8

7.4K 240 29
                                    


Als ich nervös auf eine Antwort wartete, fielen meine Blicke wieder auf seine Augen. Sie waren einfach beeindruckend schön.

Eine Mischung aus leuchtendem Grün außen und Karamellbraun um die Pupille herum.
Sowas hatte ich noch nie zuvor gesehen.

Es war für mich fast unmöglich meine Augen von seinen zu nehmen. Ich wollte mir jedes noch so kleine Detail von ihnen anschauen und jeden Sprenkel und jede Musterung zur Kenntnis nehmen.
Sie faszinierten mich.

Als er jedoch begann seine Lippen einen Spalt breit zu öffnen, schnellte mein Blick zu seinem Mund hinab.
Die Wunde an der Seite seiner Unterlippe zeichnete sich immer noch deutlich ab, schien aber langsam zu heilen.

Was passierte jetzt? Wollte er mir antworten? Konnte er mir antworten?

Wie gebannt starrte ich auf seinen Mund, der sich ein paar Mal lautlos öffnete und dann wieder schloss.

Er wurde unruhig.

Tiefe Falten bildeten sich auf seiner Stirn, als er seine Brauen verzog, seine wunderschönen Augen zusammenkniff und seine langen dunklen Wimpern auf seine Wangen presste.

Er atmete laut aus und stöhnte verzerrt dabei.
Er schien sich zu quälen.

Ich musste reagieren.

„Ok, bitte sieh mich ... wieder an", forderte ich etwas außer Atem.

Es kostete ihn viel Überwindung und Zeit, doch langsam tat er es.

„Gut so. Du scheinst mich zu verstehen. Ich werde dir jetzt ein paar Fragen stellen. Wenn du sie mit „Ja" beantworten kannst, drück bitte meine Hand."

Und er befolgte meine Anweisungen wieder. Ich spürte, dass er meine Hand mit kurzem Druck umfasste, ehe sich seine Muskeln entspannten und seine wieder locker in ihr lag - genauso, wie schon seit einigen Minuten.

Ok. So konnte es klappen. Ich musste weitermachen.

„Hast du Schmerzen?"

Ein kurzer Druck.

„Ok... Wo? An der Hüfte?"

Wieder ein kurzer Druck.

„Alles klar. Ich werde deine Medikation etwas erhöhen und dir ein leichtes Beruhigungsmittel verabreichen, damit du dich entspannen kannst. Du brauchst jetzt viel Ruhe.
Du wurdest angeschossen und wir haben dich operiert und sogar ... wiederbeleben müssen."

Er riss seine Augen weit auf und sein Körper verspannte sich augenblicklich erneut.

Oh nein, er durfte sich jetzt nicht aufregen!

Natürlich war diese Information ein gewaltiger Schock für ihn, doch ich musste ihm ja irgendwie erklären warum er hier war und den Grund seiner Schmerzen erläutern.

„Ich weiß...
Aber bitte versprich mir ruhig zu bleiben. Das ist jetzt absolut wichtig, damit du dich schnell erholen kannst.
Du bist hier bestens aufgehoben.
Ich verspreche dir, ich werde alles tun was mir möglich ist, damit es dir bald besser geht."

Mit schief gelegtem Kopf lächelte ich ihn zögernd und vorsichtig an und versuchte beruhigend auf ihn zu wirken.

Dabei verlangsamte ich meine Atmung sehr stark, in der Hoffnung, die Ruhe meines Körpers würde sich auf ihn übertragen.

Nach einigen Sekunden schien es tatsächlich zu klappen.

Er sah mir in die Augen und begann seine im Zeitlupentempo zu schließen und sofort darauf genauso langsam wieder zu öffnen.

Seine Muskeln entspannten sich wieder und sein Atem wurde ruhiger. Auch der Druck seiner Hand in meiner ließ nach.

Sehr gut!

„Ich bin ich einer Minute wieder da."

Langsam löste ich unsere Hände von einander.
Das fühlte sich nicht gut an.

Nach einem letzen Blick in seine Augen
verließ ich das Zimmer, um Sekunden später mit passenden Medikamenten zurückzukehren.

„Ich werde dir jetzt etwas gegen die Schmerzen und zur Beruhigung geben. Gleich wirst du dich etwas besser fühlen und hoffentlich ein bisschen schlafen können. Das wäre wichtig für eine schnelle Genesung.
Mach dir keine Sorgen, ich denke du bist auf einem guten Weg. Ich habe deine Werte immer wieder beobachtet seit du hier bist. Sie sehen gut aus."

Wieder lächelte ich ihn an und startete die Medikation.

Zum Glück blieb er weiterhin ruhig.

Als alles erledigt war, zog ich einen Hocker an sein Bett, setzte mich darauf und ergriff erneut seine Hand.

Jetzt fühlte es sich wieder richtig an.
So, als ob wir unsere Hände schon 1000 Mal gehalten hätten. Ein gewohntes, vertrautes Gefühl.

„Ich werde jetzt die Vorhänge zuziehen und dich dann alleine lassen. Du wirst wahrscheinlich gleich müde werden und einschlafen. Ich sehe später wieder nach dir. Vielleicht bist du - wenn du wieder aufwachst - sogar schon in der Lage etwas zu essen."

Wieder lächelte ich ihn beruhigend an und hielt kurz inne um sein Gesicht zu analysieren.
Er schien sich tatsächlich weiter zu entspannen. Die Medikamente zeigten schnell ihre Wirkung.

„Ich gehe jetzt und hoffe, du schläfst schön."

Obwohl ich es nicht wollte, entzog ich meine Hand seiner erneut und wieder kam dieses ungute Gefühl dabei in mir auf.
Eigentlich wollte ich weiterhin bei ihm bleiben um zu sehen, ob er ruhig schlief.
Aber das wäre aus medizinischer Sicht absolut unnötig gewesen.

Er blickte mir wieder in die Augen und plötzlich sah ich, dass sich auf seinen vollen Lippen ein schwaches Lächeln bildete.
Kurz darauf schloss er seine Augen und ließ den Kopf seitlich in das Kissen sinken.

Oh Gott, war dieses Lächeln schön!

Ich spürte wie sich eine leichte Hitze auf meine Wangen legte.

Er hatte mich angelächelt!

Aber ich wusste doch selbst am besten, dass er gerade Schmerz- und Beruhigungsmittel bekommen hatte - die ich ihm ja sogar verabreichte.

Sie hatten ihn benebelt.

Ich musste mich echt zusammenreißen!

Kurz schüttelte ich den Kopf um mich meiner wirren Gedanken zu entledigen und erhob mich schnell vom Hocker. Leise zog ich die Gardinen zu.

Dann verließ ich langsam sein Zimmer, schloss die Tür, verharrte dort einen Moment lang und atmete schwer aus.

Mein Atemrhythmus war total durcheinander.

_

„Sehr gut Lynn. Sie haben vorbildlich reagiert.
Es bleibt abzuwarten, wie sich der Patient entwickeln wird. Aber ...", Mrs. Preston klappte seine Akte wieder zu, stand von ihrem Drehstuhl auf und lächelte mich an „... so wie es aussieht, wird er wieder.
Sorgen Sie bitte dafür, dass regelmäßig nach ihm gesehen wird wenn Sie jetzt gehen und dafür, dass ich informiert werde, wenn er wieder wach ist. Dann werde ich einige Tests durchführen."

„Natürlich, Mrs. Preston. Das wird aber nicht nötig sein, ich würde heute gerne eine Doppelschicht einlegen, wenn das in Ordnung wäre."

****

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWhere stories live. Discover now