Vingt-cinq

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Der Sonntag wurde in unserem Ablaufplan vollständig von der Emilia-Romagna eingenommen und es war das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit, dass wir an einem Tag nur in einer Region arbeiten mussten.

Trotzdem verlief es nicht wirklich entspannter als sonst und zur gewohnten Hektik mischte sich heute auch noch meine innere Unruhe wegen des Rennens, das ich verpasste. Wenige Male erlaubte ich mir einen kurzen Blick auf mein Handy, um nachzuschauen, auf welcher Position Pierre gerade war, aber zu mehr kam ich nicht.

Erst als Thierry und ich uns mit Fast Food ins Auto setzten, um in die nächste Region auf unserer Liste zu fahren, in der die Interviews morgen früh weitergehen würden, erlaubte ich mir mehr als nur ein paar Sekunden, um mir das Rennergebnis anzusehen.

Pierre war Achter geworden, was angesichts der bisherigen Leistung seines Teams in diesem Jahr ein überraschend gutes Ergebnis war. Dass ich mich freute, entging auch Thierry nicht, denn er musterte mich schmunzelnd.

"Na, gute Neuigkeiten?", erkundigte er sich und biss dann in seinen Burger.

"Sowas in der Art, ja. Das Formel-1-Rennen, von dem ich dir erzählt habe, ist ziemlich gut gelaufen."

"Für deinen Ex-Verlobten?", hakte Thierry nach und ich nickte.

"Genau. Er fährt für ein italienisches Team, deshalb ist es umso schöner, dass er hier ein gutes Ergebnis einfahren konnte", erklärte ich, bevor ich ebenfalls in meinen Burger biss und einen kurzen Blick auf die vor uns liegende Straße warf.

"Darf ich dich was fragen?", wiederholte mein Kollege seine Frage von gestern Abend und ich grinste schwach.

"Natürlich. Ich kann dir nur keine Antwort versprechen", wiederholte auch ich meine gestrigen Worte.

"Was ist damals zwischen euch passiert? Wieso habt ihr nicht geheiratet?"

Einen Moment lang schwieg ich und starrte nachdenklich auf die Straße, dann seufzte ich leise. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, Thierry die Wahrheit zu erzählen, denn was hätte das schon geändert? Pierre und er kannten sich nicht und sie würden sich auch niemals begegnen, also wozu schweigen?

Aber dann wurde mir klar, dass es nicht fair wäre, die Wahrheit zu verraten. Nichtmal meine Eltern kannten die ganze Geschichte, Esteban hatte ich sie am Rennwochenende in Le Castellet ebenfalls verwehrt, also wieso sollte ich mich einem Kollegen anvertrauen, den ich eigentlich kaum kannte?

Obwohl eine Stimme in meinem Kopf mich anschrie, es Thierry einfach zu erzählen, entschied ich mich für die Lüge, die ich damals selbst in die Welt gesetzt hatte.

"Ich hab ihn betrogen. Es war einige Monate vor der Hochzeit und ich wusste, dass ich ihn nicht heiraten kann ohne es ihm zu gestehen. Loyalität und Treue gehörten schon immer zu Pierres wichtigsten Werten, deshalb war es keine Überraschung, dass ich die Hochzeit damit gesprengt habe."

Unsicher schaute ich zu Thierry und begann mich unweigerlich zu fragen, was er jetzt wohl von mir dachte. Betrüger wurden normalerweise abgelehnt und abwertend behandelt, daran hatte ich mich vor fünf Jahren schnell gewöhnen müssen und es wäre keine wirkliche Überraschung gewesen, wenn das jetzt auch wieder passiert wäre.

"Wow, damit hab ich nicht gerechnet", gestand der Dunkelhaarige und ich biss mir instinktiv auf die Lippe.

"Findest du mich jetzt verachtenswert?", fragte ich leise und starrte verlegen auf meine Hände, weil ich Angst vor der Antwort hatte.

"Nein. Menschen machen Fehler und ich bin sicher, dass du dich selbst deswegen schon genug fertig gemacht hast", entgegnete Thierry und ich atmete erleichtert auf.

Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.Where stories live. Discover now