Deux

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"Ich brauche deine Hilfe", begrüßte ich meine Schwester verzweifelt, als sie ans Telefon ging.

"Ich freu mich auch von dir zu hören, Lou", antwortete sie amüsiert und ich konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen.

"Ja, sorry. Schön, dass du rangehst und mir helfen möchtest."

"Moment mal, ich hab noch nicht gesagt, dass ich dir helfe. Das kommt auf die Art der Hilfe an."

"Keine Sorge, ich will nicht, dass du mir deinen Mann ausleihst, damit ich so tun kann, als wäre er mein Freund. Mein Problem ist vollkommen anderer Art und deutlich komplexer."

"Dann gib mir die Kurzfassung", forderte Coco mich auf und ich seufzte erstmal tief.

"Kurz und schmerzlos: Ich muss am Dienstag zu einem Formel-1-Rennen fahren, um die zwei französischen Fahrer für einen Artikel zu interviewen. Und du weißt ja, welcher Franzose unter anderem in der Formel 1 fährt."

"Oh mein Gott", entfuhr es meiner Schwester und ich schnaubte ironisch.

"Das kannst du laut sagen."

"OH MEIN GOTT!", schrie sie plötzlich in den Hörer und ich verzog schmerzerfüllt das Gesicht.

"Toll, jetzt bin ich taub. Vielleicht schreibt mich der Arzt ja deswegen krank, sodass ich nicht nach Südfrankreich in die Höhle des Löwen muss."

"Glaubst du wirklich, dass es so schlimm wird? Es gab mal eine Zeit, in der er dich wirklich geliebt hat. Wenn man jemanden so sehr liebt, dann hasst man ihn doch nicht für immer."

"Vielleicht erinnerst du dich daran, dass ich behauptet habe, ich hätte ihn betrogen? Klingelt da was in deinem Gedächtnis? Ich hab ihn wahnsinnig verletzt, das würde ich mir an seiner Stelle wahrscheinlich auch nicht verzeihen."

Coco seufzte und ich konnte mir ihr besänftigendes Lächeln beinahe vorstellen. Schon als wir klein gewesen waren, war es dieser Gesichtsausdruck gewesen, der mich immer beruhigen konnte. In diesen Momenten hatte ich gewusst, dass meine große Schwester alles im Griff oder zumindest eine halbwegs geniale Idee hatte, um mich aus der Scheiße zu ziehen, in die ich mich kopfüber gestürzt hatte.

"Ihr seid nicht mehr die Kinder von damals, besonders er nicht. Du könntest ihm doch die Wahrheit sagen, vielleicht versteht er es", schlug sie vor, aber ich schüttelte sofort den Kopf.

"Das kann ich nicht. Wir sind beide besser dran, wenn er weiterhin glaubt, ich hätte ihn betrogen."

"Es bringt nichts, wenn ich dir jetzt widerspreche, oder? Also schön, lassen wir das. Wie kann ich dir helfen?"

"Ich brauche deinen Rat, welche Klamotten ich mitnehmen soll und wie ich es schaffe in Pierres Anwesenheit professionell zu bleiben."

"Alles klar, fangen wir mit der deutlich leichteren Aufgabe an: Deine Outfits. Den hohen Temperaturen entsprechend, professionell und seriös, aber nicht prüde und altbacken. Schalte mal auf Kamera um, damit ich den Inhalt deines Kleiderschranks begutachten kann."

Ich tat, was Coco mir sagte und innerhalb der nächsten Stunde schauten wir uns gefühlt jedes Kleidungsstück aus meinem Schrank an bis ich für die Woche gut ausgestattet war. Das meiste waren Sommerkleider, einfach weil ich davon unheimlich viele besaß, aber es waren natürlich auch andere Sachen dabei, damit ich mich allen Umständen anpassen konnte. Sobald ich meinen Koffer mit den Klamotten gefüllt hatte, begegnete ich Cocos ernstem Gesichtsausdruck auf meinem Handydisplay.

"So, jetzt zu deinem dringenderen Problem. Was denkst du wird passieren, wenn du Pierre gegenüberstehst?"

"Ganz ehrlich? Ich hab keine Ahnung. Es war eine Sache seinen Werdegang zu verfolgen und die Rennen und das alles zu gucken, aber ihn wirklich zu treffen ist eine ganz andere Nummer. Wahrscheinlich kriege ich kein Wort raus. Und er wird wahrscheinlich sauer sein und mich die ganze Zeit böse anschauen", mutmaßte ich und ließ mich mit einem gequälten Stöhnen auf mein Bett fallen.

Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.Where stories live. Discover now