Huit

527 29 4
                                    

Den gesamten Donnerstag hatte ich wie geplant im Hotel verbracht und an meinem Artikel gearbeitet.

Über Pierre zu schreiben und dabei die richtige Balance zwischen Er-ist-mein-Ex-Verlobter und Ich-bin-eine-neutrale-Journalistin zu finden, erwies sich als genauso schwierig wie ich es befürchtet hatte, aber als ich den fertigen Artikel kurz vor Ende meiner von Monsieur Roux gesetzten Frist nach Paris schickte, war ich überraschenderweise recht zufrieden.

Artikel über einzelne oder mehrere Personen kannte ich aus meinem normalen Fachbereich sehr gut und wegen der sportlichen Aspekte hatte ich mich ein wenig an den Artikeln des Kollegen orientiert, den ich vertreten musste, und natürlich auch etwas eigenes Wissen eingebracht.

Beim Abendessen versuchte ich den Artikel dann so gut wie möglich aus meinen Gedanken zu verbannen, denn ab jetzt lag der Fokus auf dem Artikel über das Rennen und die sonstigen Highlights des Wochenendes. Leider bedeutete das auch, dass ich ab dem nächsten Tag wieder in den Paddock musste.

Zu meiner grenzenlosen Erleichterung begegnete ich freitags jedoch niemand weiterem aus meiner Vergangenheit und konnte besonders ein Aufeinandertreffen mit Pierre oder Charles vermeiden, indem ich mich im Motorhome von Alpine versteckte. Esteban hatte es mir angeboten, als er bei einem unserer Gespräche im Paddock meine nervösen Blicke bemerkt hatte und ich war ihm wirklich dankbar für seine Hilfe.

Gemeinsam mit Elena schaute ich mir dort das erste und zweite freie Training an, aß dazwischen mit den beiden zu Mittag und lernte Estebans Freundin besser kennen.
Elena war nicht nur wahnsinnig hübsch, sondern auch super nett und herzlich. Sie entlockte mir ein paar lustige alte Geschichten über Esteban aus unserer Kindheit und Jugend, ohne dass sich schlechte Erinnerungen in meinem Kopf ausbreiteten und das tat mir zu meiner Überraschung richtig gut.

Aber so perfekt der Tag auch größtenteils gelaufen war, beim Verlassen der Strecke lief ich natürlich niemand anderem als Pierre über den Weg und unsere Blicke verhakten sich ineinander.
In diesem Moment schien es, als hätte sich nichts verändert. Ich versank immer noch in seinen atemberaubenden Augen wie früher und mein Herz begann wild zu pochen.

Ein Teil von mir wollte für immer hier stehenbleiben und den Blickkontakt halten, der andere Teil wollte sich schleunigst wieder verstecken. Aber ich bekam gar nicht erst die Wahl, weil Pierre derjenige war, der den Blick abwandte und mich wie ein Häufchen Elend stehen ließ.
Seufzend biss ich mir auf die Lippe und folgte ihm mit einigem Abstand zum Ausgang des Paddocks, wohlwissend, dass wir uns bei meinem Glück wahrscheinlich morgen schon wieder begegnen würden.

Als ich am nächsten Morgen in den Paddock kam, war er noch relativ leer, was sich aber damit erklären ließ, dass ich deutlich früher als gestern und am Mittwoch war. Mir wurde jedoch schnell bewusst, dass es wohl keine meiner besten Ideen gewesen war, früher zu kommen, denn dadurch wurde mir wesentlich mehr Aufmerksamkeit zuteil als sonst und ob ich das gut oder schlecht fand, wusste ich noch nicht genau.

Zumindest fühlte es sich so an, als ob wesentlich mehr Kameras als sonst auf mich gerichtet wären und kurz bevor ich das Motorhome von Alpine erreichte, wo Esteban und Elena schon auf mich warteten, sprach mich sogar einer der Fotographen an und fragte mich, ob ich für ihn posieren würde.

Weil ich nicht unhöflich sein wollte und ich vor ein paar Jahren aus Geldnot sogar mal etwas gemodelt hatte, stimmte ich zu und ließ ihn ein paar Fotos machen, verzichtete aber darauf, ihm den Namen meines Instagram-Accounts zu verraten, um mich zu verlinken.
Als ich das hinter mich gebracht hatte, überwand ich eilig die letzten Meter zum Motorhome und war froh, als sich die Tür hinter mir schloss.

"Lou!", wurde ich sofort fröhlich von Esteban begrüßt und sowohl er als auch Elena umarmten mich. Es war ein wirklich schönes Gefühl, mit den beiden sowas wie Freunde gefunden zu haben und außerdem erleichterte es mir den Aufenthalt auf dem Gelände, weil ich mich hier hervorragend vor der Außenwelt verstecken konnte.

Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.Where stories live. Discover now