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Es fiepte.

Es fiepte wie bei einem heftigen Tinnitus.

Das stechende, laute und ätzende Geräusch in meinen Ohren schien beinah mein Trommelfell zu durchschneiden.

Mein Hirn brummte.

Ich konnte meine Augen nicht öffnen, denn mein Kopf schmerzte zu sehr.
Zusätzlich hatte ich unglaubliche Angst davor zu sehen, was passiert war, sobald ich klare Sicht bekam.

Hatte Ben mir wirklich in den Bauch geschossen?

Hatte er es durchgezogen und mich mit seiner Waffe so schwer verletzt, dass ich in den nächsten Sekunden tatsächlich sterben würde?

Hatte mir das Adrenalin, das schon minutenlang durch meinen Körper rauschte, das Schmerzempfinden geraubt, sodass ich gar nicht spürte, dass ich eine riesengroße Wunde hatte und mir die Kugel zahlreiche zerstörte Organe bescherte?

Ich fühlte mich so leer und vernebelt, so verwirrt.

Noch immer konnte ich meine Augen nicht öffnen.

Ich presste meine Hände auf die Ohren und versuchte gegen den Ton im Inneren anzukämpfen.

Doch nichts tat sich. Mein Empfinden blieb unverändert und das Geräusch in meinen Ohren schrillte weiter vor sich hin.

Bis ich plötzlich eine Stimme hörte.

Eine, die ich kannte.

Gut kannte. Zu gut.

„Nur eine Bewegung und ich knall sie ab!", ertönte es hinter mir.

Ungläubig verharrte ich, nachdem ich meine Hände von den Ohren genommen hatte.

Dann eine weitere Stimme.

Eine verängstigte.

„Nein, bitte... tu's nicht... bitte nicht...!"

Meine Schläfen pochten immer noch so sehr, dass ich bezweifelte, ich könnte meine Augen öffnen.

Diese Situation musste ich mir einbilden!

Der Kopfschmerz wurde nun unerträglich.

Es fühlte sich an, als ob sich ein Blitz durch mein Gehirn zog. Und das mit einer quälenden Geschwindigkeit.

Die Angst, die ich ausgestanden hatte, gepaart mit den Auswirkungen des Schusses, ließen mich wahrscheinlich halluzinieren.

Ich hob die Arme wieder, um mir die Handballen mit all der Kraft, die ich noch aufbringen konnte, gegen die Augäpfel zu drücken.

Dann wurde das Fiepen in meinen Ohren lauter, sodass ich nur noch wirres Gerede ohne jeglichen Sinn wahrnehmen konnte. Alle Stimmen vermischten sich und ich hatte keine Ahnung mehr, wem ich sie zuordnen sollte.

Mein Hirn schien mir in den letzten Sekunden meines Lebens noch einmal alles schwer machen und mir schonungslos den Rest geben zu wollen.

Einen einzigen Versuch wollte ich noch starten, denn ich hatte noch nicht komplett aufgegeben.

Ich mobilisierte all meine Kräfte, rieb mir die Augen, atmete einmal tief ein, dann aus, und begann, meine Lider endlich zu öffnen.

Unter dröhnenden Kopfschmerzen machte ich sie ein paar mal auf und wieder zu.
Meine Sicht war verschwommen.

Auch wenn ich keine Details erkennen konnte, wusste ich, dass ich mit Sicherheit sehen würde, wenn Ben mir in den Bauch geschossen und ich eine riesengroße Wunde gehabt hätte.

Also blinzelte ich erneut und sah an mir herunter, während das Stimmengewirr meinen Kopfschmerz weiter antrieb.

Mit aufgerissenen Augen und dem Kinn nicht weit von meiner Brust entfernt, versuchte ich zu erkennen, wie groß die Schusswunde wirklich war.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWhere stories live. Discover now