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Grün-karamell.

Drei grün-karamell leuchtende Augenpaare blickten mich an und die dazugehörigen Münder lächelten dabei.

Es schien ein Urlaubsfoto zu sein, das mein Patient in den Händen hielt, denn die Personen darauf standen am Strand, bei strahlend blauem Himmel.

Sie wirkten glücklich und entspannt.

Zwei Jungs und eine ältere Frau.

Eins der Kinder war - unschwer zu erkennen - mein Patient.

Seine weichen, dunklen Wellen hingen ihm nass vom Baden in die Stirn und er grinste bis über beide Ohren. Sommerbräune zierte seinen Oberkörper und sein Gesicht und auf seiner Nase konnte ich feine Sommersprossen erkennen.

Der andere Junge - schätzungsweise vier oder fünf Jahre älter - hatte hellere Haare und einen leichten Sonnenbrand auf den Wangen.

Auch ihn erkannte ich direkt.

„Connor! Connor Fox", sprach ich meinen Gedanken laut aus.

Er war es - kein Zweifel.
Er hatte die gleiche Augenfarbe wie mein Patient und die ältere Frau neben ihm. Dass sie verwandt waren, war mit diesem Bild nun endgültig besiegelt.

Der Radiomoderator hatte einen Arm um meinen Patienten gelegt und selbst die Hand der Dame auf seiner Schulter.

Sie war wunderschön.
Hellblonde, mit grauen Strähnen versehene Locken umspielten ihre Schultern und brachten ihr Grün-karamell unheimlich zum Strahlen.
Ihre Augen und Mundwinkel zierten feine Lachfalten und die Nase besaß ein paar Sprenkel.
Die Frau wirkte liebevoll und warmherzig und ihr Lächeln ansteckend. Ich konnte förmlich spüren, dass die Kinder sie über alles liebten.

Mein Patient blickte das Bild vollkommen ausdruckslos an und fuhr weiterhin mit seinem Daumen über das Glas.

„Connor", wiederholte er irgendwann nickend. „Definitiv."

Er ließ seine Augen von Connors zu denen der älteren Frau und wieder zurück wandern. Und das gleich mehrere Male. In seinem Kopf schien es unermüdlich zu arbeiten. Doch wieder einmal mit wenig Erfolg.

„Anscheinend bin ich das... mit Connor. Ich erinnere mich weder an ihn noch an die Frau, doch ich wusste, dass etwas hier unter der Matratze liegt, das mir viel bedeutet."

Er sah zu mir auf.
„Obwohl ich es nicht weiß, weil ich mich nicht erinnere, spüre ich, dass ich hierher gehöre. Ich... ich habe das Gefühl, als ob ich hier viel Zeit verbracht hätte."

Nachdenklich musterte ich sein Gesicht.
„Vielleicht hast du ja mal hier unten übernachtet. Oder sogar... irgendwie... gelebt?"

Mein Patient fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und zuckte dann mit den Schultern.

„Ich habe keine Ahnung. Aber... möglich wäre es."

Seufzend stand er auf, legte das Bild auf den Nachttisch und sah sich noch einmal ganz genau im Raum um. Er fuhr mit den Fingern über sämtliche Möbel und nahm herumstehende Gegenstände in die Hände, setzte sie wieder ab und visierte neue an. Minutenlang schien er so seinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen zu wollen. Ich beobachtete jede seiner Gesten.

Nachdem er kopfschüttelnd die Runde beendet hatte, platzierte er sich wieder neben mir auf der Matratze.

„Setz dich nicht unter Druck. Die Erinnerungen werden zurückkommen - da bin ich mir ganz sicher."

Ich legte ihm meine Hand auf die Schulter.

„Wir sind einen großen Schritt weitergekommen, vergiss das nicht."

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWhere stories live. Discover now