23 (Lesenacht: Kapitel 1/5)

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„Ich bin fix und fertig", rief ich, als ich mich mit den schweren Einkaufstüten auf das Sofa neben meinen Patienten fallen ließ.

Der Einkauf hatte mich unfassbar gestresst und an meinen Nerven gezerrt. Wer hätte denn auch ahnen können, dass Sue mich beim Männerunterhosenkauf erwischen und damit so aus der Fassung bringen würde.

„Das merkt man dir an..."
Bemitleidend musterte mein Gast mich.

„Aber jetzt erzähl mir doch erstmal, warum ich mich am Telefon für deinen Opa ausgeben musste", fragte er dann belustigt.

„Naja...", begann ich, „... als ich ungefähr zehn deiner neuen Unterhosen in den Händen hatte, kam Sue von hinten an und hat mich mit Fragen durchlöchert, warum ich die kaufe und nicht krank zu Hause liege. Du weißt schon, meine Kollegin aus der Klinik." Er nickte.
„Und dann hast du angerufen und ich dachte, es wäre schlau dich als meinen Opa auszugeben, für den ich das alles kaufen musste. Das hat sie mir zum Glück auch geglaubt.
Dann allerdings..."

- Ich stockte kurz -

„... hat sie mich gefragt, ob DU Kontakt zu mir gesucht hättest..."

Sofort riss er seine Augen weit auf und starrte mich geschockt an. Die Anspannung stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.

„Und...?", fragte er fast flüsternd aus sicherlich trockener Kehle.

„Ich hätte ... ‚nein' geantwortet, aber bevor ich das konnte, hat sie selbst gesagt, dass das ja völliger Quatsch wäre und dass ihr die Frage leidtäte."

„Shit", hauchte er verzweifelt und fuhr sich dann mit den Fingern durch sein dichtes Haar. Sofort darauf fiel ihm wieder eine dunkle Welle zurück in die Stirn.

Als ich seine Geste beobachtete, ertappte ich mich dabei, wie ich die Strähne anstarrte und sie ihm in meinen Gedanken vorsichtig wieder aus dem Gesicht strich.
Doch es blieb bei meinen Vorstellungen, denn ich rührte mich nicht.

„Hey", hauchte ich stattdessen, als ich mich wieder gefangen hatte, und beugte mich etwas vor. Das führte dazu, dass er wieder hochschaute und sich unsere Blicke trafen.
Diese Augen... Ich konnte einfach nicht wegsehen.

„Es ist alles gut gegangen. Niemand ahnt etwas", sagte ich in der Hoffnung, meinen Gast damit etwas beruhigen zu können.

„Nein... Darum geht es nicht Lynn."
Er schüttelte den Kopf. „Wegen mir musst du deine Freunde und Familie anlügen und dich von ihnen abschotten."

Das schon wieder...

„Ich will es aber so. Das ist meine Entscheidung. Bitte stell das nicht mehr in Frage, ok? Das hatten wir doch alles schon."

Er wendete den Blick ab und starrte auf den Teppich.

„Fällt mir schwer", gab er nach kurzer Zeit von sich.

Ich seufzte. So wie er - im selben Moment.

Wir schauten uns wieder an und begannen herzhaft zu lachen.

„Au, lachen tut mehr weh als ich dachte", beschwerte er sich halb grinsend und halb schmerzverzerrt.

Schmunzelnd musterte ich seinen Oberkörper, der wieder in meinen rosa Bademantel gewickelt war.

„Wie hat es denn mit dem Waschen geklappt?", fragte ich neugierig und ablenkend zugleich.

„Es hat eine Weile gedauert, aber dann doch ganz gut funktioniert. Nur ...", er brach kichernd ab.

„... nur an meine Füße kam ich leider nicht dran. Ich ... kann mich noch nicht bücken."

Von seinem Kichern angesteckt grinste ich ihn an.

„Dann werde ich das später übernehmen, Mr. Stinkefuß", scherzte ich.

„Hey", sagte er schmollend und glitt daraufhin langsam mit dem Rücken an der Sofalehne herab, um mir dann seinen Fuß entgegen zu strecken.

„Nimm das!", rief er und hielt ihn mir direkt unter meine Nase.

Erschrocken begann ich zu quietschen und angeekelt mein Gesicht zu verziehen, während ich versuchte, gackernd sein Bein wegzuschieben.
Unser schallendes Gelächter hallte durch die komplette Wohnung.

Nachdem wir uns wieder eingekriegt hatten, stand ich vom Sofa auf und präsentierte meinem Patienten, was ich alles für ihn besorgt hatte.

Zufrieden nickte er.

„Vielen Dank dafür Lynn. Sobald ich an Geld gekommen bin, zahle ich dir alles doppelt zurück, das verspreche ich dir."

„Kein Problem. Ich mache das gerne", bestätigte ich ihm ehrlich.
„Nur dafür müssten wir langsam mal klären, wer du eigentlich bist..."

Mit großen Augen und nachdenklichem Blick nickte er mir zu. Er schien bisher immer noch keinerlei Erinnerung zurückgewonnen zu haben.

Und plötzlich überkam es mich.

„Ich hab eine Idee!", rief ich und warf ihm dann einige seiner neuen Klamotten zu.

„Wir ziehen dich jetzt an und machen einen kleinen Ausflug. Ich werde dir etwas zeigen."

Er nickte überrascht, aber auch erwartungsvoll.
„Ok. Ich bin gespannt."

Mit den Socken in der Hand kniete ich mich vor die Couch und forderte ihn somit auf, sie sich von mir anziehen zu lassen. Schief grinsend ließ er es zu und zuckte mit der linken Augenbraue.

„Übrigens: Deine Füße riechen nach gar nichts", klärte ich ihn auf und wackelte ebenfalls kichernd mit meinen Augenbrauen.

„So eine gute Schauspielerin bist du also! Aha", neckte er mich und ließ beide Füße nacheinander in die Socken gleiten.

Nachdem er mit meiner Hilfe ebenfalls in die Beine der Jogginghose gestiegen war, schaffte er es, sie alleine hochzuziehen und den Bund unter seiner großen Naht zu platzieren, damit die Hose nicht daran scheuerte.

Ich war heilfroh, dass ich ihm ausgerechnet dabei nicht helfen musste.

Dann steckte ich ihn in seine Schuhe und befreite Rücken und Brustkorb von meinem rosa Flauschbademantel. Vorsichtig zog ihm den Hoodie  über den Kopf und schob seine Arme in die Ärmel, bevor ich den Pulli behutsam an seinem Oberkörper herunterfallen ließ.

Obwohl er sich frisch gewaschen hatte - und dazu noch mit meinem Shampoo - roch er immer noch nach sich selbst. So, wie ich es kannte und mochte. Wie war das nur möglich?

Langsam beugte ich mich zu ihm herunter, legte meinen Kopf in seine Halsbeuge und griff ihm mit meinen Armen unter seine, um ihn vorsichtig nach oben zu ziehen.

Erstaunlicherweise funktionierte es mittlerweile ziemlich gut. In meinen Armen kam er zum Stehen kam und ich war erneut überrascht darüber, wie groß er war.

Kurz verharrten wir eng umschlungen, ehe ich die Stille unterbrach und mich drehte.

„Ok, jetzt müssen wir aber los. Gut, dass es gleich dunkel wird, dann sind wir unauffälliger", wies ich ihn ein.

Er schüttelte schmunzelnd den Kopf und löste seine Arme von meinem Rücken.

„Ich habe keine Ahnung was du mit mir vor hast Lynn."

****

Hey meine Lieben ☺️,

Teil 1 von 5 der Lesenacht ist da.

Was hat Lynn bloß vor?

Lass gerne ein Sternchen da, wenn euch das erste Kapitel gefallen hat. Ich würde mich riesig darüber freuen und hoffe, ihr lest noch ein bisschen weiter.

Hier gehts zu Teil 2, wenn ihr bereit seid für mehr...

☺️

Criminal tension - Wie ich einem Straftäter verfielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt