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Ach du meine Güte!

Ich wurde auf frischer Tat ertappt.

Zögerlich drehte ich mich um und hoffte, mir würde währenddessen die perfekte Ausrede in den Sinn kommen, warum ich im Kaufhaus ein Dutzend Boxershorts in den Händen hielt, anstatt krank im Bett zu liegen.

Doch leider schien mein Hirn wie leergefegt. Ich musste irgendwie Zeit gewinnen.

„Hey Sue! Schön dich zu sehen. Alles gut bei dir? Was gibt's Neues in der Klinik?", fragte ich meine ehemalige Kollegin, die jetzt vor meiner Nase stand, um von mir abzulenken.

Nervös grinste ich und begann dann auf meiner Unterlippe herumzukauen.

„Och eigentlich nicht viel", antwortete sie. „Es ist stressig wie sonst auch und Mrs. Preston verhält sich immer seltsamer. Manchmal steht sie nur stumm neben den Pflegern und wirkt abwesend, aber ich hoffe, das legt sich bald wieder.
Naja, du fehlst uns auf jeden Fall. Ohne dich ist die Klinik nicht dieselbe."

Ich vermisste die Kollegen und die Arbeit dort ebenfalls, doch dass ich allerdings auch bei mir zu Hause einen Patienten hatte, den ich rund um die Uhr pflegen musste, konnte sie ja nicht ahnen. Glücklicherweise...
Dass Mrs. Preston in letzter Zeit oft nicht bei der Sache war und nicht reagierte wenn wir Fehler machten, weil wir etwas übernahmen, was eigentlich nicht in unserem Aufgabenbereich lag, war mir nicht unbekannt. Jason hatte meinen Gast falsch behandelt, weil sie ihm inkorrekte Anweisungen gegeben hatte. Anstatt sein Herz durch die Druckmassage wieder zum Schlagen zu bekommen, hatte sie ihn zum Defibrillator greifen lassen. Durch meinen Blackout hatte ich die Situation vollkommen falsch eingeschätzt und einfach nur tatenlos zugesehen. Was war denn nur los mit ihr?

„Das ist lieb von dir. Ich vermisse euch auch. Dass mit der Chefin etwas nicht stimmt, haben sicherlich auch alle anderen mitbekommen. Ich hoffe sehr, dass sie bald wieder die Alte ist und sich ihr Problem löst. Vielleicht... ist sie einfach nur überarbeitet."

Sue nickte.

„Das hoffe ich auch.
Aber zurück zu meiner Frage: Was machst du hier?"
Irritiert sah sie mich wieder an.

Tja Sue, ich kaufe ein paar Unterhosen für den Kerl, den ich aus dem Krankenhaus geschleust habe und bei mir zu Hause verstecke und pflege. Du weißt schon, der, der bei dem Überfall dabei war, Kugeln im Körper hatte und reanimiert werden musste. Der ist höchstwahrscheinlich kriminell und auf der Flucht vor zwei Gangsterbossen. Aber nichts genaues weiß man nicht, weil ja er sein Gedächtnis verloren hat. Aber irgendwie wollte ich ihm helfen, von daher...

Shit! Das hätte ich ja wohl kaum sagen können, oder?

Aber was dann?

Mittlerweile fühlte es sich so an, als hätte ich die komplette Haut meiner Unterlippe abgenagt. Angespannt suchte ich weiter nach einer Ausrede, als plötzlich mein Handy klingelte.

Entschuldigend sah ich Sue an und dann auf das Display. Der Anruf kam von meinem Festnetz, was nur eins bedeuten konnte:

Er rief mich an...

Auch das noch! Warum gerade jetzt? Was wollte er?

Aber ich musste dran gehen. Vielleicht war ihm etwas passiert.

Noch bevor er etwas sagen konnte, überrumpelte ich ihn hastig.

„Hallo Opa, ich habe ein paar gute Unterhosen für dich gefunden. Das war kein Problem. Jetzt besorge ich nur noch meine Halstabletten und dann komme ich. Ist alles in Ordnung bei dir?"

Auf die Schnelle war mir nichts besseres eingefallen, als ihn für meinen Großvater auszugeben und hoffte, er hatte verstanden, warum ich so reagierte.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWhere stories live. Discover now