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Immer noch vollkommen benebelt von unseren elektrisierenden Küssen, stieg ich mit wackeligen Beinen die Treppenstufen hinauf und fragte mich, wie es nun weitergehen würde und wurde nur noch nervöser, als ich über die Möglichkeiten nachdachte.

Oh je!
Mein wild pumpendes Herz ließ mir einfach keine Zeit zum Durchatmen.

Schritt für Schritt bahnten wir uns den Weg nach oben. Mittlerweile war es fast dunkel draußen.
Im Schlafzimmer angekommen, schloss mein Gast die Tür hinter sich und jeder von uns ging wie gewohnt auf seine Seite des Bettes zu. Ich gab mir große Mühe dabei, mich so langsam wie möglich zu bewegen und irgendwie Zeit zu schinden, um abzuwarten zu können was er tat.

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass sich mein Patient hinlegte und seinen Körper dann in meine Richtung drehte, bevor er seine Decke hochzog und mich mit einem warmen Lächeln musterte.

Ich dagegen stand immer noch an der Kante des Bettes und seufzte gedankenversunken, als ich auf seinen Mund starrte.
Diese schönen Lippen. Einfach nur traumhaft. Und jetzt wusste ich auch, wie sie sich anfühlten: Weich, warm, zärtlich... Ich fragte mich, ob die Situation von vor wenigen Minuten eine einmalige Sache war, oder ob ich noch öfter in den Genuss kommen würde, sie auf meinen zu spüren.
Und das brachte mich zu meinem Problem zurück, denn ich wusste nicht, was das zwischen uns eigentlich war, oder ... werden sollte.

Als er schließlich neben sich auf die Matratze klopfte, wusste ich, dass es kein Entkommen mehr gab und setzte mich nach kurzem Zögern zu ihm auf das Bett. Und obwohl ich es eigentlich verhindern wollte, starrte ich ihm sofort wieder auf seinen Mund, bevor ich meine Augen schloss und kräftig ausatmete, um mich wieder zur Besinnung zu bringen.

„Gucken wir ... einen Film?", fragte ich ihn mit leiser Stimme, in der Hoffnung ich könnte mich damit endlich erlösen.

„Wenn du das möchtest, klar." Auch seine Sprechlautstärke hatte abgenommen.

Schnell griff mein Gast nach der Fernbedienung, während ich mich fragte, ob ich das wirklich wollte. Aber zumindest hatte ich das Gefühl, ich könnte uns beiden etwas Zeit geben unsere Gedanken nach dem Kuss zu ordnen, während die Flimmerkiste lief.
Oder ... war nur mein Verstand völlig durcheinander und für ihn war alles absolut klar?
Ich hatte keinen blassen Schimmer, traute mich aber auch nicht, das anzusprechen, was gerade in mir vorging.

Als eine Doku über afrikanische Tiere anlief, blickte mein Patient zu mir herüber und ich nickte stumm. Er ließ die Fernbedienung auf den Nachttisch wandern.

Obwohl ich solche Filme mochte, war es mir in diesem Moment total egal was lief. Das Einzige, was mir wichtig war, war nicht sprechen zu müssen, denn ich brauchte einfach Zeit. Zeit, um mit mir selbst klarzukommen. Um herauszufinden, wer ich in den letzten Tagen geworden war und ob ich dieser Jemand wirklich sein wollte. Ob ich Gefühle für einen Fremden entwickelt hatte, der sich selbst genauso fremd war, wie mir. Einen, von dem ich weder den Namen, noch das Alter oder irgendetwas aus seiner Vergangenheit kannte. War es überhaupt möglich, sich in so eine Person zu verlieben? Und das in so einer kurzen Zeit? In einem Versteck auf der Flucht?
Ich wusste es nicht. Absolut nicht. Geschweige denn, wie er zu der Situation stand - oder zu mir.
Was mir allerdings immer klarer wurde war, dass ich in seiner Nähe sein wollte, denn die löste wunderschöne Gefühle in mir aus.
Dass wir uns mochten war nun nicht mehr zu leugnen. Doch, war da mehr? Und wenn, war es nur körperliche Anziehung, oder doch etwa ...?

Okay, ich musste mich bremsen. Für heute war das einfach zu viel für mich. Ich kam nicht weiter. Mein Herz schlug schon wieder Purzelbäume.
Und dann fiel mir auch noch die Sache mit dem Etui ein ... Stopp! Nein nein! Ich musste abschalten.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt