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Roxanne seufzte und fuhr sich mit den Fingern durch ihre langen schwarzen Haare.

Dann sah sie mich eindringlich an.

„Ich denke schon.
Ich... ich habe heute morgen ein Telefongespräch meines Vaters mitgehört. Zwar nur mit einem Ohr, aber... ich bin mir sicher, dass einige Male die Worte ‚alte Fabrik' gefallen sind."

Die alte Fabrik. Na klar.

Dort war ich selbst früher oft genug.

Zahlreiche Male wurde ich Zeuge der Vorbereitungen für die Drogenverkäufe, die in der Fabrik abliefen.

Abwiegen der Mengen, Verpacken in Tütchen, verstauen.

Dieses Versteck war perfekt, denn die alte Fabrik war abgelegen und mittlerweile völlig zugewachsen.

Wenn Lynn dort um Hilfe rief, würde sie niemand weit und breit hören können.

Auch falls sie es schaffen sollte abzuhauen, würde sie wahrscheinlich stundenlang planlos durch die Natur irren, da das nächste Dorf weit entfernt lag.

Bei dem Gedanken daran, wie es ihr dort ergehen könnte, schnürte sich mir die Kehle zu.

Ich hatte ihr Leben nicht nur total durcheinandergebracht, sondern auch noch bewirkt, dass sie letztendlich entführt und festgehalten wurde.

Mein Herz hämmerte.

Ich ließ meinen Kopf hängen und fuhr mir seufzend meinen Nacken mit den Händen ab. Immer und immer wieder und immer und immer stärker - in der Hoffnung eine Lösung zu finden Lynn zu befreien.

Es war glasklar: Sie wollten mich.

Sie wollten, dass ich im Austausch gegen Lynn zur Polizei ging und für all die Taten der Braxtons die alleinige Schuld auf mich nehmen würde - damit sie leichter untertauchen konnten.

Ich wusste, dass ich Lynn in Gefahr bringen würde, wenn ich Mr. Bellinger informierte, denn - obwohl interne Ermittlungen liefen - war immer noch nicht sicher, welche Beamte eine Verbindung zu Ben hatten und ihn eventuell vorwarnen könnten.

Alleine würde ich es nicht schaffen mein Mädchen zu befreien, doch meine beste Freundin könnte mir sicherlich helfen.

Ich brauchte nur einen wasserdichten Plan...

-

Eine halbe Stunde später war ich mit Roxy in ihrem Auto.

Doch ich saß nicht etwa auf dem Beifahrersitz oder der Rückbank, sondern lag im Kofferraum.

Zusammengezogen spürte ich jede Bodenwelle unter mir, während ich in die Dunkelheit um mich herum starrte.

Rox half mir, damit ich mich unbemerkt in die alte Fabrik schmuggeln konnte, um Lynn dort rauszuholen.


Als das Atmen begann schwer zu werden, hörte ich zu meiner Erleichterung, dass das Auto plötzlich hielt, meine beste Freundin den Motor abstellte und das Fenster herunterließ.

Nervös wartete ich darauf, was als nächstes geschehen würde.

Ging unser Plan auf?

Kam Roxanne glaubwürdig rüber?

Würden wir Lynn retten können?

Ich kniff die Augen zu, als Roxy anfing zu sprechen.

„Hey Shane, wie geht es dir?", fragte sie in zuckersüßem Ton.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWhere stories live. Discover now