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Nervös wartete ich auf seine Antwort und ließ dabei meine Augen über sein Gesicht fahren.

Obwohl ich es bisher nicht von ihm gehört hatte, war ich mir sicher, dass es ihm besser ging.
Es wirkte, als wäre das Leben zurück in seinen Körper geflossen.
Seine dunklen welligen Haare langen wild auf seinem Kopf, seine Augen glänzten und seine Haut hatte etwas Farbe bekommen - die Wangen schimmerten rosa.

Ich fühlte, dass es so war.

„Danke ... es wird".

Seine raue, angenehme Stimme versetzte mir ein kurzes Ziehen. Das Adrenalin schien mir durch den Körper zu schießen.

Ich hatte es gewusst: Er konnte sprechen und er fühlte sich besser.
Sehr gute Nachrichten! Erleichterung machte sich in mir breit.

Doch ich wollte mehr.

Ich wollte endlich all meine Fragen stellen.
Wer bist du? Wie alt bist du? Was hast du mit dem Raubüberfall zu tun? Kennst du den Besitzer des Juweliergeschäfts? ...
Meine Gedanken überschlugen sich, doch ich musste es langsam angehen lassen.
Obwohl er wieder zu Kräften kam, durfte ich nichts überstürzen oder unangemessene Fragen stellen, die nichts mit ihm als Patienten zu tun hatten.

„Das freut mich. Man sieht es dir ... auch an."
Ich blickte ihm tief in die Augen und fühlte mich wie hypnotisiert von ihnen.

„Wie heißt du denn?", fragte ich vorsichtig.
So eine harmlose Frage würde er ja beantworten können. Sie hatte auch nichts mit der Tat zu tun.
Hier in der Klinik mussten wir seinen Namen in Erfahrung bringen, um bekannte Gesundheitsdaten abrufen und neue hinzufügen zu können. Auch seine Familie mussten wir so bald wie möglich kontaktieren.

Ich fragte mich in diesem Moment das erste Mal, wie er wohl heißen könnte, welcher Name zu ihm passte.
Doch kein einziger kam mir in den Sinn.

Wohl oder Übel musste ich auf seine Antwort warten.

Einige Sekunden schwieg er und es schien, als würde er seinen Namen mit seinen Augen an der Decke suchen, bis er mich wieder anblickte.

„Keine Ahnung."
Er hob kurz die Schultern.

„Ich ... ich weiß es nicht ..." Er atmete tief aus und brach den Blickkontakt ab. „Kann mich ... nicht erinnern", sagte er leise und voller Verzweiflung und starrte dann auf seine Finger.

Mist!
Es schien, als hätte er sein Gedächtnis verloren - eine Amnesie. Nicht selten nach traumatischen Erlebnissen. Es konnte Tage, Wochen oder sogar Jahre dauern bis die Erinnerungen zurückkamen - oder sie blieben für immer verschwunden.

Doch ich konnte nicht locker lassen. Ich musste doch etwas in Erfahrung bringen können - irgendetwas.

„Ok, ich will versuchen dir zu helfen."

Tiefsitzende, lange bestehende Gedanken konnten häufig am schnellsten erinnert werden, das wusste ich. Ich hoffte so sehr ich hatte Glück.

„Kannst du dich an deine Kindheit erinnern? Wo bist du aufgewachsen, wie sah es dort aus? Stadt oder Land? Hast du ein Bild deiner Eltern vor Augen?", platzte es voreilig aus mir heraus.

Angespannt fixierten meine Augen sein Gesicht.

Er blieb stumm, schluckte kräftig und biss sich dann auf die Lippe.

Oh nein! Das ging nach hinten los.
Ich hatte zu viel gewollt. Ich überforderte ihn.

Hastig versuchte ich meinen Fehler wieder gut zumachen.

„Es ... es tut mir leid. Ich merke, dass du dich nicht erinnern kannst. Ich möchte dich nicht bedrängen", sagte ich kopfschüttelnd.

Ich hatte ihn zu sehr unter Druck gesetzt. Ich musste etwas tun.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt