Six

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Angespannt folgte ich Charles und seiner Freundin zum Motorhome von Ferrari und schluckte hart, als ich eine Kamera entdeckte, die uns dabei verfolgte. Das Letzte, was ich wollte, war, dass das alles hier aufgenommen wurde und dann im Internet auftauchen würde.
Ich hatte Pierre zwar zu Beginn seiner Formel-1-Karriere verlassen, aber trotzdem hatten einige Medien ein ziemliches Spektakel daraus gemacht und ich befürchtete, dass mein Auftauchen im Paddock schlafende Hunde wecken könnte.

Als ich die Tür des Motorhomes hinter mir schloss, erlaubte ich mir ein kurzes erleichtertes Aufatmen, weil wir jetzt zumindest die Kameras hinter uns gelassen hatten, dafür wurde ich aber jetzt mit einer Menge skeptischer Blicke angestarrt.
Einer der Ferrari-Mitarbeiter lief zu Charles und sprach ihn auf Italienisch an, aber meine Sprachkenntnisse waren nicht gut genug, um etwas von ihrer kurzen Unterhaltung mitzubekommen.

Vermutlich ging es um meine Anwesenheit hier, denn mein Presseausweis baumelte wie ein Signalschild von meinem Hals und ließ jeden auf 50 Meter Entfernung wissen, dass man in meiner Nähe nichts Falsches sagen durfte, weil es sonst sofort in irgendeinem Artikel landen würde. Dass ich das nicht vorhatte, weil ich nur als Aushilfe hier war und noch von früher wusste, wie unangenehm einem sowas sein konnte, wenn man das Thema des Artikels war, wusste natürlich niemand.

"Lou, kommst du?", riss Charles mich aus meinen Gedanken und ich beeilte mich, ihm und Charlotte zur Treppe zu folgen, die uns in den ersten Stock führte.

Ich versuchte mich nicht neugierig umzuschauen und irgendjemandem einen Anlass zu geben mich hochkant rauszuschmeißen, auch wenn ich tausend Mal lieber draußen im Paddock als hier drinnen mit Pierres bestem Freund gewesen wäre.

Schließlich erreichten wir eine Art Aufenthaltsraum mit einigen roten Sofas und einer großen Fensterfront, die jedoch abgedunkelt und hoffentlich blicksicher war.
Charles wechselte ein paar leise Worte mit seiner Freundin, dann schaute er mich auffordernd an.

"Setz dich."

Seine Stimme bescherte mir eine Gänsehaut, denn es fühlte sich so an, als wäre man auf einem Polizeirevier und der Kommissar würde einen mit diesen Worten im Verhörraum begrüßen. Unsicher folgte ich der Anweisung und ließ mich in einen der roten Sessel sinken, dann schüttelte ich schwach den Kopf.

Was tat ich hier eigentlich?
Charles hatte mir gar nichts zu sagen und ich hätte ihm vorhin einfach widersprechen und nicht mitkommen können. Aber aus irgendeinem Grund hatte ich das nicht getan.

War es, weil ich unterbewusst hoffte, er würde mir etwas über Pierre erzählen? Darüber, wie es ihm in den letzten fünf Jahren ergangen war?
Ich wusste nur das, was in den Medien publik geworden war und was an den Rennwochenenden so alles erzählt wurde, aber Charles war wohl derjenige, der Pierre am besten kannte und dem mein Ex-Verlobter sich am ehesten geöffnet hätte.

Als der Monegasse sich mir gegenüber aufs Sofa fallen ließ und seine Freundin sich schweigend neben ihn setzte, wuchs das Unwohlsein in meiner Brust und ich verkniff mir ein hartes Schlucken. Stattdessen spielte ich die Selbstbewusste und erwiderte Charles' Blick voller Entschlossenheit.

"Also, du wolltest, dass ich mitkomme und hier bin ich. Was genau versprichst du dir jetzt davon?"

"Erklärungen", entgegnete der Monegasse bloß und ich biss mir eine Sekunde lang auf die Lippe.

"Erklärungen wofür?"

"Spiel nicht die Dumme, das steht dir nicht", fuhr Charles mich harsch an und ich zuckte leicht zusammen, "Ich will wissen, wieso du das getan hast. Ihr wart glücklich, ihr wolltet heiraten und dann betrügst du ihn?"

Ich schwieg, weil ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte. Wenn ich Charles jetzt gestand, dass ich Pierre in Wahrheit nie betrogen hatte, würde er das sofort seinem besten Freund erzählen und dann würde Pierre mich fragen, wieso ich ihn angelogen hatte und alles würde auf den Kopf gestellt werden. Das durfte ich nicht riskieren, also presste ich die Lippen aufeinander und sagte kein Wort, was Charles ein genervtes Seufzen entfahren ließ.

Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.Where stories live. Discover now