25 (Lesenacht: Kapitel 3/5)

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Mit beschämtem Blick musterte er mein Gesicht und ich hatte den Eindruck, er würde versuchen, meine Meinung daraus ablesen zu können.

„Ich weiß es nicht. Absolut nicht. Es gibt keinerlei Hinweise, die dich be- oder entlasten.
Ich glaube aber, es ist schonmal ein gutes Zeichen, dass du nicht von der Polizei gesucht wirst. Das müsste ja eigentlich bedeuten, dass du - zumindest vor dem Gesetz - ein unbeschriebenes Blatt bist."

„Tja", er zuckte mit den Schultern.
„Könnte aber auch heißen, dass ich ein Superkrimineller bin, den die Justiz bisher noch nichtmal auf dem Schirm hat."
Dabei musste er selbst wieder schmunzeln, obwohl ich merkte, dass ihm danach eigentlich gar nicht zumute war.

„Hmm. Auch wieder wahr", revidierte ich meine Aussage und schmiss ein paar Tomatenstückchen in die Schüssel.
„Aber dann hoffe ich, dass das zumindest auch so bleibt..."

„Ich auch...
In meinem Kopf herrscht echt absolutes Durcheinander. Wenn ich nur endlich wüsste, wer ich bin, oder wenigstens, wer diese Typen sind, die mich verfolgt haben", murmelte er und sah nachdenklich auf die Möhrenschalen auf seinem Brettchen.

Ich hatte wirklich Mitleid mit ihm und wollte ihm helfen, doch ich hatte absolut keine Ahnung, was wir noch hätten tun können.

„Ich glaube einfach, du musst dir Zeit geben. Irgendwann ist sicherlich alles wieder da", versuchte ich ihn aufzumuntern.

„Ja... kann schon sein Lynn. Ich hoffe nur, dass ich mich nicht vor mir selbst erschrecke, wenn es soweit ist..."

-

Nach dem Essen mit anschließender Spülaktion hatte ich meinem Patienten noch wie versprochen die Füße gebadet und staunte kurz darauf nicht schlecht, als ich sah, dass er es geschafft hatte, sich selbstständig bett- beziehungsweise sofafertig zu machen.

„Wow! Ich bin begeistert!", rief ich und klatschte in die Hände, als er langsam, aber ohne Hilfe aus dem Bad lief und vor mir stehen blieb.

„Begeistert von mir in deinem rosa Flauschbademantel?", hauchte er verschmitzt, grinste schief und zog seine linke Augenbraue in die Höhe. Leider hatte ich es versäumt, ihm
einen Schlafanzug zu kaufen, weshalb er weiterhin in diesem Ding schlafen musste.

„Haha!", gab ich nur augenverdrehend von mir und fühlte mich doch ein wenig ertappt, obwohl ich wirklich nur die Tatsache meinte, dass er es allein geschaffte hatte, sich umzuziehen und selbstständig aus dem Bad zu gehen.

Ich musterte ihn.

Irgendwie hatte er ja schon recht.
Ihn konnte einfach nichts entstellen. Nicht mal so ein Bademantel.

Einige Sekunden lang starrten wir uns in die Augen und ich konnte mal wieder nur daran denken, wie wunderschön sie leuchteten und spürte gleichzeitig, wie sich meine Wangen erwärmten.

Doch ich versuchte mich loszureißen, um der Situation schnellstmöglich zu entkommen.

„Okay, dann nimm noch die Medikamente und schlaf gut."

Kurz lächelte ich, drehte mich dann um und lief schnurstracks in mein Schlafzimmer. Dort konnte ich noch ein „Mache ich. Wünsche ich dir auch", durch die bereits geschlossene Tür hören.

Schnell zog ich mich um, ließ die Jalousien herunter und warf mich mit dem Bauch nach unten auf mein Bett. Ich war total fertig.

Sofort kam Charly angerannt und sprang auf die Matratze.

„Och nööööööö, du sollt doch nicht auf meiner Decke liegen und alles vollhaaren...", stöhnte ich in mein Kissen.

Doch meine Katze störte sich nicht an meinen Worten, sondern machte es sich direkt neben mir bequem.

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz