührt hat.

Was meint ihr, wird er sprechen und sich an alles erinnern was er erlebt hat und Lynn davon berichten? Steht er auf der guten oder der bösen Seite?

Kuss
-F. 😊

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWhere stories live. Discover now